THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 26 - 2014 WIRTSCHAFT 23.06.2014

 

Geheimverhandlungen nach Lieferstopp Russlands: Ungarn will Ukraine mit Gas beliefern

Ungarn versucht beim Energiepoker Ukraine-Russland-EU mitzuschneiden und bringt sich sowohl als Lieferant wie als Zwischenhändler ins Spiel. Dabei riskiert man nicht nur Ärger mit dem "großen Bruder" in Moskau, sondern gefährdet auch die eigenen strategischen Reserven. Gasprom-Chef Miller warnte die Ungarn bereits vor Übermut, der Winter könnte sonst sehr, sehr kalt werden.

In der Vorwoche trafen sich Ungarns Außen- und Außenwirtschaftsminister Tibor Navracsics und der Energieminister der ukrainischen Interimsregierung, Juri Prodan, zu Gesprächen in Budapest, die das Ziel hatten "die Energieversorgung in Notfallsituationen aufrecht zu erhalten". Dies war auch die einzige Information, die von dem Treffen an die Öffentlichkeit gegeben wurde.

Wie jedoch durchsickerte, ging es nicht in erster Linie um die Frage, wie sicher die Transitlieferungen russischen Gases durch ukrainische Leitungen nach Ungarn bzw. generell in die EU nach dem russischen Gaslieferstopp gegenüber der Ukraine seien, sondern, wie Ungarn selbst als Lieferant bzw. Zwischenhändler von Erdgas an die Ukraine einspringen könnte. Bei den Gesprächen dabei war der Chef von Naftogaz, des wichtigsten Pipeline-Betreibers der Ukraine. Dieser ist vor allem am Ausbau sozusagen zweispurig befahrbarer Leitungen, das sog. Umsteuerungsverfahren interessiert, um notfalls mehr Gas in die Ukraine importieren zu können.

Der Hintergrund dafür ist pikant, denn Ungarn verkauft bereits seit rund zwei Jahren in wachsendem Maße Erdgas aus Eigenproduktion, vor allem aber aus seinen strategischen Reserven und auch aus jenen Lagern, die man durch Kauf von der MOL und E.ON verstaatlicht hatte. Dadurch haben sich die Reserven des Landes von 4,5 Mrd. Kubikmeter auf heute geschätzte 2 Mrd. Kubikmeter verringert, die reichen nicht mehr für einen ganzen Winter, mehr als 2/3 seines Bedarfs deckt Ungarn - wie der Rest Europas - mit russischem Gas, das über die Ukraine strömt. Hoffentlich.

Die Opposition wirft der Regierung ein riskantes Spiel mit der Energiesicherheit vor, offenbar sei es der Regierung wichtiger die Geschäfte von "Fidesz-Gasprinzen" zu sichern, die sich auf dem Markt mit billigem Erdgas - u.a. aus Österreich - eingedeckt hätten, um es gewinnbringend zu verscherbeln, anstatt die Gasversorgung bei immer wahrscheinlicher werdenden Lieferausfällen zu sichern. Vor allem im kommenden Winter könnte diese riskante Energiepolitik zu einem Bumerang werden, meint die linke Opposition. Die Lager seien für Ungarn gedacht, nicht, um der Ukraine aus der Klemme zu helfen und dabei Extraprofite für Parteigünstlinge zu erwirtschaften.

Die Regierung argumentiert, dass diese Gespräche nicht nur im Sinne Ungarns seien, sondern auch die Energiesiecherheit für ganz Europa sicherstellten. Gelänge es Ungarn nämlich, z.B. über einen Gaskorridor zur Adria (über Kroatien) die Versorgunglsage der Ukraine von russischen Lieferungen unabhängiger zu machen, z.B. durch die Einspeisung von Flüssiggas oder Lieferungen aus alternativen Quellen, sinke die Wahrscheinlichkeit, dass die Ukraine für die EU gedachte russische Lieferungen abzapfe, so die Logik.

 

Wie Russland wohl reagiert, wenn ausgerechnet das mit einem 10 Mrd. EUR-Kredit versorgte Ungarn beim Ukraine-Boykott in die Quere kommt, dazu gab es regierungsseitg noch keine Anmerkungen. Russland aber hat die Angelegenheit längst fest im Blick und schaut genauer hin, als das Budapest klar sein dürfte: Gazprom-Chef Alexej Miller erklärte, dass "die europäischen Lieferanten die physikalische Umsteuerung von Gas in die Ukraine nicht sichern können" und bezeichnete die ungarisch-ukrainischen Bemühungen als halbwegs größenwahnsinnig. Selbst wenn sich Polen, Slowakei und Ungarn strecken, mehr als ein Drittel des ukrainischen Bedarfs könne "Westeuropa" niemals decken, rechnet uns die "Stimme Russlands" vor.

Zudem: Ungarn ist weiter für den Bau des von der EU vorerst - und natürlich aus politisch-strategischen Überlegungen - auf Eis gelegten South-Stream-Projekts. Russland aber benötigt Ungarn nicht zwingend dafür. Und dann wäre da noch der Atom-Deal...

red.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.