(c) Pester Lloyd / 05 - 2011 WIRTSCHAFT 31.01.2011
Vage Versprechungen
Ungarische Regierung geht auf Investoren zu
Ob aus Einsicht oder internationalem Druck, die ungarische Regierung bemüht sich um eine Verbesserung des Verhältnisses zu internationalen Investoren. Dieses war
durch eine ruppig eingeführte, gewinnunabhängige Krisensondersteuer für bestimmte Branchen erheblich gestört worden. Nun will man "regelmäßige Konsultationen" über
Bürokratieabbau führen und stellt eine Beendigung der Sonderbesteuerung für nach 2012 in Aussicht, zumindest dem Namen nach...
Einige multinationale Konzerne drohten Ungarn bereits mit Investitionsrückzug und
Arbeitsplatzabbau und forderten die EU zu rechtlichen Schritten auf. Besonders kritisiert wird von Unternehmensseite die mangelnde Konsultation im Vorfeld der Gesetzgebung
sowie die fehlende Berechenbarkeit über die Dauer der Maßnahmen. Auch hatten es die sonst einflussmächtigen Konzerne wohl selten erlebt, dass man derart selbstbewusst über
ihre Interessen hinwegging und sich die Politik umstandslos den Führungsanspruch in der Wirtschaftspolitik anmaßt. Im Westen war man das lange nicht mehr gewohnt.
Minister Tamás Fellegi bei der Präsentation des Neuen Széchenyi-Plans.
Zumindest auf der Broschüre gibt es die gewünschte Idylle schon.
Die ungarische Regierung argumentierte stets damit, dass Ungarn durch die
Wirtschaftskrise und die Misswirtschaft der Vorgängerregierung in einer außergewöhnlich schlechten Finanzsituation war und ist und sich diejenigen, die in der Vergangenheit vom
Land profitiert hätten und es sich daher leisten könnten, an der Stablisierung der Staatsfinanzen beteiligen müssten. Man verwies mehrfach darauf, dass vor allem die
ausländischen Großkonzerne jahrelang Investitionsunterstützungen und Steuervorteile erhalten und hohe Gewinne realisiert und auch aus Ungarn abgezogen hätten. Dem ist
ersteinmal wenig entgegenzusetzen, dennoch musste auch der ungarischen Regierung klar sein, dass am Ende des Tages kein Weg an Verständigung und Kompromissen vorbeiführt.
Diese Zeit scheint jetzt, wo die Krisensteuern bereits gezahlt werden und somit auch rechtlich etabliert sein dürften, gekommen.
Sowohl der Minister für Nationale Entwicklung, Tamás Fellegi, als auch sein Kollege György
Matolcsy, "Nationalwirtschaft", versuchen eine Annäherung an die für Ungarn so wichtigen
Investoren aus dem Ausland. Während Fellegi "regelmäßige Kunsultationen" vorschlug, versucht Matolcsy die Sorgen um eine anhaltende Sonderbesteuerung auszuräumen. Erst
kürzlich hatte der vom Fidesz eingesetzte neue Aufsichtsratschef der Nationalbank, Ex-Finanzminister Zsigmond Járai der Regierung vorgeworfen, das Vertrauen der
Investoren "zerstört" zu haben.
Fellegi schmeichelt den Ausländern, bleibt aber unkonkret
Auf einem Treffen der Ungarischen Vereinigung ausländischer Unternehmen am
vergangenen Donnerstag bat Minister Fellegi die anwesenden Unternehmensführer um "Kooperation bei der Wiederherstellung des Investorenvertrauens in das Land." und bot
gleichzeitig regelmäßige Konsultationen an, u.a. auch um sich deren Vorstellung einer "Rationalisierung" der "regulatorischen Systeme" (sprich Bürokratie) anzuhören. Er
schmeichelte den Unternehmen mit ihrer Wichtigkeit im ökonomischen Gefüge des Landes und versprach, dass seine Regierung eine "beständige und zuverlässige" Arbeitsumgebung
schaffen werde.
Dabei erläuterte er unter den freundlich bis skeptisch dreinschaunden Unternehmern auch
einige Maßnahmen der Regierung im Rahmen des "Neuen Széchenyi Plans", der zur Schaffung von bis zu 1 Million Arbeitsplätzen in den nächsten zehn Jahren führen soll und
die vorhanden EU-Mittel vor allem zur Förderung des "ungarischen Mittelstandes" umleitet und einsetzt. Dass Ungarn die Beschäftigungsquote von derzeit knapp 56% auf die
erwünschten 75% bis 2020 anheben kann, wird jedoch auch von Optimisten bezweifelt. Hinsichtlich der Krisensteuern verlegte er sich darauf, dass diese längst schon durch die
Vorgängerregierung hätte eingeführt werden müssen, anders konnte man die durch deren Misswirtschaft enstandene Budgetlücke und die "tiefen strukturellen" Schäden kaum reparieren.
"Neues System" anstelle von Sondersteuern
Die ökonomischen
Reformpläne der Regierung sehen eine "Abschaffung der Krisensondersteuern für einige ausgewählte Branchen" nach 2012 vor. Das erklärte der Staatssekretär im Ministerium für
Nationalwirtschaft, Zoltán Cséfalvay (Foto links), am Freitag bei einem Pressegespräch. "Mit Beginn des Jahres 2013 muss Ungarn bereits sein, 600 Milliarden Forint an
Sondersteuern mit anderen Quellen zu ersetzen", so der Vertreter von Minister Matolcsy. Das bedeutet, dass an die Stelle "alternative Quellen" treten müssen. Bereits mit der
Einführung der Sondersteuern in den Branchen Telekom, Handel, Energie sowie Banken und Finanzwirtschaft sprachen Fidesz-Strategen von einem "neuen System", das nach 2012 die
Sondersteuern ersetzen soll und ungefähr die Hälfte der jetzigen Höhe ausmachen könnte.
Es ist also durchaus denkbar und auch wahrscheinlich, dass der Staat nicht ganz auf diese
Sonderbesteuerungen, die vor allem umsatzstarke also mehrheitlich multinationale Unternehmen trifft, aufrecht erhält, ihr jedoch ein neues Etikett verpasst. Zum einen wird
er das Geld auch nach 2012 dringend brauchen, zum anderen sind diese "Robin Hood"-Steuern beim Wahlvolk sehr beliebt, das zum Teil tatsächlich glaubt, die
Unternehmen könnten, da die Steuern auf die Umsätze angelegt werden, diese nicht auf die Konsumenten umlegen. Die ungarische Wirtschaftspolitik hat, auch wenn jetzt einige
versöhnliche Schritte gesetzt werden, weiterhin etwas gönnerhaftes und bleibt unberechenbar, auch wegen ihrer ideologischen Durchsetzung. Das Budget 2013 will ja
nicht nur ohne Sondersteuern auskommen, sondern muss auch ohne die einmalig anfallenden private Rentenbeiträge aufgestellt werden, was es aus jetziger Sicht mehr als
fragwürdig und die Ankündigungen zu vagen Versprechunge macht.
Warten auf die großen Strukturreformen
Als mögliche alternative Finanzquellen nannte der Staatssekretär er eine Verringerung der
staatlichen Zuzahlung für Medikamente, aber auch die absolute Notwendigkeit, "Fässer ohne Boden" wie die Staatsbahn MÁV und den Budapester Nahverkehr BKV zu sanieren. "Es
ist ein unhaltbarer Zustand, dass diese Unternehmen jedes Jahr zusätzlich zu ihren subventionierten Budgets beim Staat weitere Milliarden zur Abwendung von Insolvenzen
anfragen". Minister Matolcsy (auf dem Foto rechts) hat bereits ungefähr ein Dutzend Mal für Mitte Februar die Vorlage von "umfassenden Strukturreformen" angekündigt. Cséfalvay
kündigte in diesem Zusammenhang auch an, was das IWF und die Analysten des ungeliebten, aber immer noch einflussreichen "internationalen Finanzmarktes" seit langem
fordern, dass sich im Staatshaushalt das "Verhältnis zwischen Umsatzsteigerungen und Kostensenkungen" umkehren wird. Es gäbe etliche Bereiche, in denen Steuergelder immer
noch verschwendet würden. Man werde das abstellen.
In Richtung der Unternehmen und Investoren stellte er eine weitere Entlastung von
Verwaltungskosten in Aussicht. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes nachhaltig zu erhöhen, gehörten 800 Milliarden Forint (ca. 2,9 Mrd. EUR) der jährlichen 2.800 Milliarden
nichtproduktiver Kosten (also Steuern, Verwaltungsaufwand gegenüber Behörden, Abgaben, Gebühren etc.) abgeschafft, was Unternehmen eine effektive Ersparnis
einbrächte. Bisher hätte das Wirtschaftsministerium bereits Maßnahmen ergriffen, welche die Unternehmen von rund 100 Mrd. dieser Kosten erleichtern würden, behauptete der Staatssekretär.
red.
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