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(c) Pester Lloyd / 26 - 2015   POLITIK     25.06.2015

 

Schiebung, Abschiebung, Weiterschiebung: Ungarn deutet Dublin-III um und bastelt am neuen Zaun

In der Frage um die Aussetzung des Dublin-III-Verfahrens durch Ungarn führt die Regierung in Budapest den Westen wieder einmal an der Nase herum. Orbán hat nicht die Absicht das Abkommen einzuhalten. Im Gegenteil: Zurückgeschobene sollen notfalls unbesehen nach Bulgarien und Griechenland "weitergeschoben" werden. Und: der Grenzzaun zu Serbien wird teurer, "Durchschneiden" wird verboten...

Einige westeuropäische Medien schlussfolgerten gestern aus den
Worten von Außenminister Szijjártó, dass die Orbán-Regierung nach Protesten aus Deutschland, Österreich und der EU die Suspendierung des Dublin-III-Abkommens zurückgenommen hätte. Das entspricht nicht den Tatsachen. 

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Am Mittwoch wurden bei einer Razzia in der Gegend von Szeged mehr als 300 Flüchtlinge aufgegriffen. Fast alle stammten aus Syrien, unter ihnen mehr als 30% Frauen und Kinder.

Denn das Dekret des Innenministeriums vom Dienstag ist nach wie vor in Kraft und bedeutet, dass Ungarn "bis auf Weiteres" jedes Rückschiebegesuch "aus technischen Gründen" ablehnen wird, nur bereits laufende Verfahren werden abgewickelt.

Der Außenminister konstruierte aus dieser Maßgabe vor der internationalen Presse, dass man kein Abkommen "außer Kraft" gesetzt habe, bei der Erfüllung aber auf "die Geduld" für die begrenzten Möglichkeiten des Landes hofft. Auf diese Weise hofft Budapest, einem EU-Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen, ohne die Dublin-III-Maßgaben praktisch erfüllen zu müssen. Es war ein Täuschungsmanöver. Mehr noch, die Behauptung, Ungarn habe niemals einseitig einen EU-Vertrag außer Kraft gesetzt, ist angesichts der durch einen
Brief des Justizministers, in dem die Anweisung des Innenministers zitiert wird, eine Lüge gewesen. Justizminister Trócsányi erklärte, dass Ungarn “zeitweise keine Flüchtlinge aufnehmen wird”, aber “zu Dublin III steht”. Ja, was denn nun?

János Lázár, Orbáns Kanzler, bestätigte auf der heute gehaltenen, turnusmäßigen Regierungspressekonferenz die Schaukelpolitk der Regierung zur Frage der Suspendierung von Dublin III.

Lázár erklärte, dass Orbán und sein Justizminister sowohl die EU-Kommission als auch das Europäische Parlament um "Hilfe bei der Bewältigung der illegalen Einwanderung gebeten" hätten. Orbán habe heute beim EU-Gipfel in Brüssel dies noch einmal bestätigt. Dass das am Dienstag erlassene Dekret des Innenministeriums zurückgenommen worden sei, erklärte keiner von beiden.

Gemäß Dublin III müsste, so behauptet Lázár, Ungarn derzeit 16.000 Asylanstragsteller aus westlichen Ländern zurücknehmen, "aus denen in diesem Jahr noch 200.000 werden könnten." Beide Zahlen seien für Ungarn nicht verkraftbar, weshalb man darüber nachdenkt, die Rückgeschobenen seinerseits nach Bulgarien und Griechenland weiter zu schicken, den ersten EU-Ländern, mit denen die meisten Flüchtlinge Kontakt hatten, bevor sie über die "Balkanroute", also meist Mazedonien und Serbien nach Ungarn kamen.

Ob dieses Weiterschieben praktikabel und - ohne Einzelfallprüfung -überhaupt rechtmäßig ist, da bei Dublin III nicht der nur zu mutmaßende Eintritt in die EU, sondern die tatsächliche Erstregistrierung (Fingerabdruck oder Asylantrag) ausschlaggebend ist, ließ Lázár offen, aber: "das ist der ungarische Standpunkt". Soll heißen, Dublin III funktioniert für Ungarn nur, wenn man die Zurückgenommenen gleich wieder los werden kann.

 

Hinsichtlich des Zaunbaus zu Serbien hofft Lázár bei der gemeinsamen Regierungssitzung am 1. Juli die Wogen mit dem Nachbarn glätten zu können. Außerdem stellte sich heraus, dass die Kosten für das 175 Kilometer lange Bauwerk höher ausfallen werden als die zunächst veranschlagten rund 75 Mio. EUR. Zwei Gründe: womöglich wird, so Lázár, ein Zaun nicht reichen, also ein Doppelzaun entstehen, und: das Bauland für den Eisenzaun, benötigt wird ein Streifen von rund 5.000 Hektar, befindet sich zu zwei Dritteln in privaten Händen. Der Staat werde die Grundstückseigner "angemessen entschädigen". Möglicherweise müsste bei renintenten Grundbesitzern auch am Enteignungsrecht gedreht werden, um die "hoheitliche" Aufgabe erfüllen zu können.

Regierungssprecher Giro-Szász ergänzte warnend, dass jene, die es wagen sollten, den Zaun zu durchschneiden "gegen das Gesetz verstoßen und mit Konsequenzen zu rechnen haben". Vor 26 Jahren waren es auch Mitglieder der ungarischen Regierung, die sich dieser "Straftat" schuldig machten.

red.

 


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