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(c) Pester Lloyd / 10 - 2012     OSTEUROPA   11.03.2012

 

Absolute für Fico

Smer mit 46%, doch die Wahlen in der Slowakei bleiben ohne Gewinner

Ein Nationalsymbol in Flammen, Gorillas im Knast, Eier und Bananenschalen auf Polizisten, übertriebene Razzien, dumme Sprüche und ausländische Einmischung. Die Slowakei war in den letzten Wahlkampftagen ein republikanisches Tollhaus. Die Bürger bedankten sich mit einer der niedrigsten Wahlbeteiligungen bei ihren käuflichen Politikern aller Parteien. Oppositionsführer Fico profitierte zwar davon, kann sich aber eigentlich nicht als Wahlgewinner, höchstens als Abstauber sehen.

Wahlergebnisse (Update: 11.3., 08:08 Uhr)

Die sozialdemokratisch-populistische Smer von Robert Fico erhielt nach der amtlichen Hochrechnung von Sonntag, 8 Uhr, 46,2% und erhält damit die absolute Mehrheit, 87 der 150 zu vergebenen Mandate. Die anderen Parteien folgen mit weitem Abstand, die konservative SDKÚ–DS von Noch-Regierungschefin Redavica kommen mit 5,41% gerade so ins Parlament, die neue Bewergung "OL´aNO "Gewöhnliche Leute" schafft auf Anhieb 8,25%, die gemäßigte Ungarnpartei Most-Híd 6,32%, die rechtsliberale KDH wird mit 9% Zweiter, die SaS, ebenfalls Teil der letzten Regierungskoalition überspringt knapp die 5%. Die ultranationalistische SNS von Hassprediger Slota sowie der Favorit der Orbán-Regierung, die SMK schafften den Einzug ins Parlament nicht. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 60% und stellt einen Negativrekord für das Land dar.

Noch bis zum letzten Tag haben viele Bürger an den "Gorilla"-Demos teilgenommen, dem neuen slowakischen Symbol für die korrupte Politikerkaste (unser Bericht). Am Freitag wurde es der Polizei aber zu bunt als man mit Bananenschalen auf die Beamten warf. Als dann auch Steine dazu kamen, verhaftete man 19 Protestierende. Bereits letzte Woche war eine der Organisatorinnen der Gorilla-Proteste, Lucia Gallová von Polizeikräften verhaftet worden.

Weiteren Aufruhr gab es, als die neuformierte Oppositionspartei "99%-Stimme des Volkes" vom Ausschluss von den Wahlen bedroht worden war, nachdem einige mutmaßlich gefälschte Unterschriften einer Petition der Partei entdeckt worden waren. Verantwortliche der Partei bestreiten jeglichen Zusammenhang – dennoch wurden ihre Büros von (nach eigenen Angaben) bis zu 1000 Polizisten durchsucht. Dagegen hatte die Partei einen Eilantrag als Protestnote an das slowakische Verfassungsgericht eingereicht.

Von all dem ließen sich die Gorillas nicht beirren, so wurde auch für den heutigen Wahlsamstag zu landesweiten Protesten und Debatten aufgerufen. Es ist geplant in Zukunft regelmäßig landesweit in mehreren Städten Debatten zu organisieren. Die führenden Politiker versuchten noch, durch einige staatsmännische Erklärungen etwas wie Würde in den Wahltag zu bringen, aber dafür war es längst zu spät.

Die niedrigste Wahlbeteiligung seit der Wende ist der Gradmesser für die Bananenhaftigkeit der slowakischen Republik. Zu allem Überfluss ging heute, am Wahltag, auch noch ein nationales Kulturerbe - der Slowaken und der Ungarn - die alte Burg von Krásna Hôrka in Flammen auf, wäre es eine Inszenierung, könnte man sie nur kitschig nennen.

Auch Ungarn hat wieder kräftig mitgemischt bei den Wahlen. Im ungarischen Staatsfernsehen M1 war zur Hauptsendezeit eine Nachricht an die ungarische Minderheit im "Felvidék" (dem historischen Namen der großungarischen Provinz) gerichtet worden, bitte ja zur Wahl zu gehen. Denn „das Schicksal unseres Volkes und sein Überleben ist in eurer Hand“. Hierbei wurde keine direkte Wahlempfehlung ausgesprochen. Dies holte der ungarische Außenstaatssekretär Zsolt Németh jedoch nach, indem er die ethnischen Ungarn in der Slowakei aufrief für die SMK zu votieren, die nationalistischere der beiden Ungarnparteien, die beim letzten Male aus dem Parlament flog.

Als Reaktion darauf antwortete der Vorsitzende der Most-Hid, der anderen (und nicht fidesz-treuen) Partei der ethnischen Ungarn in der Slowakei: „bezüglich der Rechte der ungarischen Minderheit hat die jetzige Regierungskoalition mit Most-Híd am meisten geschafft.“ Der Vorsitzende der Rechtsradikalen SNS Jan Slota nannte Némeths Äußerung eine „internationale Aggression und Verletzung moralischer Prinzipien.“

 

Die scheidende Ministerpräsidentin, Iveta Rádicová sagte im Vorfeld der Wahlen, dass sie der Politik den Rücken kehren möchte, da sie „aufgrund der ganzen Arroganz und Vulgarität nicht in dieses Geschäft gehört“. Sie hatte eine sehr wacklige Vier-Parteien-Koalition geführt, die zunächst an der Frage des Euro-Rettungsschirms zerbrochen ist was zu den vorgezogenen Neuwahlen geführt hat. Die letzten Monate waren jedoch von immer neuen Enthüllungen im Zuge der Gorilla-Affäre (von der sie nicht teil ist) und immer neuen Protesten geprägt. Sie hatte jedoch Petitionen erhalten, dass sie bitte der Politik erhalten bleiben solle. Es wird gemutmaßt, dass sie 2014 Präsidentschaftskandidatin werden könne, genießt sie doch noch immer - relativ - hohes Vertrauen in der Bevölkerung.

Der amtierende Präsident Gasparovic nannte die Wahlen „die wichtigsten seit 1990“, da nun die Weichen für die nächsten Jahre gestellt werden. Er bezog sich des weiteren auf die EU-Präsidentschaft der Slowakei in 2014 und wünschte sich eine pro-europäische Regierung. Auch der Smer-Vorsitzende und wahrscheinlich künftige Premier, Robert Fico, der mit seiner Absurdität einer “nationalistischen Sozialdemokratie” als starker Mann zurückkehrt, zumindest als lautstarker, wünschte sich eine pro-europäische Regierung, da „die Slowakei mehr von der EU profitiert, als sie in diese hereinsteckt“. Mit Profiten kennt sich die politische “Elite” des Landes offenbar aus.

Philipp Karl, red.

 

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