THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 53 - 2013 WIRTSCHAFT 30.12.2013

 

Märchenonkel und Schwarzmaler

Regierung und Opposition im Schlagabtausch zur Wirtschaftslage in Ungarn

In der Vorweihnachtszeit ließ die Regierung dutzendweise Statements, Studien, Statistiken und Umfrageergebnisse veröffentlichen, die den Erfolg ihrer Politik, vor allem in der Wirtschaft sowie die Akzeptanz selbiger durch die Bevölkerung belegen sollen. Die Opposition sieht das naturgemäß anders und sieht das halbe Land am Hungertuch nagen. Während Ökonomen eine fragile Konsolidierung auf niedrigem Niveau erkennen, geht die soziale Schere weiter auf.

“Wir haben die Grubentiefe verdoppelt - Ungarn macht´s besser!”
Karikatur auf die omnipräsenten Regierungsplakatkampagnen.

Bei ihren Eigenlobshymnen zielt die Regierungs-Propaganda vor allem auf die gesetzlichen Energie- und Nebenkostensenkungen ab, verleiht sich aber auch verbale Orden für die Arbeitsmarkt-, Steuer- und Rentenpolitik. Das Fazit: Ungarn hat den Umschwung, trotz eines ungünstigen globalen Umfeldes, der "permanenten Euro-Krise" und eines schweren "sozialistischen" Erbes geschafft, das Volk steht hinter seiner Regierung und gemeinsam wird man auch die kommenden "Attacken" der "europäischen Linken" und der hinter ihnen stehenden "Multis" abwehren. Ungarn geht es besser als je seit der Wende 1989 und auch die Verfassung habe "die Prüfung der Zeit überzeugend bestanden". Allzu konkret wird man - außer mit wertlosen Statistiken - nicht, denn die einfache Botschaft, dass "Ungarn es besser macht", soll zumindest bis zum Wahltag tragfähig bleiben.

Die Opposition sieht das naturgemäß anders, die 2010 abgewählten MSZP-"Sozialisten" werfen Orbán vor "genauso wie 2012 auch 2013 versagt zu haben" und trotz günstiger Vorgaben bei den Hauptpartnerländern den versprochenen Schub für die Wirtschaft verhindert zu haben. MSZP-Vizefraktionschef József Tóbiás stellte der pathetischen Erfolgsbilanz der Regierungs-PR einige Zahlen entgegen: Der Nettomindestlohn liegt mit umgerechnet 290 EUR rund 80 EUR sogar unter dem amtlich ermittelten Existenzminimum, rund 17% der Erwachsenen lebten von weniger als 66.000 Forint (210.- EUR) pro Kopf, Sozialleistungen wurden binnen drei Jahren gedrittelt bis halbiert, "500.000 Kinder hungern" (diese Zahl ist eine unbelegbare Behauptung, unabhängige Quellen sprechen von "mehreren Zehntausend Kindern die regelmäßig hungern müssen", aber auch "weit über 200.000 die nicht adäquat ernährt sind", Fakt ist auch, dass der Anteil der "Armen und Armutsgefährdeten" in Ungarn in den vergangenen drei Jahren gegen den regionalen Trend weiter stark gestiegen ist). Gleichzeitig seien "Dank des Steuersystems" 328 Milliarden Forint (1,2 Mrd. EUR) "umgeschichtet" worden, sprich an die 20% Besserverdiener gegangen, während 70% der Steuerzahler Mehrbelastungen von rund 134 Mrd. Forint hinnehmen mussten. Tóbiás machte für dieses wachsende Missverhältnis die aszoiale Flat Tax und die damit einhergehende Anhebung bzw. Neuschaffung von etlichen Verbrauchssteuern verantwortlich.

Die Mitte-Links-Allianz um Ex-Premier Bajnai, Gemeinsam 2014 / Dialog für Ungarn bekämpft ebenfalls die Flat tax und versuchte zuletzt vergeblich, dagegen ein bindendes Referendum in Gang zu setzen. Die Allianz kritisiert die irreführenden Zahlen zu Beschäftigung, rechnet vor, dass Mindestlohnbezieher noch weniger haben als unter den Vorgängern und nimmt vor allem die gigantische Abwanderung in den letzten Jahren als Messlatte für das ökonomisch-soziale Versagen der Orbán-Regierung. Rund 500.000 Ungarn haben seit 2010 ihr Land verlassen, um sich anderswo ein Auskommen zu erarbeiten, weil man zu Hause nur auf staatliche bzw. kommunale, unterbezahlte und perspektivlose Pseudo-Beschäftigung setzt, während das Land unter der Parole der "nationalen Interessen" in "industriellem Maßstab" durch die neue Nomenklatura der Regierungspartei ausgeplündert wird: z.B. über das Tabakhandelsmonopol, den Missbrauch des Nationalen Bodenfonds, intransparente öffentliche Vergabepraktiken sowie eine systematische "Umverteilung" der EU-Fördermilliarden.

 

Auch die neonazistische Jobbik schaltete sich in die weihnachtliche Wirtschafts- und Sozialdebatte ein und prangert die "inakzeptable Verflechtung von Politik und Wirtschaft" in Ungarn an. Während 4 Millionen Menschen am oder unter dem Existenzminimum dahinvegetieren müssen, habe Fidesz eine Klientelwirtschaft und eine Propagandamaschine errichtet. Das Land gehöre jedoch weiter zu den "20 ärmsten Regionen" Europas. Während Fidesz seine Geschäfte mache, ruhe das Gros des Wirtschaftsausstoßes auf der "ausländischen Autoindustrie", die dem Land gar nichts bringe. Erfolgsgeschichten hätten sonst nur Fidesz-Günstlinge zu berichten.

Was sagen die Ökonomen. Wo steht Ungarn wirtschaftlich heute?
Analyse mit weiterführenden Links.

red.

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