THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 37 - 2014   POLITIK   10.09.2014

 

Runder Tisch nach 9 Monaten Schweigen: Regierung nominiert "Hofjuden"

Am Mittwoch fand der mehrfach verschobene Runde Tisch zwischen der Regierung und den wichtigsten jüdischen Verbänden des Landes, vertreten durch die MAZSIHISZ, statt, damit wurde ein vor fast neun Monaten abgebrochener Dialog wieder aufgenommen. Noch kürzlich konnte man sich nichtmal auf die Tagesordnung einigen. Viel raus kam dabei gestern naturgemäß nicht, aber Verhandlungsführer Lázár hatte ein besonderes Ass im Ärmel...

Hintergründe:
Partielle Holocaustleugnung - Gedenkstreit in Ungarn: Orbán stößt das jüdische Ungarn wieder vor den Kopf

Beide Seiten sprachen zwar von einem Erfolg, die Regierung etwas lauter, die jüdischen Vertreter noch sehr zurückhaltend. Neben viel Good-will-Erklärungen kam jedoch kaum Greifbares heraus. Immerhin wurden einige Aspekte angesprochen, die über den anhaltenden "Gedenkstreit", also die Streitpunkte: Besatzungsdenkmal, Haus der Schicksale, Veritas-Institut etc. hinausgehen, die vor einem dreiviertel Jahr zum Boykott des offiziellen Holocaust-Gedenkjahres und dem Bruch in der Kommunikation führten.

 

So sollen beim kommenden Treffen im Dezember "Rechtsexperten" herangezogen werden, die in Kooperation mit den jüdischen Verbänden "Manifestationen des Antisemitismus in Ungarn" so aufarbeiten sollen, dass die von der Regierung proklamierte "Null Toleranz"-Politik auch ihren Namen verdient. Ein Fortschritt, denn nach offizieller Darstellung gibt es in Ungarn entweder keinen Antisemitismus oder ist dieser völlig im Würgegriff eben jener Zero tolerance action... Gleichzeitig soll die soziale Situation von Holocaust-Überlebenden erörtert werden, sowie der Zustand von jüdischen Friedhöfen - es geht hier also in erster Linie um Geldmittel.

Beim "Haus der Schicksale" will die ungarische Regierung "die Unterstützung und den Rat von ungarischen und internationalen jüdischen Organisationen". Ohne diesen solle es keine Eröffnung geben, freut sich MAZSIHISZ-Chef Heisler. Dabei dürfte jedoch das Beharren auf der Geschichtsrevisionistin Mária Schmidt vom "Haus des Terrors" und des "Veritas"-Institutes (Deportationen waren fremdenpolizeiliche Maßnahmen) wenig hilfreich sein, auch wenn Verhandlungsführer Lázár (ja, er ist auch dafür zuständig!) auf die Tränendrüse drückte und betonte, dass man ja an die "Kinderopfer des Holocaust" erinnern wolle.

Der clevere Allrounder in Orbáns Diensten hatte für die Sitzung noch einen Coup im Sack. Ernannte er doch just am Tage des Treffens den ehemaligen Chef der Jüdischen Dachorganisation MAZSIHISZ Gusztáv Zoltai zum neuen Chefberater der Regierung "für strittige Angelegenheiten mit den Jüdischen Gemeinden". Mit dieser genialen, den Opportunismus des menschlichen Wesens nutzenden Aktion sendet Lázár nämlich gleichzeitig ein paar klare, wenn man so will, auf antisemitischen Vorurteilen aufbauende Signale aus, die wir hier einmal politisch völlig unkorrekt auf den Punkt bringen: euch Juden kann man für Geld kaufen, notfalls spalten wir eben und versammelt sich die Regierung willige "Hofjuden", um die geplanten Projekte zu realisieren und zu legitimieren.

 

Der neue Regierungsberater Zoltai, wie immer er jüdische Interessen im Sold der Regierung vertreten will, gilt übrigens als äußerst illustre Figur, war er vor der Wende doch als besonders linientreuer Betriebskampfgruppenkommandeur unterwegs. Juden als die übelsten der Stalinisten und Protagonisten linker Terrorregime ist übringens auch eine gängige urban legend in Ungarn. Immerhin dürfte Zoltai der Fidezsche Kasernenton im Amt des Ministerpräsidenten nicht unvertraut sein. "Verblüfft" bis "schockiert" zeigte sich die heutige MAZSIHISZ-Spitze, die ihrem Ex-Chef demnächst als Regierungsunterhändler gegenübersitzen darf und ihre "Probleme" sozusagen unter sich ausmachen soll...

a.l. / red.

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