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(c) Pester Lloyd / 17 - 2015     WIRTSCHAFT    21.04.2015

 

"Komplex und kompliziert": Warum die EU Ungarn Zahlungen verweigert

Das Internetportal HVG.hu hat sich die Mühe gemacht, erstaunliche Details zu den Gründen der jüngsten Suspendierung von EU-Mitteln für Projekte in Ungarn zu ermitteln. Dabei arbeitete man sich mühsam durch die Originalberichte sowie die Antworten der ungarischen Regierung. Man blickt in Abgründe, die systematischen Milliardenbetrug an Europa und eine gehörige Portion Frechheit offen legen.

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Die aktuellste Mittelsperrung für etliche Projekte regionaler Entwicklungsprogramme, die vorige Woche bekannt wurde - betroffen sind dabei mindestens 600 Mio. EUR aus Projekten in Höhe von rund 2,4 Mrd. EUR - kam nämlich nicht von Heute auf Morgen zu Stande, sondern die EU-Kommission gab der ungarischen Regierung monatelang Zeit die entdeckten Unregelmäßigkeiten zu bearbeiten oder zu erklären. Diese zog es jedoch vor, Ausreden vorzuschieben und die EU-Ermittler hinzuhalten, ein Beleg dafür, dass die Unternehmen, die unrechtmäßig Gelder aus EU-Fonds abzweigten, amtlich geschützt werden.

Kein Wunder, dass die EU-Kommission in etlichen Fällen haarsträubende Ausschreibungsabläufe monierte. Da wurden Abgabefristen, Dokumentationsauflagen und andere Rahmenbedingungen ad hoc und so lange geändert, bis nur noch die passenden Firmen die Anforderungen erfüllten.

Während die Regierung der Öffentlichkeit "technische Gründe", die "mit der Methode der Abrechnung für die Fonds" zu tun hätten, vorschob, strafen sie die Berichte Lügen. Bei den Projekten, die in die Zeit der Orbán-Regierung fallen, geht es um handfesten Betrug und fehlerhafte bzw. unterlassene Aufsicht. So wurden Maschinen und Sachmittel zu vielfach überhöhten Preisen abgerechnet, Löhne verrechnet, die nie ankamen und sogar Projekte in Rechnung gestellt, die noch nicht einmal begonnen worden sind.

> So wurde, z.B., in einem der Projekte die Anschaffung einer mobilen Zuschnittmaschine der Firma Louritex mit 740.000 EUR abgerechnet, während der Marktpreis dafür bei um die 350.000 EUR liegt. Die Erklärung der Regierung: das Ding war deshalb so teuer, weil der Verkäufer die exklusiven Importrechte für Ungarn hatte. Die EU antwortete, dass solche Rechte im EU-Binnenmarkt, also auch in Ungarn seit 2004 nicht mehr existieren und man gerne zeige, wie man eine solche Maschine, z.B. über das Internet, in jedem beliebigen EU-Land bestellen könne. Doch noch besser: HVG rief bei dem angeblichen Exklusiv-Importeur an, der sagte, dass die benannte Firma diese Maschine nie bestellt habe...

> In einem anderen Fall wurde vom Projektführer eine CNC Presse für den fünffachen Marktwert abgerechnet. Die EU-Controller fanden eine Rechnung über 208.000 EUR für eine Maschine, die 45.000 EUR kostet. Die Regierung behauptet, das wäre "der damals aktuelle Marktpreis" gewesen, die EU-Kommission antwortete: man habe sich die damaligen Marktpreise besorgt, sie waren damals wie heute ein Fünftel der Abrechnungssumme.

> In einem weiteren Projekt wurden für einen Projektverantwortlichen Lohnkosten in Höhe von monatlich 1,7 Mio. Forint anstatt genehmigter 250.000 Forint veranschlagt. Wieder springt die Regierung der Firma bei: das Projekt sei "komplex und kompliziert" gewesen, daher sei der Lohn "gerechtfertigt". Das mag sein, so die EU, doch wie kompliziert ein Projekt auch sein mag, ein Mitarbeiter für "Koordination und Marketing" brauche dennoch nicht das Siebenfache dessen bekommen, was andere in ähnlichen Projekten erhalten.

Die ungarische Regierung hofft, mit der üblichen "Straf-Flat-Rate" von 3 bis 5% (bisheriger Höchstsatz) auf die Gesamtprojektgelder - wie jedes Jahr - davon zu kommen. Das wären also am Ende rund 15 Mio. EUR, die von den beanstandeten Projekten als "Verlust" von ihren Hypergewinnen abgeschrieben werden müssten. Verschmerzbar. Die EU geht in ihrer unendlichen Güte aber noch weiter. Selbst die Strafgelder werden Ungarn nicht abgezogen, sondern nur wieder in den Topf zurückgesteckt, aus dem sie kamen, wo sie für neue Projekte abgerufen werden können - bis zum nächsten Monitoring-Bericht.

 

Doch der Forderungskatalog der EU legt diesmal nahe, dass Brüssel die Geduld mit Ungarn langsam ausgeht. Hier ist nicht mehr von Abschlagszahlungen die Rede, sondern von der "Korrektur jeder einzelnen beanstandeten Ausschreibung", der "genauen Abrechnung jedes beanstandeten Abrechnungspostens", der "Anpassung der Gesetze und der Aufsicht für korrekte Ausschreibungen". Bevor die EU überhaupt über die Sanktionshöhe verhandeln wird, müssen alle Korrekturen vorliegen sowie konkrete Maßnahmen, wie man diese Fehlleistungen hinfort verhindern will. Das ist Budapest aber zu viel Arbeit, zu mal man gar nicht gewillt ist, die Missetäter in die Schranken zu weisen oder das über fünf Jahre perfektionierte System umzustellen. Denn in Ungarn sind die meisten dieser “Fälle” längst legales oder halblegales Handeln.

Übersetzt wird diese Sabotage an Europa von Premier Orbán dann wieder mit den üblichen Floskeln: lebensferne Brüsseler Bürokraten als Vasallen der Finanzmärkte und Multis, die Extraprofite aus Ungarn schleppen und ungarische Familien angreifen etc. etc. Staatssekretär Csepreghy meinte listig, dass man wohl mit 10% Buße rechnen müsse, ein Satz, der noch nie angelegt wurde, - nur um dann, wenn es doch "nur" 5% werden, dies als Sieg über die EU feiern zu können. Die PR-Trickserei geht also genauso weiter wie der Milliarden-Betrug an Europa. Bis 2020 sind 35 Mrd. zu verteilen...

red.
 

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