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(c) Pester Lloyd / 17 - 2013   NACHRICHTEN 25.04.2013

 

Die Parteitrafikanten

In Ungarn kauft man Zigaretten künftig im "Parteibüro"

Die Nationale Tabakshandelsagentur, "Wächter" über das ab 1. Mai in Ungarn geltende staatliche Monopol für den Handel mit Zigaretten und Tabakprodukten, hat Anfang der Woche die Gewinner der ersten Ausschreibungsrunde für über 5.000 Verkaufslizenzen bzw. -standorte bekannt gegeben. Dabei gewannen auffallend viele Partei- und Familienfreunde, während viele alteingesessene Händler leer ausgingen. "Alles so gewollt" und ohnehin rechtens, sagt die Regierung.

Update: Schnellgesetz garantiert neuen Trafikanten 10% Gewinn.

Das königlich ungarische Tabakmonopol ist auferstanden, genauso wie die Monarchie und der Feudalismus. Siehe dazu: "Alles korrekt" bei der neuen Landvergabe in Ungarn

Für 1.417 Standorte, vornehmlich in dünn besiedeltem ländlichen Gebiet meldeten sich keine Interessenten, die Standorte werden nochmals ausgeschrieben. Bleiben die Lizenzen weiter unbesetzt müsste, laut Gesetz, der "Staat die Versorgung sicherstellten". Der Versorgungsengpass ab Anfang Mai würde jedoch lediglich Schmuggel und Schwarzmarkt anheizen, kritisiert die Opposition die "unüberlegte und privatinteressensgesteuerte" Einführung des Verkaufsmonopols. Von den derzeit rund 40.000 Orten, an denen man in Ungarn Zigaretten kaufen kann, bleiben dann nur rund 5.400, was die Umsätze und damit Gewinne entsprechend konzentriert. Die Lizenzen müssen mit einer Kaution von 100.000 Forint (330 EUR) hinterlegt werden, 25.000 HUF (90.- EUR) betrug die Bewerbungsgebühr, die Lizenhöhe richtet sich nach dem Umsatz, die Belieferung erfolgt ebenfalls über staatlich lizensierte Großhändler. Hier mehr dazu.

Wie von vielen befürchtet, wird das staatliche Trafikantensystem, das "die Jugend schützen" und "Steuerbetrug und Schwarzhandel" bekämpfen soll, in erster Linie zu einer Versorgungseinrichtung für Parteikader hergerichtet, deren Unterstützer und das "familiäre" Umfeld. Hauptgewinner der lukrativsten Standorte in Budapest und anderen Großstädten sind die Bewerber aus dem Umfeld der Einzelhandelskette CBA, die man wegen der politischen Affinität ihrer Haupteigentümer salopp auch als Fidesz-Supermarkt bezeichnen kann, Wahlkampffinanzierung eingeschlossen.

Die CBA-Bewerber räumten praktisch alle hochfrequentierten Verkaufsstandorte ab. "Genau das war auch das Ziel", nahm der Bezirksbürgermeister des V. Bezirkes von Budapest, im "Nebenjob" Fraktionschef des Fidesz im Parlament, gar kein Tabakblatt vor den Mund und rechtfertigte sich damit, dass die Gewinner doch die professionellsten Vertreter ihrer Zunft seien. Dass auf der Liste der Gewinner nicht nur politische, sondern auch persönliche Freunde des Bezirksbürgermeisters auftauchen, ficht keinen an. Die CBA wehrt sich, dass sie bevorzugt worden sein könnte, schließlich operierten alle Franchise-Nehmer der Kette als selbständige Kaufleute und traten auch als solche bei der Ausschreibung an, heißt es in einer Stellungnahme.

 

Im ländlicheren Bereich und in Kleinstädten kamen vor allem regionale Fidesz-Größen bzw. ihr Umfeld zum Zuge. Ein ungarischer Blog http://trafikmutyi.cafeblog.hu/ hat ein paar Highlights der ergabepraxis dokumentiert und die Hintergründe dazu erläutert. Hier ein stichwortartiger Auszug: In Tapolca gingen alle acht Lizenzen an einen engen Freund des örtlichen Fidesz-Abgeordneten bzw. dessen Frau und einen Angestellten. Es ist derselbe, der auch die Werbeflächen in der Ortschaft bestückt, vornehmlich mit Regierungs- und Ortspropaganda. In Dombóvár schnappte sich eine enge Mitarbeiterin des Bürgermeisters zwei Lizenzen. In Vásárosnamény gewannen sämtliche Kinder des örtlichen Lebensmittelgroßhändlers und Fidesz-Platzhirschen die wichtigsten Standorte, die Gewinner in Kapuvár sind allesamt Familienangehörige des ehemaligen Vizebürgermeisters und jetzigen Vizechefs der Komitatsversammlung, natürlich Fidesz, während der seit Jahren angestammte Tabakladen keine Lizenz ergattern konnte. In Kisvárdá gingen die vier besten Standorte allesamt an Gemeinderäte einer Partei, in Szabadszállás alle Lizenzen an die Schwestern des Fidesz-Vizebürgermeisters, eine an den Freund einer Schwester. In Izsák sicherte sich der Bürgermeister selbst einen Standort, obwohl der nie in irgendwelchen Handelsgeschäften tätig war, die andere Lizenz ging an einen Auswärtigen, eine weitere an den örtlichen Lebensmittelgroßhändler (CBA), auch hier gingen die eingeführten Kleinhändler leer aus, das gleiche in Fülöpszállás, wo der Fidesz-Repräsentant sich den Standort schnappte oder in Kunszentmárton, wo die Gattin des örtlichen Fidesz-Abgeordneten drei von fünf Lizenzen erhielt, natürlich vollständig im Einklang mit den Ausschreibungsregeln, versteht sich. In Györ gingen fünf Lizenzen (direkt oder über Personen im "Nahverhältnis") an ein maßgebliches Mitglied des Wirtschafts- und Immobilienausschusses im Rathaus. Welcher Partei dieses angehört, raten Sie einmal...

red.

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