THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 45 - 2013   NACHRICHTEN   07.11.2013

 

Die Puszta-Oligarchen

Platzhirsche, Altlasten und bemerkenswerte Neuzugänge im Ranking der reichsten Ungarn

Was man im heutigen Ungarn Erfolg nennt, heißt in normalen Ländern: Anfangsverdacht. Auf der diesjährigen Top-Liste der 150 wohlhabendsten Ungarn tauchen zwei Beglückte auf, die sozusagen der Zeitgeist, Vorname Viktor, geschaffen hat: der Bürgermeister von Orbáns Heimatort Felcsút, Lőrinc Mészáros sowie ein junger Großgewinner des Tabakhandelsmonopols. Die Opposition schimpft neidisch von "Beutezug", klar, denn den "sozialistischen" Betrugsdilletanten geht erst jetzt auf, was alles noch möglich gewesen wäre...

Applaus, Applaus! Die “Elite” des Landes in einer VIP-Box im Fußballstadion, das komisch-schmierige Klischee feiert in Ungarn fröhliche Urständ´. Premier Orbán, daneben OTP-Chef Sándor Csányi, dahinter Felcsút-Bürgermeister Mészáros, rechts oben der mit internationalem Haftbefehl von Kroatien gesuchte MOL-Chef Hernádi.

Lőrinc im Glück: Eine typische Karriere im "neuen" Ungarn

 

Lőrinc Mészáros` Wohlstand ist der eines klassischen Neureichen im Umfeld der Macht. Wäre die von den Top-Listen-Erstellern geschätzte Vermögenssumme von 6,9 Milliarden Forint (23 Mio. EUR), die in Ungarn tatsächlich für Platz 88 der (inländisch gemeldeten) Superreichen genügt, nicht so lächerlich gering, könnte man den ökonomischen Aufstieg der Felcsúter Bürgermeisterfamilie fast mit den Oligarchen-Günstlingen der Jelzin/Putin-Maschine vergleichen, so bleibt doch nur die Geschichte provinzieller Schiebereien oder genauer, die Story von den sehr speziellen "Konjunkturprogrammen" der Regierungspartei, von der Opposition neidisch als "Raubzug im industriellen Maßstab" verunglimpft. Von den sozialistischen Betrugsdilletanten schaffte es nämlich nur einer, ihr früherer König Gyurcsány auf die Liste, die von den bekannten, äußerst flexiblen Alleskönnern angeführt wird.

Nach 2010 nahm die Zahl der öffentlichen Aufträge, die Mészáros` diverse Baufirmen zugeteilt bekamen, sprunghaft zu, er baute Straßen, renovierte Gebäude und nascht im Bereich von mindestens 3,5 Mio. EUR auch am Bau des Felcsúter Stadions mit, das der Puskás Fußballakademie-Stiftung von Premier Orbán gehört und im Wesentlichen aus einer Sondersteuer für "beliebte Sportarten" also von den sehr sportlichen Ungarn finanziert wird. Sie wird doppelt so viel Plätze haben, wie Felcsút Einwohner hat und ist nur die Spitze einer regelrechten Stadion- und Fußballklubmanie der Fidesz-Funktionäre im ganzen Land, die sich damit nicht nur - landgutgleich - ihre eigenen kleinen Reiche schaffen, sondern vor allem Fässer ohne Böden, mit entsprechendem "Abfluss" in die eigene Tasche.

Die Top 150-Liste wird - ausgerechnet - von der linksliberalen Tageszeitung Népszabadság erstellt und beruht auf einer kruden Wägung von freiwilligen Angaben, Schätzungen und einsehbaren Daten aus Firmenberichten und sonstigen Publikationen.

Es gibt noch die Top 100-Liste der Wirtschaftszeitung Napi Gazdaság, die gerade eben von einem Fidesz-nahen Unternehmen gekauft wurde. Deren Glaubwürdigkeit hatte jedoch schon zuvor stark gelitten, seit der Chefredakteur auf die Aufnahme von Politikern oder ihnen allzu nahe stehende "Persönlichkeiten" verzichtete, weil die angeblich "nicht dazu gehörten" und man ihre Vermögenslage kaum ermitteln könne.

So kam es, dass der sehr reiche Innenminister Pintér von der Liste ebenso einfach verschwand, wie der Ex-Schatzmeister der "Sozialisten", Puch oder das Musterbeispiel des ungarischen Provinzmagnaten, Lajos Simicska.


Auch sonst sind die wirtschaftlichen Nahverhältnisse der lange befreundeten Familien Mészáros und Orbán bemerkenswert. Die Firmen und Famlienmitlgieder des gewählten Patriarchen pachteten nicht nur über 1.000 Hektar staatseigenes Land und schickten damit ein gutes Dutzend alteingesessene Bauern in die Puszta und die Depression, der Bürgermeister kaufte auch noch Frau Orbán mehrere Grundstücke ab, weil die keine Zeit mehr für Landwirtschaft hat, seit sie mit ihrem Schwiegervater ein altes Gutsschloss zu einem Hotel für ihres Gatten künftige VIP-Gäste herrichten muss. Dieses denkmalgeschützte Gebäude erhielt Orbáns Vater übrigens auch über eine Ausschreibung. Und nein, darüber gibt es nichts zu schmunzeln.

Péter Juhász von der Bürgerrechtsgruppe Milla prangert die “Karrieren”
der Neuen der TOP 150 vor einem “nationalen Tabakladen” an

Ob Mészáros als Strohmann auch Orbán-Vermögen verwaltet, konnte bisher nicht nachgewiesen werden, doch die Ballung an Zufällen bei den Ausschreibungsgewinnen wäre in Rechtsstaaten kein Glück, sondern ein Anfangsverdacht. Die Familie Mészáros betreibt - irgendwie klischéehaft - auch eine Pizzeria im Ort und - welche Wunder - bekam auch den Zuschlag bei der Vergabe der Trafiklizenzen für den Verkauf von Tabakprodukten im Orte, kurz: Mészáros hat sich vom Bürgermeister zum Gutsverwalter von Felcsút und Umgebung gemausert, ein treuer Diener seines Herrn.

Wer Details wünscht, dem seien die Stichworte Felcsút, Stadion oder Mészáros in unserer Stichwort-Suche empfohlen: http://www.pesterlloyd.net/Links/suche/suche.html

János Sánta, jüngster Toplistenbewohner, checkt seinen “Stoff”.

Es müssen nicht immer 2/3 sein...

Der zweite Neuzugang auf der Top 150-Liste und zugleich ihr jüngstes Mitgleid, ist der Herr János Sánta, dem wir nicht raten wollen, seinen Sohn Klaus zu nennen und in Amerika studieren zu lassen. Aber genug mit Schabernack. Sánta schaffte es mit seiner Tabakfabrik und der Ausstattung von Tabakgeschäften bisher auf 3 Milliarden (10,5 Mio. EUR). und Platz 140. Nach ungefähren Schätzungen unserer Kollegen vom Boulevardflagschiff Blikk, stattete sein Unternehmen "Continental" bis zu 1.800 der neuen nationalen Tabakläden oder - wenn man so will - Fidesz-Lokalbüros aus, was einem Marktanteil von rund 30% entspricht. Es müssen also nicht immer 2/3 sein, vor allem nicht, wenn die "Freunde" einen gesetzlichen Garantiegewinn von 10% festschreiben.

Gyurcsány als geisterhafte Mahnung an alte Zeiten...

Auch ein alter Bekannter verbleibt auf der Liste, wenn auch weiter nach unten durchgereicht, auf Platz 148 und 3 Mrd. Forint (geschätztem) Vermögen finden wir mit Ferenc Gyurcsány einen Ex-Premier der "Sozialisten" und heutigen Sektenführer der "Demokratischen Koalition". Könnte man Selbstbewußtsein, Realitätsferne und Chuzpe in Geld ummünzen, stritt sich Gyurcsány mit seinem Nachnachfolger wohl um das Treppchen, so bleibt sein Name als Mahnung an die Wahlbürger Ungarns am Ende der Liste stehen, dass früher eben doch nicht alles besser war...

Unberührbare Platzhirsche

Die Toppositionen sind unberühbar von Unberührbaren besetzt, den Platzhirschen: Sándor Csányi, OTP-Bankchef, Lebensmittelmagnat und Fußballverbandspräsident führt weiter mit 160 Milliarden HUF (ca. 540 Mio. EUR), er legte im Vorjahr um 10 Milliarden Forint und die üblichen 2-3 Kilogramm zu, gefolgt vom Doyen der Puszta-Oligarchen, Sándor Demján (138 Mrd. HUF, TriGránit - Baufirma, Entwickler und Betreiber von Shoppingcenters in ganz Osteuropa, Bank etc.), mit einem Plus von 8 Mrd. sowie auf Platz 3, György Gattyán, ein 123 Milliarden schwerer Internetimpresario, dessen Docler Holding von Content-Management über Online-Games, in der Filmbranche etc. so ziemlich alles anbietet, womit sich in der virtuellen Welt reales Geld verdienen lässt.

Fett schwimmt oben

Unter den Top Ten finden wir auch den Magyar-Hírlap und Videoton-Besitzer Gábor Széles, ein wirklich dicker Orbán-Fan, den bevorzugten Transporteur Waberer, aber auch RTL-Klub-Miteigner Rákosi, der seinen Wohnsitz unlängst nach München verlegt hat. Stöbert man weiter, stößt man auf viele alte Bekannte, die sich geschickt durch die Regierungswechsel schlängelten und wie Fett immer irgendwie oben schwammen, bei manchen Namen stutzt man, aber nur kurz, fielen sie doch in den letzten Jahren immer wieder im Zusammenhang mit Ausschreibungen auf. Klar, alles hat seine Folgen, irgendwann und man kommt auf den halblustigen Gedanken, dass vielleicht die Hälfte des auf der Liste versammelten Vermögens einstmals EU-Fördermittel gewesen sein könnten.

Mehr dazu in: Schattenreich der Kleptokraten

Ungarns Superreiche sind international nicht satisfaktionsfähig

Einen echten Euro-Milliardär hat das bescheidene Ungarn nicht vorzuweisen, zumindest ist dieser nicht bekannt oder - siehe Soros - längst kein Ungar mehr bzw. - nach heutigem Mainstream - ja auch nie ein “echter” gewesen... - Wer nur auf Platz 100 der reichsten Menschen der Welt kommen will, muss heute schon mindestens 10 Milliarden US-Dollar vorweisen können, selbst das benachbarte Rumänien, angeblich ja das Armenhaus Europas, hat mit Ioan Niculae einen 1,1 Mrd.-EUR-schweren Kapazunder vorzuweisen, der sich im Agrarbereich bereicherte, "self made", wie Forbes behauptet. Aber selbst er schafft es weltweit nur auf Platz 1.268, woran man sieht, wie hart Orbán und seine Regierung noch daran arbeiten müssen, um Ungarn international konkurrenzfähig zu machen. Denn 7,7 Milliarden Forint, also 26 Mio. EUR Durchschnittsreichtum der Top 150, sind ja wohl ein Witz für ein Land, das alles "besser machen" will.

al., ms.

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