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(c) Pester Lloyd / 39 - 2013   POLITIK   25.09.2013

 

Schattenbudget

Parlament in Ungarn ermächtigt Regierung zur Steuerereintreibung außerhalb des Staatshaushaltes

Ein Verfassungspassus über die Erhebung von Sondersteuern für die Begleichung von allfälligen EU-Strafen wurde - wegen internationaler Kritik - gestrichen und zwar auf eine Weise, die den  Handlungsspielraum der Regierung für Neben- und Kriegskassen sogar noch erweitert. Es wurden Steuererhebungen für "Zahlungsverpflichtungen außerhalb des Budgest" ganz allgemein möglich gemacht. Wozu?

Am Montag passte das ungarische Parlament das sogenannte Wirtschaftsstabilitätsgesetz im Zusammenhang mit der
fünften Verfassungsänderung an. Das Gesetzeswerk ist als ein "Kardinalsgesetz" Teil der Verfassung und daher ebenfalls durch eine 2/3-Mehrheit abgesichert. Die Anpassung sorgt dafür, dass der verunglückte Passus über das Recht der Regierung auf Erhebung von Sondersteuern für Kosten, die aus Urteilen von europäischen oder anderen internationalen Gerichten entstehen, durch einen anderen Paragraphen ersetzt wird, der das gleiche - und mehr - ermöglicht, aber nicht so europafeindlich klingt und sich nicht mehr direkt im Kerntext der Verfassung befindet.

Fidesz-Fraktionschef Rogán mit Luxustäschchen im Parlament. Die Boulevardpresse fragt sich noch, woher er das Geld für so ein sündteures Stück hat oder ob es sich gar um ein illegal erworbenes Imitat aus dem letzten Türkeiurlaub handeln könnte... Vielleicht trägt Antal ja auch die Ersatzstaatskasse mit sich herum?

Nun heißt es, dass der Staat das Recht hat, "Steuern zu erheben" um "Zahlungsverpflichtungen" zu bedienen, "die nicht im Staatshaushalt niedergeschrieben" sind. Der Passus findet sich in dem Kapitel, das die "Regierung zu angemessenen Maßnahmen ermächtigt (...), solange die Schuldenquote des Staates 50% des BIP übersteigt."

Was ist nun davon zu halten? - Mal abgesehen davon, dass eine Regierung per se ermächtigt ist, "angemessene Maßnahmen" in der Wirtschaft zu ergreifen, egal welchen Schuldenstand das Land hat und dass sie Steuern erheben und anheben kann, ja muss, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, bedarf es dazu weder eines eigenen Kardinalsgesetzes, noch eines Battles mit der EU und schon gar keiner Sonderermächtigung. Dass man Verbindlichkeiten, die sich aus Strafzahlungen der EU ergeben könnten, nicht unbedingt auf die Kostenseite des Haushalts aufschlagen will, ist wiederum verständlich, wenn auch fiskalrechtlich nicht legal umsetzbar. Man muss dann eben die Einnahmeseite oder andere Kosten entsprechend anpassen, um im Rahmen des gesetzten Defiztzieles zu bleiben. Das Leben ist schwer.

Die Formulierung "Steuern für Zahlungsverpflichtungen außerhalb des Budgets" erschließt damit für Juristen und Experten ein neues Feld der Interpretation. Prinzipiell ist das Budget, also das Gesetz über den Staatshaushalt dazu da, damit der Staat seinen finanziellen Verpflichtungen (und auch Forderungen), also seinem gesamten Finanzgebahren gesetzeskonform und nachvollziehbar nachkommt, die Regierung also kontrollierbar bleibt. Dass es auch außerbudgetäre Aktivitäten und Unternehmungen des Staates gibt (Staatsbeteiligungen z.B.), aus denen sich Verpflichtungen ergeben können, ist richtig, aber auch diese sind bilanzrechtlich geregelt und unterliegen zumindest in ihrem Endergebnis dem allgemeinen Haushaltsrecht.

 

Sich aber per Gesetz bei einigen - möglicherweise - kommenden Steuern aus den Haushaltsregeln und damit der parlamentarischen Rechenschaftspflicht und der einklagbaren Kontrollen durch Haushaltsrat und Rechnungshof zu befreien, zeigt, wie es bei dieser Regierung mit dem Respekt vor der Gesetzlichkeit und dem Parlament sowie den verfassungsmäßigen Kontrollinstanzen bestellt ist. Im übrigen ließe sich die Besteuerung von "außerbudgetären Verbindlichkeiten" auch über Gerichtskosten und -strafen weiterdenken: Wahlkampfhilfen, künftige Stadionbauten und andere "Sonderprojekte", ja sogar die unauffällige Begleichung von anfallenden Schulden verstaatlichter Energieunternehmen wäre auf diese Weise möglich, kurz, ein Schattenbudget bekommt mit diesem Gesetz einen legalen Anstrich.

Das Parlament nahm die Änderung mit 247 Stimmen gegen 91 an. Sie tritt am 1. Oktober in Kraft.

cs.sz.

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