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(c) Pester Lloyd / 03 - 2015   POLITIK   12.01.2015

 

Exempel der Schäbigkeit: Premier von Ungarn hetzt in Paris gegen Einwanderer

Bereits mit seinen Äußerungen am Freitag machte Premier Orbán klar, dass er keine Skrupel kennt, die Mordanschläge von Paris zur Promotion seiner politischen Ziele zu instrumentalisieren. Am Sonntag, als einer von über 50 Staats- und Regierungschefs in Paris, legte er nochmals nach und stellte Einwanderer unter den Generalverdacht, Europas “Sicherheit und Kultur zu bedrohen”. Ungarns Premier tritt damit als geistiger Brandstifter auf.

Orbán in Paris: Schon die Rolle in der zweiten Reihe passt ihm gar nicht... (Übrigens kommt Merkel am 2. Februar zu Besuch nach Budapest...)

Direkt nach dem Gedenkmarsch in Paris, der dezidiert als Marsch der Einheit der Nationen, Religionen, Bekenntnisse, Lebensarten unter dem Dach eines europäischen Frankreich als Bollwerk der Liberté, Égalité - und eben auch der Fraternité angelegt war, drängelte sich Orbán, vorher etwas in die zweite Reihe gerutscht, mit Hilfe seines vor Ort drehenden Staatsfernsehens M1 wieder in den Vordergrund. Zumindest in der Heimat sollte ankommen, dass er einer der Taktgeber in Europa sei und diesmal wollte er auch sicher gehen, dass die ganze Welt mitbekommt, wer er ist.

In Frankreich schaffte er es zumindest einmal auf die "Longlist der kontroversen Gäste", die von der renommierten Zeitung
Le Monde aufgestellt wurde, zusammen mit: dem türkischen Premier Davutoglu, dem russischen Außenminister Lavrov, dem Präsidenten von Gabon, Ali Bongo, dem jordanischen Königspaar, dem ägyptischen Außenminister und dem israelischen Wirtschaftsminister Naftali Bennett, der sich rühmte einst "viele Araber getötet" zu haben. Immerhin vermerkt Le Monde süffisant, führt Orbáns Ungarn mit Rang 64 das Ranking bei der Pressefreiheit auf dieser Blacklist noch an, knapp 30 Plätze vor Gabon.

... aber von Sicherheitskräften dann die Abteilung für Schwarze, Araber und Polen abgedrängt zu werden, das war zu viel für ihn nicht. Die mediale Rache von Viktor dem Großen folge auf den Fuß(marsch).

Orbán wurde seinem Wunschimage als "Bad Boy" gerecht. Für ihn spielte es keine Rolle, dass soeben Millionen den Toten der Terrorakte von Paris, der toten Journalisten von "Charlie Hebdo", der ermordeten Polizisten und der hingerichteten Geiseln in einem koscheren Supermarkt gedacht hatten, darunter - gemeinsam - Vertreter der großen Religionen, aller nur denkbaren Nationen - ja sogar Israels und Palästinas Premiers liefen - wenn auch nur mittelbar - Hand in Hand, allein das war eine kleine Sensation.

Die Abkehr vom Liberalismus wäre der Sieg der Terroristen

Die Botschaft müsste eigentlich angekommen sein: Deine Herkunft, dein Glaube, deine kulturelle Zugehörigkeit spielt keine Rolle, so lange Du dem anderen seine Rechte und Freiheiten lässt, so lange du bereit bist, friedlich und zivilisiert zu leben. Das ist das Signal von Paris, das man sich von niemandem kaputt schießen lässt, eine Kraft die - letztlich - stärker sein wird als die Kraft des Terrors und des Fanatismus. Solidarität und Zusammenhalt gegen Hass und Terror.

Natürlich müssen dabei akute Sicherheitsaspekte besprochen, mittel- und langfrstige Einwanderungs- und Integrationspolitik überdacht und korrigiert werden - gerade in Frankreich - und natürlich muss auch angesprochen werden, dass selbst die schärfsten Sicherheitsvorkehrungen Einwanderung und Flüchtlinge nicht verhindern können, so lange die Ungerechtigkeiten in der Welt so dramatisch verschärft werden - eben auch durch die Politiken jener über 50 Staats- und Regierungschefs, die sich da am Sonntag als Teil ihrer Völker behaupteten.

Aber es gibt eben auch gerade in Frankreich - einen Konsens darüber, dass die Abkehr vom Weg liberaler Gesellschaftsmodelle keine Alternative, sondern den Sieg der Terroristen und ihrer Weltmodelle darstellen würde. Was will man verteidigen, wenn man das Schützenswerte abgeschafft hat?

Was muss da im Kopf eines Menschen vorgehen, unmittelbar nach einer solchen Veranstaltung und in diesem Kontext in die Kamera seines heimischen Hofsenders solche Worte zu sprechen: "Wirtschaftsmigration ist eine schlechte Sache für Europa und niemand sollte diese als nützlich bezeichnen, denn sie bringt nur Unruhe und Gefahr für die europäischen Menschen. Einwanderung muss gestoppt werden, das ist die ungarische Position." Einwanderer = Terroristen, nicht weniger hat Orbán damit gesagt.

Sprach- und Gedankenwelt des Rechtsextremismus

Es müsse "nun" eine "ruhige Analyse der jüngsten Vorkommnisse geben", die "in die Richtung der Einführung von klaren Regeln zur Beschränkung von Einwanderung in Europa führt". Ungarn jedenfalls könne "Menschen, die ihre Heimat aus ökonomischen Gründen verlassen, keine Zuflucht geben", "so lange ich im Amt bin, wird Ungarn kein Ziel für Einwanderer werden", "Wir wollen nicht, dass eine signifikante Minderheit mit abweichenden kulturellen Charakteristiken unter uns lebt (...)". Orbán spricht - wörtlich - bereits regelmäßig von der existentiellen "ethnischen Basis" des "Ungarntums", die "gefährdet" sei und davon, dass "eine Nation, die sich nicht biologisch reproduzieren kann, ihre Existenz aufgibt". Kulturfremde Elemente, rassische Unreinheit, Überfremdung kommt Ihnen diese Sprache nicht schaurig bekannt vor?

Orbán und seine Ideologen machen den Liberalismus, also die freiheitliche Ausrichtung der westlichen Welt - samt solcher Grundrechte wie Versammlungs- und Pressefreiheit für die Probleme in Europa verantwortlich. Doch was bieten sie als Alternative? Soft-Diktaturen mit egomanen Führerkonzpeten. Sie nennen es Europa der Nationen. Das hatten wir aber schon, es brachte Europa nur Krieg und Vernichtung.

"Wir wollen, dass Ungarn bleibt, wie Ungarn ist." wiederholt der Ministerpräsident eines Landes mit rund 7% Romaanteil und begibt sich damit an die Seite der stupiden Angstparolen der pegidistischen Wahnwichtel, die mit einer komplexen Welt überfordert tun, weil sie es mit sich selbst sind. Bei diesen steckt im Grunde der gleiche Rassismus dahinter wie bei Orbán, doch dieser nutzt ihn aus (s)einer Machtposition heraus als Instrument seiner Politik, während er vom Dresdner Mob als Signal der Ohnmacht erklingt. Sündenböcke, Stellvertreterkriege, Kollektivschuld. Wir wissen, gerade auch in Europa, wohin das letztlich führt. Die Orbáns sollten wachen Geistern daher genauso viel Angst machen wie die Terroristen, denn physische und geistige Brandstifter bedingen einander, - wie Feuer und Sauerstoff.

Wie u.a. hier berichtet, grenzen Orbáns Vorstellungen seines idealen Europas an die Idee einer "weißen Herrenrasse", die sozusagen minderbemittelten Schichten, vor allem die Zigeuner, die nun eh schon mal in Europa sind, könnten dabei die Drecksarbeiten verrichten, die heute Einwanderer machen. Das verkauften Orbán und sein Sozialminister, Pfarrer Balog mehrfach als "überlegenswertes Modell" und freuten sich geradezu diebisch darüber, so "die Hemmungen politischer Korrektheit" abgelegt zu haben. Festzuhalten ist, dass Orbán und seine Minister damit offen der Sprach- und Denkmuster von FPÖ, Front National, NPD und ähnlichen Kalibern bedienen. Auch dere moralische Schäbigkeit teilt man mit denen.

Orbán nutzt islamistischen Terror für Notstandsgesetze

 

Doch Orbáns Rhetorik und auch seine aktive Politik wenden sich eben nicht "nur" gegen Ausländer, sondern auch gegen die wachsende innere Opposition, die er nun bereits mehr als einmal direkt bedroht hat. Denn alle, die sein Modell des Ungarntums nicht als ihr Lebens- und Gesellschaftsmodell anerkennen, gelten als suspekt, als Verräter an der Nation, ja als "Agenten fremder Mächte". Man sollte daher genau zuhören, wenn der Premier - unmittelbar vor seiner Abreise nach Paris am Sonntag - ein Komminiqué veröffentlichen lässt, indem es u.a. heißt, dass "Europa eine neue Politik im Hinblick auf die Verteidigung und Stabilisierung zur Verhinderung von Umstürzen und Bewegungen, die die Sicherheit gefährden" brauche. Sein Fraktionschef Rogán bereitet gerade einen kryptischen "Aktionsplan zum Schutz Ungarns" vor, denn Ungarn werde "angegriffen". Mehr dazu.

red. / m.s.

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