THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 22 - 2014 NACHRICHTEN 29.05.2014

 

30 Jahre in Moskaus Hand: 10-Mrd.-EUR-Kreditvertrag zwischen Russland und Ungarn ist Gesetz, aber immer noch teilweise geheim

Am Mittwoch schickte die Regierungsmehrheit den Kreditvertrag mit Russland über bis zu 10 Milliarden Euro für den Bau zwei neuer 1.200MW-Blöcke im Kernkraftwerk Paks durchs Parlament. Eine Veröffentlichung des bilateralen Vertrages im Wortlaut behielt sich die Regierung jedoch noch vor, derzeit wurde nur das daraus resultierende Gesetz publiziert, was von allen Oppositionsparteien heftig kritisiert wird und nach Rechtslage auch gerichtlich nicht standhalten dürfte.

Die bekannten Bedingungen lauten: Abruf ab sofort, je nach Bedarf beim Fortgang der Planungs- und Bauarbeiten in Paks möglich. Die jährlich gewünschte Summe muss bis sechs Monate vor Beginn des jeweiligen Fiskaljahres dem Kreditgeber avisiert werden. Gleichzeitig dazu muss Ungarn paritätisch die vereinbarten Eigenmittel von bis zu 3 Mrd. EUR erbringen, ein Passus, den die Regierung dem Volk zunächst verheimlicht hatte.

Die Rückzahlung der Raten beginnt im Jahre 2026, unabhängig davon, ob der Bau (offizielle Inbetriebnahme soll 2025 sein) bis dahin abgeschlossen ist. Die Rückzahlungsdauer wird auf 21 Jahre fixiert. In den ersten sieben Jahren müssen 25% des bis dahin gezogenen Kredites zurückgezahlt werden, in sieben gleichgroßen Raten, 35% in den darauffolgenden sieben Jahren, 40% in der dritten Phase.

Zinsen sind ab dem ersten Tag, also schon ab diesem Jahr, für die bereits in Anspruch genommenen Summen fällig. Der Zinssatz beträgt zunächst 3,95% (derzeit rund 1 Punkt über langfristigen Staatsanleihen und fast 2 Punkte über IWF-Darlehenszinsen), der Zinssatz steigt ab 2026 auf 4,5%, ab 2030 auf 4,8, ab 2036 auf 4,95%. Zusätzlich sind Zinsen und Raten stets in Euro zu entrichten (Forex-Kredit), Ungarn trägt also zusätzlich zu den Zinsen und dem Refinanzierungs- auch das Währungsrisiko allein.

Sollte das Land in Zahlungsverzug geraten ist Folgendes vorgesehen: bei Zahlungsverzug von mehr als 15 Tagen werden 150% der Zinsansprüche geltend. Sollte Ungarn 180 Tage im Zahlungsrückstand mit Raten oder Zinsen sein, kann Russland den Vertrag fristlos kündigen und den Restbetrag auf einmal zurückfordern. Welche Sicherheiten Russland im Falle der Zahlungsunfähigkeit zugestanden wurden, unterliegt der Geheimhaltung und ist somit Stoff für weitreichende Spekulationen. U.a. wird der Zugriff auf die MOL-Aktien des Staates sowie die Übernahme der anderen 50% des South Stream Joint ventures vermutet.

Unabhängig von der strategischen und ökonomischen Sinnhaftigkeit des Atomausbaus, kritisiert die Opposition vor allem die wachsende Abhängigkeit des Landes von Russland, sowohl energiepolitisch wie nun vor allem finanziell. Orbán habe das Land zu schlechten Konditionen regelrecht "verkauft" und ganze Generationen in Schulden und Abhängigkeit von Moskau getrieben.

 

Mehrere Anläufe, das Projekt (den Kredit, nicht den AKW-Ausbau an sich), über ein bindendes Referendum zu stoppen, scheiterten zunächst an der Nationalen Wahlkommission, zuletzt auch am Obersten Gerichtshof, der sich der Fidesz-Meinung anschloss, dass - laut Verfassung - internationale Verträge nicht durch Volksabstimmungen beeinflussbar sein dürften. Allerdings wollten die Antragsteller das Volk lediglich die Frage beantworten lassen, ob man damit einverstanden sei, den AKW-Ausbau durch neue Schulden zu finanzieren.

Im Gegensatz zum politisch forcierten Ausbau in Ungarn, hat die tschechische Regierung kürzlich den Ausbau des AKW in Temelin suspendiert, da der staatlich dominierte Energiekonzern CEZ zu dem Schluss kam, dass die Unwägbarkeiten des zukünftigen Energiemarktes eine verlässliche Refinanzierungsprognose nur mit staatlich garantierten Mindeststrompreisen möglich machen. Für die Ungarn bedeutet das, dass sie künftige Risiken beim Betrieb entweder über steigende Energiepreise oder Steuern zu tragen haben. Die Regierung verkauft den Deal als “vorteilhaft”, denn er belaste nicht das Budget, da man den Kredit über den Staatsbetrieb MVM laufen lassen werde. Das könne man gerne tun, heißt es dort in einer internen Studie, allerdings würden sich die Strompreise dann ab 2026 um 150% erhöhen, zusätzlich zur Inflation...

red.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.