THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 08 - 2014   POLITIK 17.02.2014

 

Der Heilsbringer

Loben - Drohen - Erlösen: Orbáns Rede zur "Lage der Nation"

Den erprobten Grundregeln des erfolgreichen Propagandismus` folgend, legte Premier Orbán seine 16. Rede zur Lage der Nation am Sonntag, 50 Tage vor den Wahlen, kurz und frei von verwirrenden Details an. Die Umfragesituation und der Zustand der Opposition, aber auch die kritikbefreite Anhimmelung durch seine Anhängerschaft machen anstrengendere Ausarbeitungen überflüssig. Der Überbringer der Botschaft ist die Botschaft.

"Es gibt große Worte, die so leer sind, daß man ganze Völker darin gefangen halten kann." - Stanislaw Jerzy Lec, polnischer Lyriker, 1909-1966

Foto: MTI

Die halbstündige Durchsage vor ausgewählter Zuhörerschaft enthielt Nichts, was nicht schon Dutzendemale zuvor gesagt und geschrieben worden wäre. Schlagwortartige Erfolgsmeldungen am Anfang, die Schärfung des Feindbildes durch ein eingängiges Drohgemälde in der Mitte und am Ende die Erlösung mit der Schlussfolgerung der eigenen Unverzichtbarkeit: dafür genügte Orbán diesmal eine knappe halbe Stunde. Eigentlich passen seine Botschaften längst auf ein Transparent von der Beschaffenheit wie sie vor 1989 in Mode waren: "Ungarn macht´s besser!" "Nieder mit der vereinigten linken Mafia" "Ungarn wird keine Kolonie sein!" Von dort ist es nicht mehr weit bis zurück nach: "Jeder jeden Tag mit guter Bilanz", "Mein Arbeitsplatz, mein Kampfplatz für den Frieden" oder "Wählt die Kandidaten der Nationalen Front!"

Orbán legte zunächst dar, warum seine Regierungszeit seit 2010 eine wirkliche "Wende" darstelle, warum die Wirtschaft so gut dastehe "wie seit zehn Jahren nicht mehr". Seiner Schilderung nach, ist noch nicht das Paradies ausgebrochen, aber man kann es von dort, wo er steht, schon ganz gut sehen: nie dagewesene Energie- und Nebenkostensenkungen, "spürbare" Rentenerhöhung, höchster Mindestlohnzuwachs in Europa, Rekordbeschäftigungsrate, "kräftiges, stabiles Wachstum", "Schuldenreduktion" und kontrollierter Haushalt, Inflation auf 40-Jahres-Tief, "Steuersenkungen" (!). Nichts davon hält auch nur der oberflächlichsten Prüfung Stand, nichts davon ist nicht hingebogen, geborgt, Vieles auch rundheraus erlogen. Aber, wie gesagt: nur nicht zu viele Details.

Eine Verifizierung fordert seine durchprogrammierte Anhängerschaft nicht mehr ein. Glauben war immer bequemer als Wissen, Hoffen leichter als Zweifeln. Die Illusion ist wohlfeiler als die Realtiät. Populisten wissen das und handeln danach. Die Spiritualisierung der politischen Rede, die Anleihen aus der Glaubensmechanik sind keine Zufälle. Daher durfte beim Kalvinisten Orbán auch "das Böse", die Höllenbotschaft nicht fehlen.

Die Meilensteine seiner Amtszeit erkämpfte er mit den Seinen nämlich trotz - und so ging es in den zweiten Teil - des massiven Widerstandes "der internationalen Konzerne", denen man es "nicht mehr erlaubt" Unsummen an "Extraprofiten" aus dem Land zu schleppen, trotz der hartnäckigen Intrigen der "Brüsseler Bürokraten", der Lobbyisten in Brüssel und London, deren mit Hilfe "der postkummnistischen Kader" errichtetes System in Ungarn gescheitert sei. Ein System, das das Land "ruiniert" habe und weder den Menschen noch der Nation diente und das daher von den Ungarn abgelehnt wurde. Er habe schon in der ersten Regierung sein Bestes gegeben, doch dann kamen - eben wegen der Multis und der europäischen Linken - "...die Kommunisten zurück und zerstörten das Land...".

Orbáns Rede an die Nation als verbale Version des
Okkupationsdenkmals: Hier, der auf die Erde zurückgekehrte Erzengel Gabriel, der Verkündiger, inkarniert in der Person des Ministerpräsidenten. Da, der herabstoßende Reichsadler als Sinnbild der Feinde im "neuen Moskau" samt ihrer "inländischen Vasallen", das Wesensfremde, das Böse. - Doch heute bäumt sich das Opfer auf: man müsse sich gegen Kräfte wehren, welche die "Rekolonialisierung" Ungarns betreiben. Orbán dankte hier speziell den "Friedensmärschen", die man dem Volke immer noch als eine Basisbewegung zur Unterstützung der Regierung verkauft. So wie einst die Kreuzzügler als Verteidiger der Christenheit propagiert wurden.

 

Dankbar nahm er den Fall Gábor Simon auf, jenes - gerade rechtzeitig vor Orbáns Rede - mit großem medialen Zapfenstreich geschassten MSZP-Vizechefs der "an der Spitze von Hungermärschen marschierte, aber gleichzeitig Abermillionen auf österreichischen Konten liegen" habe. Er sei das Gesicht dieser "Linken", die einfach den Hals nicht voll kriegt und man müsse dafür sorgen, dass sie nicht wieder die Geschicke des Landes lenken dürfen. Dem kann man kaum widersprechen, "das Volk" (wer dagegen ist, gehört ja seit dem 23.10.2013  nicht mehr zu selbigem) hinterfragt nicht mehr, ob Leute, die an der Spitze von "Friedensmärschen" spazieren, aber an jeder Ecke "Kriege" anzetteln und im Hintergrund Milliarden beiseite schaffen, berufener sind, ein Land zu "lenken". Es dürfen eben nur keine "Linken" mehr sein.

Im April sollten die Ungarn gefälligst zeigen, dass sie "stark" sind und sich vor "niemandem beugen werden". Ungarn sei "des Westens müde", müde, sich "sagen zu lassen, was man wie zu tun oder zu lassen habe". Ungarn werde seinen eigenen Weg wählen und sich seine Partner selbst aussuchen. Ungarns Zukunft wird andes sein als das, was die "Londoner und Brüsseler Priester (Wahrsager) vorhersagen". Er habe noch einiges vor mit dem Land, noch niedrigere Steuern und die billigste Energie in Europa - und er will dafür sorgen, dass sich der Geburtentrend umkehrt (lies: dass die magyarische Rasse nicht aussterbe). Damit war der dritte Teil, die Heilsbotschaft erfüllt. Abgang. Applaus. Händeschütteln.

"Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen auf die Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll. Handelt es sich aber, wie bei der Propaganda für die Durchhaltung eines Krieges, darum, ein ganzes Volk in ihren Wirkungskreis zu ziehen, so kann die Vorsicht bei der Vermeidung zu hoher geistiger Voraussetzungen gar nicht groß genug sein." - Adolf Hitler in: „Mein Kampf“.

red. / m.s.

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