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(c) Pester Lloyd / 17 - 2012     POLITIK 23.04.2012

 

Die Junker von Felcsút

Eine Pacht- und Machtfrage: Ungarn auf dem Weg in den Feudalstaat?

Amtsmissbrauch, Seilschaften, Vetternwirtschaft, das sind Begriffe, bei denen jedem Ungarn sofort die "Sozialisten" von der MSZP auf die Lippen kommen, die es über Jahre gar lustig trieben. Doch die neuen Machthaber vom Fidesz eifern den Genossen schon beflissen nach, wie ein aktuelles Beispiel feudalen Größenwahns aus dem Heimatort des Ministerpräsidenten Orbán zeigt.

Orbán in der Puskás-Akademie im Ort seiner Kindheit. Daneben Bürgermeister, Vereinspräsident, Jugendfreund und neuerdings Großgrundbesitzer Mészáros.

Das für Landwirtschaft zuständige Parlamentskomitee untersuchte am Donnerstag in einer geheimen Sitzung - und auf Initiative der Opposition - die Vergabe von staatlichen Ländereien im Örtchen Felcsút (zwischen Budapest und Tatabánya, unweit von Székesfehérvár) an einen "Bauern" mit Pachtrechten zwischen 5 und 20 Jahren. Dabei fiel besonders das "schlagartige Anwachsen" eines "einzelnen Familienhofes" auf insgesamt 1.200 Hektar auf, der zufällig dem dortigen Bürgermeister, Lörinc Mészáros, gehört und der, so die offizielle Version, "tatsächlich das beste Angebot vorgelegt hat".

Nicht nur der Bürgermeister, auch seine Frau und sein Bruder sowie eine gemeinsame Baufirma erhielten in den letzten zwei Jahren Grundstücke verschiedener Größen und Arten aus dem staatlichen Bodenfonds in und um ihren Heimatort.

Der Bürgermeister, natürlich Mitglied der Regierungspartei Fidesz, hat seinen Betrieb seit seiner Amtsübernahme damit flächenmäßig verdreifacht, ganz zufällig sind drei der 6 Gemeinderäte mit ihm verwandt. Bürgermeister Mészáros und Premier Orbán sind gute Bekannte, wenn nicht gar dicke Freunde, denn in dem kleinen Örtchen verbrachte Orbán einen Großteil seiner Kindheit, er ging dort zur Schule, die Familien kennen sich.

Mészáros holte in einer Nachwahl den Bürgermeister-Posten zurück zum Fidesz, nachdem man einen unabhängigen Kandidaten, der gegen den früheren MSZP-Mann zunächst die Unterstützung des Fidesz genoss, dann aber einen Fidesz-eigenen Mann (der übrigens auch Pachtland erhielt) ausstach, aus dem Amt gemobbt hatte.

In Felcsút befindet sich übrigens neben dem folkloristisch angehübschten Landsitz der Orbáns (Foto rechts) auch das Lieblingshobby des Premiers und seiner Partie, die "Puskás Ferenc Fußballakademie" (Präsident: Mészáros), die, im Unterschied zu anderen Kultureinrichtungen, keinerlei Mangel an Förder- und Projektmitteln zu erleiden hat, im Gegenteil, sie boomt geradezu, im Staatshaushalt gibt es einen eigenen Posten dafür, gerade vor zwei Wochen wurde der Bau eines neuen Stadions beschlossen, aus Budgetmitteln, zwar nur für 3.500 Plätze, aber schon nach FIFA-Standards...

Die Einrichtung kann man getrost als Fidesz-Vereinsheim betrachten, wo sich die nationalkonservative Politelite die Klinke in die Hand gibt, sich mit Wirtschaftsbossen trifft und wo ganz sicher nicht nur Landpacht-Fragen geklärt werden. Mészáros ist immer da, wenn Orbán am Wochenende zum Fußball vorbeischaut, die Tribünen-Brüderschaft beider ist fotografisch ausführlich belegt.

Die Geschichte dieser "Akademie" ist ein Kapitel für sich und reicht übrigens schon in die erste Amtszeit Orbáns zurück, sie hat den Anspruch der "größten Fußballanlage des Landes", mit angeschlossenem Sporthotel. Orbán wird auf der Webseite recht passend mit dem O-Ton zitiert: "Wir erziehen hier vor allem Menschen, die nebenbei noch hervorragend Fußball spielen können" und man sieht sich sogar als "geistiges Zentrum", erfährt aber nicht für welchen Geist. Gebaut hat die Anlage übrigens der Nationalarchitekt Markovecz, "Die Gründung" aber "verknüpft sich mit dem Namen der regierenden Ministerpräsidenten Viktor Orbán", der hier also nicht mehr weit vom Majestätsplural aufgeführt wird. Hier die deutsche Version der Webseite http://www.pfla.hu/?q=de

Erde für den “unstillbaren Hunger nach Land” des Felcsúter Bürgermeisters... - Protestaktion der LMP am letzten Donnerstag.

Doch Spaß beiseite, die Opposition, vor allem die für die Kontrolle zuständigen Parlamentsabgeordneten, bemängeln in diesem Falle, dass ihnen nicht sämtliche gemachten Gebote der Ausschreibung vorliegen, um die Behauptung des Ministerialkommissars für Landvergabe, Csaba Szabó, überprüfen zu können, der vor den Medien sagte, "nach Prüfung" ist "alles rechtmäßig und transparent" abgelaufen, der "in Frage stehende Manager des Landwirtschaftsbetriebes" habe "die Pachtrechte zu recht zugesprochen" bekommen. Eine solche Aussage zu tätigen und im gleichen Moment die Aushändigung von Beweisunterlagen an ein parlamentarisches Kontrollgremium als "unnötig" zu verweigern, zeigt, in welchem Zustand die Demokratie in Ungarn ist. Die Sache wird wohl vor Gericht gehen, wenn sich ein todesmutiger Kläger findet.

Am Freitag veranstaltete die Partei LMP einen öffentlichen Protest, in dem sie einige Fuhren Erde aus "allen Teilen Ungarns" vor dem Bürgermeisterbüro in Felcsút ablieferte, um dessen "unstillbaren Hunger nach Land" zu befriedigen. LMP-Fraktionschef Benedek Jávor bezichtigte die Regierung, "öffentliches Vermögen zu verwenden, um ihr feudales System auszubauen." Ein LMP-Abgeordneter wies daraufhin, dass ihm Berichte über ähnliche Vorfälle mit gleichen "Konstellationen" aus "vielen Landesteilen" vorlägen, die man nun systematisch aufbereiten werde. Der Bodenfonds umfasst derzeit rund 65.000 Hektar Ackerflächen, die zur Verpachtung freigegeben wurden, rund 40.000 Hektar davon wurden bereits vergeben.

 

Die Regierung hatte vor Jahresfrist diesen "Nationalen Bodenfonds" eingerichtet, um "ausländische Bodenspekulation" zu verhindern und Jungbauernfamilien zu fördern. Dieses Vorgehen wurde auch Teil der pathetisch verkündeten "Nationalen Landwirtschaftsstrategie". Schon zu Beginn blieben die Vergabekriterien aber im Dunkeln. Dass es sich letztlich um einen "Versorgungsfonds" für Parteifreunde ging, der gleichzeitig den Einfluss der lokalen Parteistrukturen stärkt, hatte die Opposition damals schon befürchtet, nun scheint sich dies zu bestätigen.

In Felcsút hatten sich auch andere lokale Bauern um Flächen beworben, sind aber allesamt leer ausgegangen und es verwundert nur noch wenige, dass man sich nicht einmal die Mühe machte, wenigstens den Anschein von Fairness zu wahren, in dem man einige Hektar anderen Bewerbern überließ. Offenbar liegt es im "nationalen Interesse", die Latifundien, auf dem der Premier seine rare Freizeit verbringt, in parteinahen Händen zu wissen, so wie Castel Gandolfo auch dem Vatikan gehört. Natürlich schießen, die regierungsamtliche Instransparenz macht es möglich, längst die Gerüchte ins Kraut, wonach der Felcsúter Bürgermeister nur als Strohmann für die Interessen der höchsten Familie des Landes herhält und einige erinnern sich plötzlich an die ziemlich ähnliche Story über einen Tokajer Weinberg vor einigen Jahren...

red.

 

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