THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 29 - 2014 WIRTSCHAFT 18.07.2014

 

Ausgabenstopp: Ungarns Finanzminister pfeift auf dem vorletzten Loch

Die ungarische Finanzplanung wankt. Einmal mehr. Mit einem "Ausgabenstopp" für 110 Milliarden Forint (330 Mio. EUR) will Finanzminister Varga nun dafür sorgen, dass die kritische Marke von 2,9% Haushaltsdefizit zum Jahresende doch noch erreicht werden kann. Die strukturellen Versäumnisse werden dabei weiter negiert, nur Brüssel soll nichts merken.

Ungefähr so viel Spielraum hat Varga mit dem Haushalt.

 

Die Gründe für das ausufernde Defizit, das zur Jahresmitte - um Einmaleffekte bereinigt - bereits 82% des Jahresziels erreichte, liegen in erster Linie an "Strafmaßnahmen der EU" durch die "schleppenden Finanzierung von verschiedenen Projekten" und wegen "Kosten von Vertragsverletzungsverfahren", die in den letzten Monaten und Jahren ins Kraut schossen. So bezeichnet Varga die von der EU eingebremste Fördergeldüberweisung angesichts eines chaotischen Abrechnungssystems und gibt damit genau der Institution die Schuld an der Stagnation, die als einzige noch für effektiven Geldfluss und also Investitionen sorgt. In dieser Woche kamen zu den zwei Dutzend laufenden noch zwei weitere EU-Verfahren hinzu, wegen der Vergabe der E-Maut ohne Ausschreibung und der fehlenden Umsetzung von Umweltrichtlinien.

Außerdem seien ausgerechnet "positive ökonomische Trends" wie die niedrige (hausgemachte) Inflation Schuld, die Steuereinnahmen verringerten. Auch der dauerhaft gefallene Forint spielt eine enorme Rolle, aber den erwähnte Varga nicht, was auch besser für den Forint ist, wie wir aus Erfahrung wissen. Er wolle die Einsparungen so gestalten, dass "Familien und kleine und mittlere Unternehmen" nicht betroffen sind. Die Opposition sieht das Gegenteil kommen: die Regierung komme nun mit den Sparpaketen, die man angeblich immer vermeiden wollte. Sie unterscheide sich daher nicht mehr von den Absturz-Staaten in Südeuropa, so die MSZP.

Mehr zu Orbáns waghalsiger Finanzpolitik

Gleichzeitig gab das Wirtschaftsministerium, das auch Varga untersteht, bekannt, dass zusätzliche 51 Milliarden Forint für die "Kommunalen Beschäftigungsprogramme" aktiviert werden, im August wird die Zahl der Teilnehmer an der unwürdigen - und für den Staat teuren - Billigstarbeit auf 244.000 gestiegen sein. Damit ist der Kern der Fehlentwicklung kurz und bündig umrissen. Weitere Faktoren, die das Budgetdefizit anschwellen lassen: Orbánsche Erlässe auf Erhöhung der Staatsanteile an Energieunternehmen und Kommunalbetrieben (u.a. Budapester Abwassersystem), ausbleibende Investitionen und verringerte Steuereinnahmen wegen ausbleibender Gewinne z.B. im preisregulierten Energiesektor, Fehlkalkulationen beim Schuldendienst (massive Währungskursverluste) sowie die immer noch massive Abwanderung von Fachkräften ins westliche Ausland.

Während der Chef des "Nationalen Haushaltsrates" zwar Bedenken äußerte, dann aber pflichtgemäß die "Bemühungen" Vargas lobte, analysieren unabhängige Volkswirtschaftler knapp, dass die Regierung nur Brüssels Argwohn für eine Weile ruhig stellen und ein erneutes Defizitverfahren verhindern will, ansonsten aber nur beten könne, dass in der EU, vor allem in Deutschland die Konjunktur weiter aufrecht bleibe.

 

Man wundert sich außerdem, wozu der Finanzminister unbestimmte "Budgetreserven" anlegen lasse, wenn diese von vornherein zweckgebunden zu sein scheinen (Stadionbauten, Verstaatlichungen) und gar nicht den eigentlichen Sinn als Puffer für budgetäre Schwankungen dienen könnten. Es ist davon auszugehen, dass man bis Jahresende massiv in die Währungsreserven der Regierung greifen wird (die sich aus den Exportüberschüssen ergaben,  man macht daraus dann Forint und reduziert damit die Defizite, aber auch die Reserven aus), selbst die Devisenreserven der Nationalbank sind - jetzt da alle anderen Einmaleffekte und Sondersteuern ausgereizt sind - kein Tabu mehr. Auch an der Schuldenquote von deutlich über 80% des BIP wird sich so kaum etwas ändern lassen.

Premier Orbán nannte die Sparmaßnahme am Freitag in seiner zweiwöchentlichen Radiosendung "eine Vorsichtsmaßnahme", die eigentlich nicht nötig sei, sondern "nur das Signal aussenden" soll, dass Ungarn alles tut, um seinen Verpflichtungen gegenüber der EU nachzukommen. Stadionbauten seien davon "glücklicherweise" nicht betroffen. Im Übrigen solle sich die EU im Klaren darüber sein, dass "man Ungarn nicht von Brüssel aus regieren werde".

cs.sz.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.