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(c) Pester Lloyd / 45 - 2013   POLITIK   08.11.2013

 

Wenn ihr mich wählt...

Freitagspredigt: Orbán macht ungarische Schweine billiger

Dank der glorreichen Wirtschaftspolitik der Regeirung gibt es mittlerweile "so viel Geld", dass die Regierung die Politik der "Familienunterstützung" fortsetzen kann und sogar den Mehrwertseuersatz auf Schweinefleisch ab kommendem Jahr von 27 auf 5% absenken wird. Das sei aber nur der Anfang, so Orbán, der sich von den Gerichten in der Lösung der Forex-Frage aufgehalten sieht. Wählt das Volk ihn im Frühjahr wieder, stehen ihm "viele schöne" Jahre bevor...

Freitagmorgen in Ungarn: Orbán in seiner “Gebetsnische” bei Kossuth Rádió

Es braucht Geduld und einen feinen Hörsinn, um in den pathetischen Wortschwällen, die Premier Orbán alle 2 Wochen über die Radiosendung "180 Minuten" auf sein Volk hierniedergehen lässt, konkrete Politik ausfindig zu machen. Minutenlang muss sich der interessierte Hörer im "Freitagsgebet" auf Kossuth-Rádió anhören, dass "Ungarn im Vergleich zu 2010 nun ein freies, unabhängiges Land ist". Europa musste nach langen Kämpfen akzeptieren, dass das "ungarische Nationalgefühl stärker ist als das anderer Länder" und die Magyaren eben darauf bestehen, ihre Dinge selbst zu entscheiden, auch wenn das für "Multis und Banken" höhere Steuern bedeutete und so weiter und so fort.

Dann endlich Konkretes: Es gibt - Dank der glorreichen Wirtschaftspolitik der Regeirung - mittlerweile "so viel Geld" (ja, das hat er gesagt), dass die Regierung die Politik der "Familienunterstützung" fortsetzen kann und sogar den Mehrwertseuersatz auf Schweinefleisch ab kommendem Jahr von 27 auf 5% absenken wird.

Dies sei nicht in erster Linie eine sozialpolitische Maßnahme, so der Impresario der "Arbeitsgesellschaft", sondern eine, die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sichern soll. Denn nur so könne man "den ehrlichen ungarischen Bauern" gegen jene schützen, die sich mit "Steuerbetrug" oder Billigimporten einen unehrlichen Wettbewerbsvorteil ergaunerten. Es sei doch absurd, dass ungarische Schweine im Ausland, teilweise sogar in Überseee zerlegt werden, nur wegen eines geringen Kostenvorteils. Diese Vorteile wolle er "den aufrechten ungarischen Landwirten" zurückgeben.

Sollten sich "Preissenkungen an der Ladentheke" einstellen, schön, das sei aber nicht das Primärziel. Die Schweinemehrwertsteuersenkung sei eine Art Versuchsballon für weitere Maßnahmen in diesem Bereich. Die Schweine seien "nur der Anfang". (Anm.: Ungarn hat mit 18% und 27% europaweit die höchsten Mehrwertsteuersätze auf Lebens- und Grundnahrungsmittel, was die Not der untersten Einkommensschichten zu Gunsten massiver Steuerentlastungen für die "oberen" Schichten durch die Flat tax vergrößert, eine Senkung der Sätze, mit denen auch in sog.
Mehrwertsteuerkarussels organisierter Betrug befördert wird, lehnt die Regierung ab, die Effekte seien vernachlässigbar.)

Weiterhin wurde angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, die junge Mütter wieder schneller in die Arbeit integrieren sollen, in dem man ihnen ein Zubrot auch für geringfügige Teilzeitarbeiten, "Kinderbetreuungsgeld" zahlt und sie so Müttern gegenüber besser stellt, die sich in den ersten Lebensjahren des Kindes ganz der Erziehung widmen wollen oder - weil sie keine annehmbaren Jobs in der Nähe finden - müssen. Hier kollidiert das - angeblich - christlich konservative Weltbild des Fidesz schon ein wenig mit der "Arbeitszuführungs-"Doktrin dieser Regierung. Orbán verkauft das dennoch als Fortsetzung der familienfreundlichen Politik, zu der er auch die angehobenen Familienfreibeträge zählen sollen, die jedoch in der Endbilanz nichts weiter als eine partielle Abmilderung des Wegfalls der allgemeinen Freibeträge durch die Flat tax sind.

Dauerthema Fremdwährungskredite: Man würde lieber heute als morgen eine "endgültige" Lösung präsentieren, doch leider "überstimmen die Gerichte die Entscheidungen der Regierung", lies: die Anforderungen des überflüssigen Rechtsstaates verhindern eine bürgerfreundliche Lösung. Früher reagierte Orbán hier viel aggressiver, man werde sich das "nicht bieten lassen" sagte er und nannte Gerichtsurteile schonmal öffentlich eine "Schande", eins-zwei-gsoffe wurde dann die Verfassung geändert und es war Ruhe im Karton. Bedrohlich kleinlaut sagte Orbán diesmal: sein Kabinett müsse noch das Urteil der Kurie (Oberstes Gericht über die rechtliche Gültigkeit der Forex-Kreditverträge) abwarten, um ein "uniformes" Rechtsbild zu bekommen, auf dem man dann Regierungsentscheidungen treffen könne. Zudem werde er sich zur Sache mit OTP-Bankchef Csányi am Abend in der Opernloge besprechen. Man kann davon ausgehen, dass das Logengeflüster deutlich mehr Einfluss auf Orbáns Entscheidungsfindung haben wird als das Urteil der Kurienkardinäle.

 

Apropos überflüssige Einmischungen: Staatspräsident Áder schickte am Freitag das gerade modifizierte Gesetz über die vereinfachte Rückübertragung von durch Taschenverträge verscherbelte heilige ungarische Erde ans Parlament zurück. Ihn stört dabei jedoch nicht der Umstand, dass Staatsanwälte in Zukunft die Urteile fällen, die Richter nur noch abstempeln sollen oder die auf diese Weise eingesammelten Güter in windigen "Ausschreibungen" unter die Fittiche von branchenfremden Parteikadern gelangen, sondern, dass die Kriterien, wonach ein Taschenvertrag als solcher erkennbar wird, nicht klar ausdefiniert sind. Das Volk habe aber ein Recht darauf, genau zu wissen, ab wann etwas Recht oder Unrecht ist, heißt es - sinngemäß - in der Begründung. Wir können hier nur raten, das Volk lieber im Ungewissen darüber zu belassen, sonst wird es anstrengend.

Doch zurück zu Premier Orbáns heutiger Radiodurchsage, die er launig und aufgeräumt damit endigte, dass "Viele glorreiche Jahre vor uns Ungarn liegen", - wenn, ja wenn "wir an der Macht bleiben und die nächsten Wahlen gewinnen." Lies: wenn nicht, dann öffne ich Euch die Tore zur Hölle! So sei es.

red.

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