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(c) Pester Lloyd / 19 - 2012     GESELLSCHAFT 10.05.2012

 

Straftat Asyl

Ungarn behandelt Flüchtlinge wie gemeine Verbrecher

Während man Auslandsungarn pathetisch die Staatsbürgerschaft andient, werden Flüchtlinge in monatelanger Zellenhaft, zusammen mit Kriminellen gehalten, Kinder verbringen bis zu einem Jahr in "Schubhaft". Ungarn verstößt, so die UN, gegen die Genfer Konvention, die Menschenrechtscharta und gegen EU-Regeln. Die Zuständigen wehren die Kritik mit dem Argument ab, der UN-Bericht fuße auf "Lügen der Flüchtlinge". Ungarn stellt sich als Opfer dar. Ist aber Täter, wie die ganze EU. - MIT KOMMENTAR

Die Flüchtlingshilfsorganisation der Vereinten Nationen, UNHCR, hat Ende April eine Stellungnahme zur Situation von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Ungarn veröffentlicht, in welcher die "Beeinträchtigung von Menschenrechten und Schutzbedürfnissen" durch Gesetze der heutigen Regierung festgestellt wird. Zunächst lobt die UNHCR Ungarn jedoch als "das erste Land in der Region, das die Genfer Flüchtlingskonvention nach dem Ende des Kommunismus ratifiziert und zehntausende Flüchtlinge zur Zeit des Zusammenbruchs Ex-Jugoslawiens in und nach den 90er Jahren aufgenommen hat."

Das gesamte Verfahren in Haft, auch die Kinder

Heute jedoch, besonders nach den Gesetzesverschärfungen der Orbán-Regierung, die sich der Law-and-Order-Politik verschrieben hat, registriert man "zunehmend systematische Inschubhaftnahme von Asylsuchenden ohne Visum unter harten, gefängnisähnlichen Bedingungen." Illegale Einwanderer und Asylsuchende werden gemeinsam inhaftiert, "ohne zwischen den beiden Gruppen zu unterscheiden."

Die meisten Asylsuchenden verbringen so "die gesamten 4-5 Monate ihres Verfahrens hinter Gittern, wobei sie den Großteil des Tages tatsächlich in ihrer Zelle eingesperrt sind." Asylsuche ist aber keine Straftat, was den ungarischen Staat nicht zu interessieren scheint. "Entgegen internationaler Standards sehen die neuen ungarischen Gesetze für Familien mit Kindern bis zu 30 Tagen Verwahrung sowie Schubhaft bis zu einem Jahr vor."

Die UNHCR stellt durchaus in Rechnung, dass Ungarn unter einer hohen Zunahme illegaler Einwanderung, vor allem über Serbien, leidet. Diese erreichte im Zuge des "Arabischen Frühlings" neue Höchstzahlen, auch die Aktivitäten professioneller Schlepperbanden nehmen zu. Gleichzeitig steigen aber auch die Rückweisungen in sichere Drittstaaten sowie sinkt die Zahl der Asylanträge, zuletzt um 20% gegenüber 2010, Ungarn ist Transit- nicht Zielland.

“Integrationshaus” hinter Betonmauer mit Stacheldraht und Baracken in erschütternd
bekannter Bauweise. Die Farbe wurde von der EU bezahlt. Hier in Debrecen.

In Handschellen vorgeführt und unter Drogen gesetzt

Die Behandlung von Asylsuchenden und illegal Eingewanderten als Kriminelle hört aber nicht mit der Inhaftierung auf. Der UNHCR-Bericht beschreibt: "Wenn Asylsuchende zur Anhörung vor Gericht oder zu einem Arzttermin außerhalb des Schubhaftzentrums gehen müssen, werden sie mit Handschellen abgeführt – Maßnahmen, die normalerweise nur bei Angeklagten in Strafverfahren zur Anwendung gelangen. Beschwerden Asylsuchender berichten von verbalen und physischen Misshandlungen durch Wachbeamte und die systematische Verschreibung von Beruhigungsmitteln gegen Stress, was in einigen Fällen zu Abhängigkeit geführt hat."

Weiter wird von massiven Überbelegungen in den "Camps" berichtet, maximal fünf Minuten Telefonzugang pro Tag, der Freigang an der frischen Luft (1 Std. ist internationales Minimum) wird häufig nicht gewährt. Im letzten Sommer kam es wegen der Hitze und Enge zu regelrechten Aufständen. Moslems bekommen Schweinefleisch serviert. Die meisten bemängeln jedoch die extreme Langeweile, die Nichtbeschäftigung macht viele aggressiv, dabei wünschten etliche einen Sprachkurs oder Berufsausbildung, sogar für Arbeit wären sie zu haben, statt sich mit 7000 Forint Staatsalmosen abspeisen zu lassen.

Kettenabschiebungen statt Fallbearbeitung

Weiterhin erledigen sich die ungarischen Behörden vieler Fälle auf dem "kurzen Dienstweg". So werden sie, "routinemäßig", also ohne Einzelfallprüfung, "nach Serbien abgeschoben, das Ungarn entgegen der Meinung der UNHCR als sicheres Drittland erachtet; und sind so der Kettenabschiebung in verschiedene Länder ohne entsprechende Asylsysteme, wie Mazedonien oder Griechenland, ausgesetzt. 2011 wurden mehr als 450 Asylsuchende durch Ungarn nach Serbien abgeschoben, ohne Zulassung zum inhaltlichen Verfahren zu bekommen." Mit diesem Vorgehen verstößt Ungarn sogar gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.

Ein Verstoß gegen EU-Richtlinien bedeutet, dass Dublin-II-Rückkehrer nach Ungarn nicht automatisch als Asylbewerber betrachtet werden und nochmals um Asyl ansuchen müssen, was dann als Folgeantrag gewertet wird. "Das bedeutet, dass gemäß der Dublin-II-Verordnung nach Ungarn rücküberstellte Asylsuchende im Allgemeinen nicht gegen Ausweisungsbefehle in Drittländer geschützt sind, auch wenn ihre Anträge noch nicht inhaltlich geprüft wurden."

Verstöße gegen Genfer Konvention, UN-Charta und EU-Regeln

 

Der Rückgang der Asylanträge auf ganze 1.700 im Jahre 2011 (zum Vergleich: Österreich 14.416), darin auch noch etliche "Neuanträge" von Dublinrückkehrern, sollte die Standards eigentlich erhöhen. Die UNHCR betont das Recht jeden Staates sich angemessen gegen illegale Einwanderung und Asylmissbrauch zu schützen, stellt aber klar, dass "zuätzliche Härten und zusätzliches Leid" vermieden werden müssen, dies sei nicht nur ein Gebot der Menschenrechte, Ungarn hat sich dazu auch vertraglich verpflichtet.

Derzeit laufen, auf Initiative von NGO´s Untersuchungen zu den vorgebrachten Gewaltvorwürfen durch Beamte sowie eine Aktion zur Verbesserung der Haftbedingungen. Vor allem der Zugang zu Rechtsschutz und Informationen soll durch Internetzugang und geregelte Sprechzeiten sowie diverse mehrsprachige Informationsblätter, die nicht von den Asylbehörden "redigiert" wurden, gewährleistet sein. Fakt sei, dass die
"Schutzsituation mit internationalen Standards" längst noch nicht in Einklang gebracht ist. Ganz grundsätzlich seien Inhaftierungen und Schubhaft zu hinterfragen und andere Lösungen zu finden.

Behörden: alles rechtens, alles Lüge

Am Mittwoch reagierten die Einwanderungsbehörde und das Polizeipräsidium auf die "UN-Vorwürfe". Die Chefin des Migrationsamtes, Zsuzsanna Végh stellte, entgegen den Auflistungen der UN fest, "das ungarische System erfüllt in Gänze die Anforderungen der EU." Punkt. Sie gab aber zu, dass die "EU-Regularien zum Zeitpunkt der Gesetzeserstellung nicht vollständig übermittelt worden waren", was womöglich "einige Anpassungen notwendig macht. Also was nun? - Man wolle vor allem bei Familien "nur das Beste für die Kinder". Warum sie dann eingesperrt werden, erklärte Frau Dr. Végh den anwesenden Journalisten aber nicht, nur, dass man ihnen ja Spielzeug und sogar Unterricht gebe.

Zsolt Halmosi, Vizepolizeichef des Landes, fügte hinzu, dass die Berichte der UN auf der Grundlage von "Lügen und Diffamierungen der Häftlinge" beruhen, die nicht überprüft worden seien. Mehr als 6000 illegale Grenzübertritte hatten Grenzpatrouillen im letzten Jahr aufgebracht, die Zahl der "Illegalen" aus dem arabischen Raum nahm zu, die aus Serbien und Kosovo stetig ab. Neben der Grenze zu Serbien, nahmen auch die Übertritte über Rumänien und Ukraine zu. 98% sitzen ihre Bearbeitungszeit in "Verwahrung" ab, sind die Asylanträge abgelehnt, wird diese in "Schubhaft" umbenannt. Leider arbeiteten die zuständigen Gerichte, die über eine endgültige Abschiebung zu befinden hätten, "am absoluten Limit". Ein Umstand, der sich kaum ändern wird, sieht die umstrittene Justizreform, ja lediglich den Austausch der Richter, nicht aber eine Aufstockung an Richterstellen vor.

Integration ist nur ein Randthema

Hinsichtlich der Lebensumstände anerkannter Flüchtlinge "suchen wir (das Einwanderungsamt") nach Quellen in der EU, die uns beim Aufbau von Sprachkursen und Integrationsmaßnahmen unterstützen." Im Gesensatz zu den Angaben der UN, würden die Teilnehmerzahlen dabei Jahr für Jahr steigen. Der Polizeichef meint, dass die Sicherheitsorgane, die Kontakt zu den Migranten und Flüchtlingen haben "kontinuierlich geschult werden". Auch der Vorwurf, man verweigere den Einwanderern Zugang zum Internet und stecke sie mit "gewöhnlichen Kriminellen" (sind Flüchtlinge also ungewöhnliche Kriminelle?) zusammen, entbehre jeder Grundlage.

red.

Die Lage der Flüchtlinge ist Europa unwürdig - KOMMENTAR

Was weder die UNHCR, noch die ungarische Seite bedenken bzw. erwähnen, ist die mangelnde Kooperation der EU-Staaten untereinander. Es gibt weder einheitliche Verwaltungs- noch Behandlungsstandards in der Gemeinschaft, im Gegenteil, die Länder versuchen sich "ihrer" Flüchtlinge, u.a. über Dublin II zu entledigen, der Rest ist “nationale Angelegenheit”.

So wälzen deutsche Behörden Fälle nur allzu schnell nach Ungarn ab, siehe unseren Bericht vom Februar "Zwischenlager Ungarn", wohlwissend, was die Menschen dort erwartet. Ungarn muss die Sicherung der Außengrenzen, von einigen EU-Geldspritzen und ein paar Expertenbesuchen abgesehen, im wesentlichen allein stämmen, von europäischer Solidarität keine Spur.

Hier müssen endlich einheitliche Standards her, denn auch in Ländern wie Deutschland und Österreich, erst recht in Griechenland ist der Zustand des Flüchtlingswesens in Teilen, in letztgenanntem Land sogar komplett unwürdig. In Frankreich, Italien, wird mit dem "Umgang" mit Unwillkommenen, worunter nicht selten auch EU-Bürger sind (Roma), sogar offen Politik betrieben. In Österreich ernähren Asylwesen und “kriminelle Ausländer” politisch eine ganze Partei im 30%-Bereich sowie mehrere Zeitungen.

Ein afghanischer Flüchtling im “Bearbeitungszimmer”
der Grenzpolizei

In Gänze sollte sich Europa schämen und endlich handeln, die Standards vereinheitlichen, die Bearbeitungsfristen verkürzen, die Behandlung vermenschlichen. Das kostet Geld und Kraft, für die Bankenrettung bringt man beides übermäßig auf, für Menschen verweigert man es. Dass mittel- und langfristig das "Asylproblem" nur über einen globalen Politikwechsel "gelöst" werden kann, ist das eigentliche Thema, sprengte hier aber den Rahmen.

Doppelpass und Doppelstandards

Das europäische Asylchaos befreit Ungarn aber hier und heute nicht von der unbedingten Einhaltung der Menschenrechte. Das Land, das sich gegenüber der EU so gern über "Doppelstandards" beklagt, sollte sich einmal selbst überprüfen. Während all jene Ausländer, die "ungarischen Blutes, Herkunft und Sprache" sind,
umstandslos den ungarischen Pass bekommen, ja regelrecht um sie geworben wird, sperrt man Menschen, die in ihrer Heimat keine Lebensgrundlage mehr haben, einfach weg, stempelt sie zu Kriminellen. Wo sind hier die Superchristen von der Fidesz-Anhängselpartei KDNP, die sonst bei jedem “unchristlichen” Verhalten auf die Barrikaden gehen? Wo bleibt Orbáns christliches Europa?

Die Zustände im ungarischen Asylwesen sind staatlicher Rassismus und eine Fortsetzung des amtlichen Rassismus`, den man gegen die eigenen Bürger, die größte ethnische Minderheit im Lande betreibt oder wenigstens zulässt. Die Gesetze dazu schuf diese Regierung, die Verwahrlosung, die zu solchen Gesetzen und einer solchen Regierung führtem, geht allerdings auf die Kappe der Vorgänger, unter denen sind auch “Sozialisten” und “Liberale”, hier soll sich also niemand abputzen.

Nur mit Menschenliebe und -recht ist diesen Problemen nicht beizukommen, das steht außer Frage, aber ohne sie und mit Unter-den-Teppich-kehren geht es aber auch nicht. Nicht mehr und nicht weniger hat die UN klargestellt, Ungarn hat sich daran zu halten, die Regierung Orbán hat kein Recht, sich über die Menschenrechte zu stellen.

ms.

Offizielle Stellungnahme der UNHCR zu Ungarn (April 2012, pdf-Dokument)

Fünf Berichte junger Afghanen über ihre Erfahrungen mit dem ungarischen Asylwesen (2011)

 

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