THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 38 - 2014 NACHRICHTEN 19.09.2014

 

Missbrauch bei Einbürgerung in Ungarn III: Es gibt keine Mafia!

Es gibt keine "Mafia", alles ist übertrieben und die Linke fällt den Auslandsungarn einmal mehr in den Rücken. Mit Zahlen, blumigen Worten und der Kriminalisierung der Kritiker versucht sich die Regierung vom Vorwurf des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges bei der vereinfachten Staatsbürgerschaft freizusprechen. Überzeugend ist sie dabei nicht. Minister Balog hat dazu noch eine Nachricht mit Sprengkraft: eine ungarische Rente soll es nur in Ungarn geben...

Den
Anschuldigung des "Hochverrats" gegenüber den Aufdeckern des großflächigen und organisierten Betruges bei der Vergabe ungarischer (EU)-Staatsbürgerschaften durch Vizepremier Semjén, schlossen sich am Donnerstag auch Innenminister Pintér, der durchführende Staatssekretär Wetzel sowie die Regierungspartei Fidesz an. Letztere nannte den Artikel, hinter dem "weiterreichende Interessen" stünden sowie die Kritik seitens der Oppositionsparteien "eine weitere Hetzkampagne gegen die Ungarn hinter den Grenzen", die "gerade heute wegen der Ukraine-Krise unsere Hilfe und Unterstützung" bräuchten.

Das Innenministerium stellt sich auf den Standpunkt, dass "die Zahlen in dem Artikel völlig übertrieben" seien, es könne "nie und nimmer von Zehntausenden" Missbrauchsfällen die Rede sein. Bis dato seien durch die Behörden 1.200 strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des betrügerischen Erwerbs eingeleitet worden. Für einen MSZP-Abgeordneten sind diese Zahlen jedoch gerade der Beleg dafür, dass die von Index-hu gemachten Angaben sehr gut stimmen könnten, denn man müsse auch die Dunkelziffern einrechnen, aufgrund der Abwicklung sei den Behörden eine substantielle Prüfung oft gar nicht möglich gewesen.

Das Innenministerium beharrt darauf, dass "nichts darauf deutet, dass Banden in ein solches Geschäft involviert" seien. Dem hielten mehrere Abgeordnete entgegen, dass sie selbst auf Reisen in der Ukraine "überall Flyer, Plakate und Zeitungsannoncen gesehen" hätten, auf denen von Anwaltskanzleien und Vermittlern für ungarische Pässe "ohne besondere Anforderungen" geworben wurde und wird.

 

Noch heftiger widersprach Tamás Wetzel, zuständiger Chefbeamter für die Passvergabe, dem "Nonsense von einer Mafia". Zwar hätten rund 2.800 Russen in den letzten Jahren einen ungarischen Pass beantragt, rund 70% davon seien aber abgelehnt worden. Dass es in der Index-Recherche jedoch hauptsächlich um Ukrainer und Serben ging, die ganz andere Antragszahlen lieferten, ignorierte er. Auch Wetzel sieht eine "versteckte Agenda" hinter den Aufdeckungen. Wetzel bzw. seine Behörde werden die Index-Autoren und auch das Newsportal selbst verklagen.

Die Regierungstaktik erinnert an den Ablauf des "Steuerskandals", den der Ex-Finanzamtsmitarbeiter Horváth losgetreten hatte, als er systematischen, amtlich gestützten Milliardenbetrug bei Mehrwertsteuerrückzahlungen und Auslassung von Steuerprüfungen bei bevorzugten Unternehmen aufdeckte. Die Korrektheit wurde behauptet, Beweise verschwanden, der Überbringer der Botschaft mit Verfahren, samt Hausdurchsuchung überzogen, andere potentielle Zeugen eingeschüchtert. Von der Sache selbst hörte man behördenseitig dann nichts mehr.

Auch das Ministerium für Humanressourcen von "Superminister" Balog schaltete sich ein, mit einem - nicht nur für "Neuungarn" interessanten Aspekt. Offenbar um aufkeimenden Sozialneid bei den Altbürgern zu verhindern, verstieg man sich in einer Aussendung zu der Aussage, dass "nur Bürger mit einem Wohnsitz in Ungarn berechtigt sind, eine ungarische Rente zu beziehen." Der zentrale Rentenfonds prüfe bei jedem Antrag, ob ein Wohnsitz in Ungarn vorliege, u.a. auch durch Hausbesuche.

Diese Aussage widerspricht jedoch zwei internationalen Abkommen, denen sich Ungarn verpflichtet hat. Zum Einen: zwei vor wenigen Jahren erneuerten bilateralen Verträgen mit Russland und der Ukraine, basierend auf einem Vertrag mit der Sowjetunion von 1962, in denen die Unterzeichner den Bürgern des jeweils anderen Landes "die gleichen Renten und sozialen Leistungen garantieren wie im Herkunftsland" (was also bedeutet, dass die ungarischen Behörden dann ukrainische und russische Rentenansprüche auszahlen müssen) sowie der Europäischen Sozialcharta, die jedem EU-Bürger der eine Rente bezieht, diesen Bezug unabhängig von seinem gewählten Wohnsitz in der EU garantiert. Die Stellungnahme aus dem Ministerium würde nämlich auch für Altungarn, die ihren Alterssitz z.B. in Spanien oder Deutschland nehmen, den Verlust des Rentenabspruches bedeuten, genauso wie für jene EU-Ausländer, die nur zeitweise in Ungarn arbeiteten.

Das Ministerium mochte auf Anfrage diese Widersprüche nicht aufklären, doch der Lapsus könnte ein Hinweis darauf sein, wie man hinfort möglicherweise Haushaltsmittel sparen bzw. die massive Auswanderung eindämmen will.

red.

 

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