(c) Pester Lloyd / 43 - 2009
STADTLEBEN 24.10.2009 _______________________________________________________
Frei sein
Gleich und gleich gesellt sich gern: im “Alterego” in Budapest
Das „Alterego Bar und Lounge“ ist der größte Schwulen- und Lesben-Club Budapests. Neben ausgefallenen Travestie Shows macht eine bunte und sehr
entspannte Disko-Szene die Räumlichkeiten zum Event. Der drei Jahre alte Club ist auf dem Pester Broadway längst angekommen und aus dem
Nachtleben nicht mehr wegzudenken. Er ist eine friedliche Partyzone in einer Frontstadt der Emanzipation.
Martini trinkende Dandys
„Sogar Heteros kommen hierher“ sagen die Bediensteten stolz. „Die meisten
aber sind Männer“ muss der Chef später zugeben. Sie sind gut anzusehen, keine überschminkten Paradiesvögel mit rosa Schleifchen im Haar, sondern
modebewusst und meist deutlich gepflegter als die herkömmliche Clubszene. Die Männer tanzen klischeefrei oder sind in Gespräche vertieft.
Es herrscht eine entspannte Atmosphäre. Anrüchig ist hier gar nichts, auch wenn
sich ein wohlgenährter Lastwagenfahrer Type an der Gesichtskontrolle vorbeigeschlichen hat und seltsam durch die Gänge stiert. Er ist die Ausnahme,
die Männer sind lange nicht so offensiv, wie es der eine oder andere vielleicht erwartet. Gelegentlich wird sich geküsst und ja geflirtet. Sex auf der
Herrentoilette, wie in einigen schlechten Komödien aufgegriffen, bleibt aber Klamauk. Das Bild wird von Martini trinkenden Dandys, die anderes im Sinn
haben, als den erst besten männlichen Körper den sie sehen anzutatschen bestimmt.
Einfach nur feiern
Zwar stellen heraldische Lilien (uraltes Symbol
französischer Könige) das Clubwappen, die vermeintlichen Ritter der Schwulenszene aber verstehen sich nicht als solche. „Das Wappen hat nur was mit Style zu tun“ meinen die Besucher
und die Clubleitung. Die Wenigsten verstehen sich hier als Märtyrer im Kampf gegen Diskriminierung und Schwulenfeindlichkeit, sie wollen einfach nur feiern. Chef Kristian erklärt
in einem intensiven Gespräch, dass er vor allem Leute aus den eigenen Reihen fürchte: „Die Schwuchteln, die überall provozieren verhelfen uns zu einem Image, das wir so gar nicht
wollen“. Vielleicht ist das Alterego auch deshalb nie Ziel von Anfeindungen geworden.
Ein stilvolles Ambiente
Das Alterego ist eine interessante Mischung aus Designer Club im James Bond Stil
und der Kommandozentrale des Raumschiffs Enterprise. Der erste Raum beispielsweise verändert minütlich sein farbliches Erscheinungsbild. Schon
futuristisch, wie die Räume teilweise ausgestattet sind, eine Menge spießiger weißer Sessel befinden sich in einem abgerundeten, länglichen Raum. Das tiefe
schwarz und rotes Lichtstreifen an den Wänden schaffen den Eindruck im Bauch eines Ufos zu sein. Im folgenden Zwischenzimmer hin zur großen Tanzfläche,
dann ein großer Kronleuchter. Die Ideen der Club-Designer können sich wirklich sehen lassen und passen irgendwie zur schwulen Szene im Alterego, versnobt und überschick, dann aber frech und verspielt.
Bemanntes Verlangen und echte Kunst
Die Travestie Shows finden an Disko Abenden um 00:15 Uhr statt und reichen von
Playback singen und tanzen, zu unterschiedlichen Sketch Varianten. Die sechs als Frauen verkleideten Männer sind echte Künstler und führen in naher Zukunft in
humoristischer und schriller Art und Weise den amerikanischen Teenierekordfilm „High School Musical“ als „Gay School Musical“ auf. Außerdem treten zwei Gogo
Boys im großen Tanzraum auf und sorgen mit ihren anspruchslosen Darbietungen für Stimmung.
Frei sein
Das Angebot kommt auch beim
internationalen Publikum gut an, viele Spanier, Engländer aber auch Deutsche und Franzosen finden den Weg hierher. Im Alterego können sich Schwule, Lesben und Bi Sexuelle frei bewegen, ohne erschrockenen
oder angeekelten Blicken ausgesetzt zu sein. „Händchen halten ist in Ordnung, mehr machen wir in der Öffentlichkeit nicht“ meint Florentin aus Deutschland. Er zieht
genüsslich am Strohhalm seines Pina Coladas für 1250 Forint und ergänzt ohne Zusammenhang: „Sie haben so viel Charme, die ungarischen Männer“.
Fazit
Es kann und soll draussen darüber gestritten werden, was im Umgang mit
Gleichgeschlechtlichen verändert werden muss, im Alterego aber scheinen diese Streitigkeiten keine Rolle zu spielen. Im Keller eines Wohnhauses tanzen sie, wie
Schmetterlinge zu Retro und elektronischer Musik. Sacht und leicht wirken die Prinzen des Alteregos, wenn sie sich umgarnen, es ist ein wirklich filigranes
Schauspiel, das auch für Heterosexuelle interessant ist.
Tibor Wilhelm Benedek
Programm: 24.10 Lovego Party (DJ Szocsei),
30.10 Halloween (DJ Alexxo), 31.10 Lovego Party (DJ Alexxo) Adresse: Budapest VI. Bezirk, Dessewffy Straße 33 Telefon: 0036703454302 E-Mail: info@alteregoclub.hu
Homepage: www.alteregoclub.hu
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