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(c) Pester Lloyd / 29 - 2011  POLITIK 18.07.2011

 

Viktor, hilf!

Neues aus Absurdistan: Machtkampf im ungarischen Esztergom spitzt sich zu

Die Politposse in der nordungarischen Stadt Esztergom hat vergangene Woche einen neuen Höhepunkt erreicht, als die unabhängige Bürgermeisterin Éva Tétényi Ministerpräsident Orbán um die Einsetzung eines Regierungskommissars zur Lösung der Regierungs- und Verwaltungskrise in ihrer Stadt gebeten hatte. Dieser müssen nun seinen völlig durchgedrehten Parteigenossen ins Gewissen reden, damit die Stadt wieder funktionieren kann.

Esztergoms Bürgermeisterin auf verlorenem Posten

Esztergom ist in Ungarn zu dem Symbol für den Irrsinn der politischen Klasse geworden. Die Darstellung des Fidesz-Politikers ist dafür der beste Beleg. Dieser forderte im Namen der Fidesz-Fraktion, die die Mehrheit in der Stadtversammlung hat, Bürgermeisterin Tétényi zum Rücktritt auf, sie sei für den Posten "unzumutbar". Dass sie einen "Vermittler" benötige, zeige, dass sie "zu inkompetent ist, die Situation zu meistern", sagte der Fiesz-Lokalpolitiker Vajk Banhidi. Die Stadt sei nur deshalb nicht handlungsfähig, weil Tetenyi die Stadtversammlung seit mehr als drei Monaten nicht einberufen habe. Das Bürgermeisteramt habe nichts anderes zu tun, als eine Kampagne gegen den früheren Bürgermeister zu fahren.

Éva Tétényi  ist von einem parteiübergreifenden Bündnis (einschließlich der Neonazis von Jobbik) zur Bürgermeisterin gewählt worden, weil die Stadt den Vorgänger, Tamás Meggyes vom Fidesz, loswerden wollte. Dieser hatte die Stadt an den Rand des Ruins, eigentlich schon darüber hinaus gebracht, städtisches Eigentum einschließlich eines Kinderheims für Kredite verpfändet, Gelder verschlampt, womöglich massiv veruntreut (wird juristisch geprüft) - sich also aufgeführt wie man es landläufig von einem Vertreter der sozialliberalen Vorgänger erwartet - und sogar noch die Übergabe des Amtes an seine Nachfolgerin behindert. Zwischenzeitlich wurden in Esztergom sogar die Straßenbeleuchtung wegen unbezahlter Rechnungen abgestellt, auch der Umstand, dass aus der Kasse des Bürgermeisters womöglich Gelder für private Rechtsstreitigkeiten des Bürgermeisters sowie den landesweit bekannten Jorunalisten und Hassprediger Zsolt Bayer, ein Freund Orbáns, abgezweigt worden sind, wurde allgemein zur Kenntnis genommen.

“Viktor, hilf!” forderten Esztergomer schon 2009,  - er half nicht.

Seit den letzten Wahlen hat die Stadt eine Fidesz-Mehrheit im Parlament, aber eine unabhängige Bürgermeisterin, was zu einem Patt geführt hat, da das Fidesz jede, aber wirklich jede Maßnahme der Bürgermeisterin blockierte oder abschmetterte und ihren einstigen Chef Meggyes weiter unkritisch in Schutz nimmt. Die unbezahlten Rechnungen der Kommune, samt und sonders ein Erbe ihres Vorgängers belaufen sich derzeit auf umgerechnet fast 5 Mio. EUR, die Gesamtschulden des 30.000-Einwohner-Städtchens summieren sich mittlerweile auf fast 94 Mio. EUR.

Tétényi spricht von immer häßlicher werdenden Attacken der Fidesz-Abgeordneten, statt der Suche nach einer Lösung, nur ein "externer Vermittler" könne hier noch helfen. Sie habe neun Monate versucht, eine "friedliche Bereinigung der Situation im Interesse der Stadt" vorzunehmen, nun brauche es aber ein Machtwort von Fidesz-Chef und Premier Orbán an seine Parteifreunde. Sie wäre sogar zum Rücktritt und Neuwahlen bereit, wenn dies auch die Fidesz-Stadtverordneten sind, dann werde man ja sehen, was das Volk dazu sagt. Im März war auch noch Tétényis Stellvertreter von der LMP zurückgetreten, seine Partei fürchtete, sich im Dauerclinch zwischen Bürgermeister und Fidesz zu zerreiben. Tetenyi hält ihre eigene Stadt für unregierbar, solange das Fidesz die Totalblokade aufrecht erhält.

In einer Stadt oder Region nicht die absolute Macht zu haben, scheint für Fidesz-Leute heute so unvorstellbar wie nicht hinnehmbar. Doch Orbán müsste erkennen, dass aus dem - je nach Sichtweise - treuen oder sturen Haufen in Esztergom eine Gefahr für den Ruf seiner Partei erwächst, denn selbst Fidesz-Anhänger schütteln über "ihre" Abgeordneten zunehmend angewidert den Kopf. Sollte Orbán überraschenderweise pragmatischer sein als er stur ist, müsste er handeln. Éva Tétényi erlangte duch ihre Opferrolle in Esztergom landesweit Bekanntheit und Mitleid, manche sehen in ihr sogar eine mögliche Kandidatin für größere Aufgaben und gegen größere Kaliber...

red.

 

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