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(c) Pester Lloyd / 27 - 2015   WIRTSCHAFT    30.06.2015

 

Das Tabakskollegium: Wie die Ungarn die Lügen ihrer Regierung finanzieren

"Hinter all diesen Angriffen gegen Ungarn in Brüssel steckt Philip Morris", meint Orbáns Kanzler Lázár - wieder einmal. Der US-Konzern beschwerte sich nämlich in Brüssel über das neue Großhandelsmonopol für Tabak. Neben Wettbewerbsfragen geht es dabei um zweistellige Millionenbeträge, das neue Fidesz-Medienimperium und vor allem: ums Prinzip.

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Schon gegen die Einführung des Einzelhandelsmonopols für Tabakwaren vor zwei Jahren lobbyierte der amerikanische Konzern in Brüssel, schon damals sprach Lázár von einer "Inszenierung" der Amis, selbst die US-Einreiseverbote gegen korrupte, ungarische Offizielle gehen angeblich auf die US-Firma zurück. Und hinter den "Anti-Regierungs-Protesten" der Opposition steht: natürlich: Philip Morris.

Gleiches beobachtet Lázár nun bei den "neuen Regeln" für den Tabakmarkt, die gerade eingeführt werden. Dabei handelt es sich um ein Großhandelsmonopol für die Belieferung der staatlich lizensierten Trafikanten mit Zigaretten und anderen Tabakwaren. Auch die jetzt beschlossene Einführung von einheitlichen Designs für Zigarettenschachteln (Fließtext auf weißer Schachtel) wird von Philip Morris torpediert.

Wieder einmal wird von höchster politischer Stelle, Lázár ist faktisch die Nr. 2 in Ungarn, der Kampf des nationalen Dávid gegen den multinationalen Goliath bemüht. Die Interessen des Volkes gegen die Profitgier der Konzerne. Die USA sind an allem Schuld, - das ist Pegida-Wahnwichtelniveau - in Ungarn ist es regierungsfähig. Doch was steckt dahinter?

 

Die exklusive Konzession für den Tabakgroßhandel in Ungarn erhielt ein Konsortium aus BAT Pécsi Dohánygyár Kft. und der Tabán Trafik Zrt., einer Tochter der Continental Gruppe. Der Deal wird in der Branche mit blankem Entsetzen kommentiert. Zunächst wurde die Vergabe nicht öffentlich ausgeschrieben, laut Lázár ist das nicht nötig, "da keine öffentlichen Gelder involviert sind." Das ist falsch. Denn zwar geht es nicht um die Vergabe öffentlicher Mittel, wohl aber um Einnahmen für die Staatskasse. Für diese gilt sowohl in Ungarn als auch EU-weit gesetzlich die gleiche Sorgfaltspflicht, ab einer bestimmten Größenordnung sind daher nationale, darüber EU-weite Ausschreibungen vorgeschrieben.

Laut Berechnungen der Branche können die Inhaber der Großhandelslizenz mit jährlichen Einnahmen von umgerechnet mindestens 30 Mio. EUR rechnen, eine Summe, die sich bisher rund ein Dutzend Firmen teilten. Die Lizenzgebühr für das Monopol beträgt indes nur knapp 2 Mio. EUR im Jahr - zahlbar aber erst ab dem Jahr 2020, denn bis dahin können die Gewinner ihre "Investitionen" in Lagerung und Logistik von der Gebühr abschreiben. Außerdem kann die Politik über das Monopol Großhandelsgebühren leicht beeinflussen und so die Gewinne maximieren. Schon beim Einzelhandelsmonopol tat das Lázár schamlos durch eine gesetzlich "garantierte" Gewinnspanne von mindestens 10% (vorher 3-4%). Wie gesagt: nicht zu Gunsten der Staatskasse, sondern als Bonus für die ohnehin schon privilegierten Konnzessionsinhaber.

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Philip Morris hat sich über dieses protektionistische Gebaren nun bei der EU-Kommission beschwert, weil das Unternehmen eine Diskriminierung und einen Verstoß gegen Wettberwerbsregeln erkennt. Für Lázár ist das ein "Angriff auf Ungarn". Gleichzeitig stellte Philip Morris, gemeinsam mit JTI und Imperial Tobacco - ungefragt - ein Gegenangebot, das Konsortium würde ab sofort rund 8 Mio. EUR jährlich Konzessionsgebühr bezahlen. Das Angebot wurde natürlich umgehend als "illegal" zurückgewiesen.

János Lázár hatte schon als Bürgermeister von Hódmezövásárhely beste Beziehungen zu der dort ansässigen Tabán Trafik Zrt bzw. der Continental Dohányipari Csoport und ihrem Vorstandschef János Sánta, der als der "Tabakmagnat" Ungarns gilt. Dessen Berater sollen auch maßgeblich an der Ausarbeitung des "Trafikgesetzes" beteiligt gewesen sein, in dessen Umsetzung landesweit lokale Fideszgrößen bzw. deren Familien, Freunde und andere Strohmänner an die begehrten, weil lukrativen Lizenzen für Zigarttenläden kamen. Lázárs Familie soll mittelbar davon profitiert haben, genauso wie das Umfeld des Firmenchefs.

Dass nun auch der Großhandel vorteilhaft für Continental organisiert wird, knüpft die Bande zwischen dem Geschäftsmann und dem Politiker nur noch enger. Dem Deal folgt zwangsläufig der "Gefallen": Denn János Sánta kaufte gerade 49% der Anteile an der Tageszeitung Napi Gazdaság, für rund 240.000 EUR. Diese, einst renommierte Wirtschaftstageszeitung gelangte vor zwei Jahren
in die Hände regierungsnaher Unternehmer aus dem Umfeld der Századvég-Stiftung, eines "Think tanks", der für wertlose Studien Millionen öffentlicher Mittel kassiert und nach Aussagen eines ehemaligen Mitgründers, nichts weiter ist als eine "Geldwaschanlage", - eine Bezichtigung, die laut einem aktuellen Gerichturteil statthaft ist.

Századvég ist auch die Heimat von Regierungssprecher und
PR-Staatssekretär András Giro-Szász sowie des ominösen Árpád Habony, eine Art Geheimrat Orbáns für Schmutzkübelkampagnen, der gerade als Zampano einer Modern Média Group (MMG) ein neues Fidesz-Medieniperium errichtet - als Gegengewicht nicht nur zu linken und unabhängigen Medien, sondern vor allem zu den Zeitungen und TV-Sendern des in Ungnade gefallenen Oligarchen Simicska, der einen "totalen Medienkrieg" gegen Orbán  ausrief.

Durch die Übernahme der Napi Gazdaság wird das als künftiges "Zentralorgan" konzipierte Blatt sozusagen direkt zur Hauspostille Lázárs und damit Orbáns. Der 49% Anteil wanderte zwischenzeitlich an Gábor Liszkay weiter, Ex-Chefredakteur des Simicska-Blattes "Magyar Nemzet", der auf Orbán-Zuruf kündigte als sich dieser mit dem Oligarchen überwarf. Für seine Dienste wurde Liszkay inzwischen mit gut dotierten Posten im neuen Medienimperium belohnt - und eben mit dem Erlös aus dem Zeitungsverkauf.

Nebenbei wird gerade ventiliert, dass das von Eigentümer Magyar Telekom - auf Druck Lázárs - journalistisch ramponierte News-Portal www.origo.hu verkauft werden soll. MMG wurde für ein Angebot eingeladen...

 

Doch zurück zu den Machenschaften des "Tabakkollegiums". Die für den Binnenmarkt zuständige Kommissarin, Elzbieta Bienkowska, sagt rundheraus: "Nirgendwo in Europa ist es offensichtlicher als in Ungarn, dass nur Freunde der Regierung Tabakprodukte verkaufen dürfen." Daher strebt man nun direkt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein, sagte sie dem Portal index.hu. Bienkowska räumte ein, dass es eine Reihe von Ländern gibt, in denen der Staat Tabakmonopole hält, aber nirgendwo sind Lizenzen "so himmelschreiend" vergeben worden wie in Ungarn. Zwar spreche man "nicht notwendigerweise über Korruption" (weil das eher eine Sache nationaler Gerichte wäre), aber schlicht von Diskriminierung von Marktteilnehmern. Eine von Ungarn im Frühling angeforderte Erklärung der Regierung überzeugte die Kommission nicht.

Man braucht keine Sympathien für Tabakkonzerne oder das Auftreten von US-Unternehmen in Europa hegen, um zu erkennen, dass Lázárs Legende von den "Angriffen" nichts weiter als eine Aufforderung an seine Bürger ist, ihm den Rücken für illegale Machenschaften zu decken, die nichts weiter im Sinn führen als die Anhäufung illegaler Einnahmen zum Schaden der Steuerzahler sowie deren Manipulation durch regierungstreue Medien. Kurz gesagt: die Ungarn sollen als Steuerzahler nicht nur die Kosten der Korruption finanzieren, sondern auch die Lügen, die sie darüber aufgetischt bekommen, gefälligst selbst bezahlen...

red. / cs.sz.
 

 




 

 

 

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