THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

(c) Pester Lloyd / 07 - 2014   GESELLSCHAFT 14.02.2014

 

Perverses Schauspiel

Nazis in Ungarn halten "Bürgerversammlung" in ehemaliger Synagoge ab

Mehrere hundert Gegendemonstranten, darunter Vertreter von Opferverbänden, jüdischen Organisationen, Antifa-Gruppen und Oppositionsparteien versammelten sich am Freitagabend vor jenem Kulturhaus in Esztergom, das früher eine Synagoge war und heute für eine "Bürgerversammlung" der neonazistischen Partei Jobbik diente. Die Stadt sah keine "rechtlichen" Mittel, das zu verhindern. Die Polizei eskortierte die Naziführer in den Saal.

Foto: MTI

Ein großes Polizeiaufgebot sperrte Straßen und hielt die mehreren Hundert Demonstranten von rund zwei Dutzend mit Nazi-Symbolen ausgestatten Jobbik-Mitgliedern fern, hielten aber auch den Zugang zum Gebäude für die Neonazis offen. Wie Bildaufnahmen belegen, war der Besuch des "Bürgerforums", dem auch Jobbik-Chef Vona beiwohnte eher dünn. Laut dem Sender ATV haben es bis kurz vor acht nur rund 50-80 Personen in den 250 Menschen fassenden Saal geschafft. Ein Demonstrant wurde von der Polizei verhaftet, nach dem er versucht habe, die Absperrungen zu durchbrechen. Kurz nach halb Acht eskortierten Polizisten die Nazi-Führer Vona und Pörzse unter "Nazi raus"-Rufen der Gegendemonstranten in den Saal. Nazi-Securities gängelten derweil Journalisten, vor allem solche von einschlägigen, lies: liberalen Medien.

Die unabhängige Bürgermeisterin von Esztergom, die seit Jahren
mit der Fidesz-Stadtratsmehrheit im Clinch liegt, der die Stadt mehrmals an den Rand der Regierungsunfähigkeit brachte, hatte die Betreiber der Non-Profit-Gesellschaft des Kulturhauses aufgefordert, von der Veranstaltung Abstand zu nehmen. Sie räumte jedoch ein, dass sie keine rechtliche Handhabe gegen die Vermietung habe. Die MSZP sieht das anders und meinte, ein Mehrheitsbeschluss des Fidesz-dominierten Stadtrates hätte das Verbot möglich gemacht, immerhin seien sowohl das Gebäude wie die Non-Profit-Betreibergesellschaft seit 2006 städtisches Eigentum.

Die Vermieter stellen sich auf den Standpunkt, dass man das Gebäude zuvor auch schon an die DK, die MSZP und an Fidesz zu solchen Bürgerforen vermietet habe, ein Ausschluss der Parlamentspartei Jobbik rechtlich nicht Stand gehalten hätte. Freilich hätte die Polizei auf Drängen der Stadt Sicherheitsaspekte geltend machen können, kontern wiederum Kritiker. Außerdem hätte die Stadtversammlung durchaus ein Verbot aussprechen können, die rechtlichen Folgen hätte man gemeinsam abgefedert, dafür aber ein klares Zeichen gesetzt. Diesem hat sich Fidesz entzogen. Außerdem seien über die Gesetze zum Verbot der Hetzrede und des uniformierten Aufmarsches genügend Handhaben vorhanden gewesen, wenn man sie nur ausschöpfen wollte.

 

Die Demonstranten nannten die Wahl des Ortes "pervers", die "Erinnerung an die Opfer des Holocaust werde vergewaltigt". Immerhin sei das Haus nur deshalb keine Synagoge mehr, weil die Gemeindemitglieder ermordet wurde, von Leuten, die den gleichen Ungeist wie die Funktionäre von Jobbik teilten, die heute wieder von der Polizei beschützt werden. Die Jobbik-Leute schmissen sich in die in der Szene übliche Opferpose. Der Esztergomer Ortsvorsitzende bedauerte, dass seine Partei an der Ausübung ihrer "demokratischen Rechte" von jenen gehindert werden sollte, die vom Holocaust “profitieren”.

Bei Online-Stellung waren Versammlung und Gegendemo noch im Gange.

red. / a.l.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.