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(c) Pester Lloyd / 45 - 2013   WIRTSCHAFT   05.11.2013

 

An der kurzen Leine Budapests

Regierung in Ungarn übernimmt alle Schulden und alle Macht in den Kommunen

Regierungssprecher András Giro-Szász kündigte am Montag an, dass die Regierung auch die restlichen Schulden der ungarischen Kommunen übernehmen wird. Damit wird den kommunalen Strukturen, also Komitaten, Städten und Gemeinden eine neue, schuldenfreie Zukunftsperspektive eröffnet, die dem "alltäglichen Leben der Menschen Verbesserungen" bringen solle.

Schuldenfrei, aber arm. Das Schicksal der Menschen, ändert sich durch den “Move” der Regierung nicht.

Es handelt sich um die restlichen 420 Milliarden Forint kommunaler Schulden, rund 1,4 Mrd. EUR, die nun genauso in den zentralen, staatlichen Schuldendienst, ÁKK, übernommen werden wie zuvor bereits 685 Mrd. Forint. Umgerechnet handelt es sich somit um insgesamt 3,73 Mrd. EUR an Verbindlichkeiten, rund 3,5% des BIP. Diese Schulden werden jedoch nicht bezahlt, sondern lediglich zentral verwaltet, in der offiziellen Haushaltsführung werden sie weiterhin gesondert als "kommunale" Schulden ausgwiesen. Das Schuldenamt rechnet sich durch die Zusammenlegung eine bessere Verhandlungsposition bei Refinanzierungen auslaufender Anleihen aus, da der Staat meist günstigere Zinsaufschläge erhält als kleine kommunale Strukturen. Auf der anderen Seite bedeutet die Übernahme, dass die Einwohner von Kommunen, die besser gewirtschaftet haben als andere, nun - im Hinblick auf die Pro-Kopf-Verschuldung - auch mit den Schulden der finanziell stärker verschuldeten Gemeinden und Städte belastet sind.

Bereits nach der ersten Runde der Übernahme hatte die Regierung die Gläubigerbanken zu einem 7%igen Schuldenschnitt genötigt. Da dieser nicht direkt so benannt werden konnte, wäre dieser von den Finanzmärkten doch als "partieller Staatsbankrott" gewertet worden, hob man einfach eine einmalige Sondersteuer als Ausgleich für die geringer als erwartet ausgefallenen Einnahmen aus der Transaktionssteuer ein. Diese Einmalsteuer hatte genau die Höhe der 7% der ersten Runde der Kommunalschulden.

 

Für die Kommunen bedeutet der Schritt keineswegs den behaupteten, finanziellen Befreiungsschlag, gingen im Zuge der "Kommunalreform", die letztlich eine strikte Zentralisierung darstellt, nämlich auch fast sämtliche Einnahmequellen und kommunalen Einrichtungen in die administrative Hoheit der Regierung über. Kommunale Aufgaben, vor allem aber auch die EU-Fördermittelverteilung und Staatshilfen werden nicht mehr über die Kommunen, sondern über 120 sog. "Regierungsbüros" vergeben, die ihre Zuteilungen wiederum direkt aus dem Amt des Ministerpräsidenten erhalten. Das soll angeblich mehr Transparenz und Kontrolle gewährleisten, führt aber eher dazu, dass die Gelder in die "richtigen" Kanäle gelenkt werden können. Auf diese Weise können z.B. Kommunen, die Bürgermeister der Opposition wählen, finanziell ausgetrocknet und politisch abgestraft werden, ehemals städtische Einrichtungen wie Theater, Kulturhäuser etc. werden administrativ von Budapest aus gesteuert. Der Aufruf der Regierung, dass sie im "Gegenzug" zu der "Entschuldung" von den Kommunen einen "wirtschaftlichen Enwticklungsplan" erwartet, höhnisch.

Einen - weitgehend noch unterbeleuchteten - Teil der Machtaneignung der Zentralregierung stellt die "Verstaatlichung" der kommunal weit verbreiteten Spargenossenschaften dar, die eine Art "informellen" Kreditmarkt entstehen lässt, der ebenfalls außerhalb politischer Kontrolle und ökonomischer Rationalität zu wirken im Stande ist. Die Größenordnung dieser Aktiva übersteigt die übernommenen Schulden der Kommunen um ein Vielfaches.
Hier mehr dazu.

Auch die klientelorientierte Bodenpolitik, hier ein aktuelles Beispiel, sowie der Trafik-Skandal sind Aspekte dieser Machtkonzentration im ländlichen Raum.

red.

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