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(c) Pester Lloyd / 11 - 2012     WIRTSCHAFT   13.03.2012

 

Armut nach Plan

Preise und Verarmung in Ungarn steigen schneller

Die Teuerung in Ungarn hat im Februar 2012 um 5,9% gegenüber dem Vorjahr angezogen und markiert damit ein 2-Jahreshoch. Doch es ist nicht nur die Mehrwertsteuererhöhung auf Europareekordniveau von 27% (Regelsatz) daran Schuld, Energie schoss um 8% nach oben, einige Grundnahrungsmittel verteuerten sich um über 25%. Die Opposition fordert nun einen Aktionsplan gegen die steigende Armut und wirft der Regierung Versagen vor. Doch diese Zustände sind im Prinzip gewollt.

 

Der 5.9%ige Anstieg der Preise von Februar zu Februar hat sogar die Analysten überrascht, denn man meinte, mit dem Plus von 5,5% im Januar bereits die Spitze des Teuerungsberges erreicht zu haben. Im Dezember lag die Inflation noch bei 4,1%, im Gesamtjahr 2011 lag sie bei 4%. Allein die Lebensmittelpreise zogen binnen 30 Tagen im Februar um 1,7% an, im Jahresvergleich um 6%, 0,5 Punkte mehr als von Jan-Jan. Einige Grundnahrungsmittel, vor allem Mehl und Zucker legten zweistellige Steigerungsraten hin, Rekord Weizenmehrl mit +26%.

Das Elend ist echt, die, die dagegen kämpfen, sind es oft nicht... “Arbeit und Brot”, gefordert hier auf einem inszenierten “Hungermarsch” von Miskolc nach Budapest. Als sie an der Macht waren, taten “die Sozialisten” so als gehört ihnen das Land. Nun, in der Opposition wird es ihnen von der Regierung leicht gemacht sich wieder auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren...

Weitere Preistreiber waren wiederum Benzin und Diesel für Privatverbraucher mit +8,7%, Energiekosten für Privathaushalte + 8,1%, Alkoholische Getränke und Tabakwaren waren im Schnitt 7,6% teurer. Kleidung und Schuhe stiegen um 4,8%, nach 2,8% (Jahr zu Jahr) im Januar, Dienstleistungen verteuerten sich im Schnitt um 4,5%. Ein speziell für Rentner aufgestellter Warenkorb verteuerte sich um 6%. Aus den Zahlen ist erkennbar, dass vor allem die Quasi-Monopole von MOL, E.ON, MVM  etc. mächtig an der Preisschraube drehten, aber auch die Entwicklung bei den Lebensmitteln ist keine marktgerechte, bedenkt man die herausragende Ernte im Vorjahr. Die Teuerung in diesen Bereichen belastet, wie stets, die ärmsten Bevölkerungsschichten des Landes, was durch die sozial unausgewogene Steuerpolitik der Regierung verschärft wird.

Mehr Statistiken im Jahresbericht 2011

Die Oppositionspartei MSZP hat - auch in diesem Zusammenhang - einen dringlichen Aufruf an die Regierung gerichtet, der Armut den Kampf anzusagen, statt einen "Krieg gegen die Armen" zu führen, Sozialhilfeempfänger zu Zwangsarbeit zu verpflichten und Obdachlosen mit Knast zu drohen, so der frühere Sozialminister Péter Kiss (Foto). Er nannte die Politik der Regierung verfehlt und brachte als ein zentrales Beispiel, dass die Menschen trotz zweifacher Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes nicht einen Forint mehr nach Hause bringen. (Grund die flat tax und Veränderungen bei der Abgabenlast). Nach seinen Berechnungen würden 80-82 Prozent derjenigen, die zwischen dem Mindest- und dem Durchschnittsgehalt (93.000 HUF bzw. 310 EUR und 210.000 HUF bzw. 710 EUR brutto) liegen in diesem Jahr Einbußen von 8-10% hinnehmen müssen, selbst wenn alle Unternehmen die geforderte 5%ige Gehaltsanpassung vornehmen, was längst nicht alle tun werden bzw. können.

Die Regierungssprecherin des Fidesz, Gabriella Selmeczi (Foto), gab zurück, dass die Regierung erstmal eine "absurde und tragische Situation", verursacht von den Sozialisten, zu bereinigen hatte, wonach 2010 1,2 Mio. der 3,8 Mio. Beschäftigten gar keine Steuern entrichtet haben. Lediglich 2,6 Mio. Menschen hätte "das Land am Leben erhalten". Die "Wohlfahrtspolitik dieser Regierung wird mindestens 5,5 Millionen Menschen zu steuerzahlenden Arbeitenden machen, um die Zukunft der Wirtschaft zu sichern", fuhr sie in einwandfreiem Neusprech fort. Sie hätte auch einfach sagen können, dass dem Staatshaushalt schlicht das Geld fehlt, um sich um die Masse des Volkes zu bemühen, doch dann wäre sie hinsichtlich der enormen Entlastungen für die Besserverdiener durch die flat tax von gerade 16% auf egal wie hohe Einkommen, in Erklärungsnot gekommen. Die Einkommensschere zwischen ganz Oben und ganz Unten ist im Vorjahr um 37% auseinandergegangen.

Unleugbar ist, dass die sich "sozialistisch" nennenden Vorgängerregierungen durch Verschwendung, Selbstbereicherung, mangelnden Gemeinschaftsgeist und falsche Politik einen erheblichen Anteil an diesen Zuständen haben, allerdings hatte diese Regierung nun schon fast zwei Jahre Zeit gegenzusteuern. Doch sowohl die Steuerpolitik von Flat tax über Mehrwert- und Verbrauchssteueranhebungen, die Forex-Kreditablöse, die Bildungspolitik, das neue Arbeitsrecht wie auch die lokalen Beschäftigungsprogramme geben eine klare Richtung hin zu einer ständisch auseinanderdividierten Gesellschaft -a la 19. Jh. vor. Rund 50% der Bevölkerung werden danach dauerhaft an oder unter der Armutsgrenze leben müssen ohne Aussicht auf Aufstieg und als Abschreckung und Motivation für eine nützliche Mittelklasse, die ein bisschen mitnaschen darf und zum Benefiz für die 10-15% auf der Sonnenseite des ungarischen Lebens, einschließlich der 1% Wirtschafts- und Parteimagnaten (auf dem Foto Premier Orbán mit OTP-Chef und Regionaloligarch Csányi). Die massenhafte Beschäftigung auf niedrigem Einkommensniveau ist - das zeigen die Taten dieser Regierung - kalkuliert, sie entspricht dem Menschenbild und Gesellschaftsplan der herrschenden Partei.

red. / ms.

Einige konkrete Rechenbeispiele gibt es in diesem Beitrag "Aufbruch ins Nirgendwo: Reale Armut und realitätsferne Politik" . Mehr zur aktuellen Einkommenssituation in Ungarn und den Querelen um die Flat tax bzw. die Kompensationen in diesem Beitrag.

 

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