Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 08 - 2011  WIRTSCHAFT 22.02.2011

 

Jeder Zehnte praktisch pleite

Anstieg der Kreditausfälle in Ungarn um ein Drittel - Leitzins unverändert

Während die Zentralbank bei den Zinserhöhungen eine Pause einlegen kann, sich die Inflation und der Forint ziwschenzeitlich beruhigt haben, geht die Tragödie um die private Verschuldung in Ungarn weiter, auch die kleinen Unternehmen bleiben unter Druck und kommen - Förderankündigungen hin, Széchenyi-Plan her - nur sehr schwer an Kapital.

Wie "von den Märkten erwartet" hat der Währungsrat der Ungarischen Nationalbank, MNB, die Leitzinsen unverändert bei 6% gelassen. Seit November hatten die Zentralbanker in drei 25-Punkte-Schritten die Zinsen angehoben, nachdem sie davor seit ihrem Höchststand von 11,25% während der Spitze der Krise 2008 permanent gesunken waren. Die letzten drei Zinsanhebungen wurden in erster Linie mit erhöhten Inflationsrisiken begründet, doch im letzten Monat sank die Teuerung nach Consumer Price Index im Jahresvergleich von 4,7% auf 4%, weshalb man eine Zinspause für angebracht hielt.

Nationalbankchef, und Orbán-Intimfeind András Simor
an einem gut gefüllten Tresor der ungarischen Zentralbank.

So die offizielle Version. Die andere Variante ist, dass die Nationalbank, deren Währungsrat im März turnusmäßig mit vier neuen "externen" Mitgliedern, entsandt von der Regierung, bestückt wird, ein Friedenszeichen aussenden will. Die Orbán-Regierung versucht seit geraumer Zeit, ihren Einfluss auf die MNB zu verstärken. Zentralbankchef Simor nannte die "Entspannung" bei der Inflationsentwicklung eine "echte Überraschung", im Dienstleistungsbereich, der als guter Indikator für kommende Trends gilt, lag die Rate gar nur bei 2%, leider bleibt aber der "externe Druck" auf Lebensmittel- und Kraftstoffpreise erhalten. Jedenfalls, so der Währungsrat in seiner Begründung, genügten derzeit die drei vorherigen Zinsanhebungen, um die Inflation an die gewünschte Zielgröße anzunähern, weitere Schritte behalte man sich ohnehin vor.

Die andere wichtige Aufgabe des Leitzinses, nämlich die Stabilisierung der Landeswährung, erfüllt sich in den letzten Monaten wie von selbst. Der Forint bewegt sich - für viele überbewertet - seit Monaten recht ruhig in einem Band zwischen 268 und 273 Forint pro Euro. Doch auch diese relative Währungsstabilität konnte nicht verhindern, dass der Anteil der übschuldeten Bankkunden weiter zunimmt, zumal der Kurs zum Schweizer Franken langsam aber sicher, wie eine Schraubzwinge anzieht. Wie ebenfalls die Nationalbank mitteilt, ist der Anteil der "Nonperforming Loans" also der "notleidenden Kredite" bei den in Ungarn operierenden Banken mittlerweile, d.h. per Ende 2010, auf beängstigende 11% bei den Consumern (also Privatkredite für Häuser, Autos, Reisen, Möbel) gestiegen und liegt damit um rund ein Drittel höher als Ende 2009 mit 7,7%.

Bei den Unternehmenskrediten stieg die Ausfallrate binnen eines Jahres nochmals um mehr als 20% von 10,1% Ende 2009 auf nun 12,4%. Ein Teil dieses Anstiegs geht auch auf das Auslaufen von Übergansregelungen und während der Krise ausgehandelten Zahlungsaufschüben zurück, eine Belastung für die Realwirtschaft wie für den Konsum und den sozialen Frieden stellen die Zahlen allemal dar. Die Regierung verlängerte wiederholt ein Moratorium gegen Zwangsräumungen und -versteigerungen, sieht aber selbst ein, dass das kaum eine dauerhafte Lösung bringt. Über die verbilligte Umwandlung von Fremdwährungs- in Forintkrediten kann man sich mit den Banken indes kaum auf ein einheitliches Vorgehen einigen. Geschätzte 800.000 Ungarn, also jeder zehnte Erwachsene, gilt in Ungarn als überschuldet, ist also zumindest mit drei Bankraten, die zusammen höher sind als der Mindestlohn länger als 90 Tage in Verzug.

Die Banken konnten sich auf diesen von der MNB schon vor einem halben Jahr vorhergesagten Trend lange genug einstellen, so stieg die Eigenkapitalquote gleichzeitig mit dem Anwachsen der unbedienten Kredite im Schnitt von 13,1 auf 13,4%, 11% sind verlangt. Die externen Verbindlichkeiten sanken um 1.400 Mrd. Forint. Auch die Kreditportfolios insgesamt verringerten sich weiter, im Retailsektor um 2,5%, bei den Unternehmen sogar um 7,5%, was wiederum meist die kleinen und mittleren Unternehmensgrößen trifft. Dass auch die Gewinne der Banken 2010 stark fielen, ist da nur gerecht, denkt man, doch die Gewinne wurden durchaus erwirtschaftet, gingen aber zum großten Teil als Sondersteuer an den Staat, der damit die Haushaltslöcher stopft. 2010 machten alle in Ungarn agierenden Finanzinstitute nur noch 73 Milliarden Forint Gewinn vor Steuern, statt der ohnehin schon bescheidenen 300 Mrd. Forint 2009. 182 Mrd. Forint betrugen die Abgaben aus der Bankensteuer.

Mehr zur Schuldensituation, dem Zustand der Bankenwelt in Ungarn und zum Dauerstreit zwischen Simor und Orbán im FINANZMARKT

red.

LESERPOST                                       Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

Mehr zum Thema:                                            

 


 

 

 

IMPRESSUM

 

Pester Lloyd, täglich Nachrichten aus Ungarn und Osteuropa: Kontakt