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(c) Pester Lloyd / 02 - 2011  GESELLSCHAFT 14.01.2011

 

Für Freiheit und Vielfalt

10.000 bei Demonstration gegen das Mediengesetz in Budapest

Am Freitagabend fand in Budapest eine Demonstration gegen das neue ungarische Mediengesetz und gegen Demokratieabbau statt. Es ist die erste nennenswerte Protestkundgebung seit der Verabschiedung des vor allem im Ausland stark umstrittenen Gesetzes vor drei Wochen. Die Protestierer stellten klare Forderungen.  Kleinere Demos auch in Pécs und Wien.

Fotos: Pester Lloyd, Simon Rahdes

Auf dem Kossuth Platz vor dem Parlament versammelten sich nach Polizeiangaben um die 10.000 Menschen, andere Quellen schätzen zwischen 7.000 und bis zu 15.000, die offiziöse ungarische Nachrichtenagentur MTI sprach von "mehreren Tausend". Die Mobilisierung fand überwiegend über das Internet, u.a. das Portal Facebook statt, die Organisatoren verbaten sich explizit eine parteipolitische Vereinnahmung der Veranstaltung. Vereinzelt waren Transparente von Attac und Greenpeace zu sehen, die Stimmung war entschlossen, aber ruhig und kam ohne große Parolen und Aufheizungen aus. Die Zahl der Teilnehmer stellt für derzeitige ungarische Verhältnisse durchaus einen Erfolg dar, direkt nach der Verabschiedung des Gesetzes protestierten gerade ca. 1.500 Personen.

Die Redner, darunter Journalisten wie der aus dem Fernsehen bekannte Tibor Bakács und die in Ungarn populäre Schauspielerin, Dorka Gryllus sowie der Songwriter János Bródy (er sang Lieder, die er aus ähnlichem Anlass schon vor 40 Jahren gesungen hatte...) forderten vor allem die Rücknahme der Möglichkeiten von "willkürlichen und unverhältnismäßigen Strafen", die vom politisch einseitig besetzten Medienrat nach eigenem Urteil verhängt werden können. Außerdem müsste die "Unabhängigkeit der Redaktionen" im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährleistet werden und der Quellenschutz gesichert sein.

Das neue Gesetz sieht hingegen vor, dass die Nachrichtenagentur MTI in Zukunft alle Nachrichteninhalte für die öffentlichen Anstalten produziert und Quellen bei Fragen der "nationalen Sicherheit" auf Anforderung des Medeinrates offenzulegen sind. Es wurde dazu aufgerufen, Premier Orbán massenhaft Emails zu senden und ihn zur Einhaltung der Grundrechte und zur Rücknahme dieses Mediengesetzes aufzufordern. Weiterhin erklärte man seine Solidarität mit den wegen ungehörigen Protestes vom Dienst suspendierten Kollegen des staatlichen Rundfunks.

Die Medienbehörde NMHH reagierte bereits auf die ihr übersandte Protestresolution, die während der Demo nochmals symbolisch an das Tor des Parlamentes geschlagen wurden. Man nehme die Anmerkungen und Forderungen der Bürger ernst, weise das Ansinnen aber inhaltlich als unbegründet zurück. Die Veranstalter haben für den 27. Janaur eine weitere Kundgebung angekündigt, die über die Forderungen bezüglich des Mediengesetzes hinausgehen soll.

Rund 200 Menschen protestierten aus gleichem Anlass am Freitag in Pécs. In Wien versammelten sich, auf Initiative des Österreichischen Journalistenclubs, dem sich weitere Medienorganisationen anschlossen, zur gleichen Zeit wie in Budapest rund 200 Demonstranten vor der Ungarischen Botschaft in der Bankgasse. Der Botschafter nahm eine Unterschriftenliste der Protestierer mit den Worten an, dass sein Land die Presse- und Meinungsfreiheit respektiert und das Gesetz diesen Freiheiten nicht entgegensteht.

red.

Gedämpfter Bürgerprotest

Ein Bericht von unserer Reporterin Luisa Stock

Zum offiziellen Beginn um 18.00 Uhr erinnerte das Szenario vor der prächtigen Kulisse des Budapester Parlaments nur bedingt an eine Demonstration. Gemächlich pendelten die Teilnehmer von der Metrostation zum Kossuth tér, der sich bis zum Ende nicht ganz füllen sollte. Das Publikum war sehr durchwachsen, viele Familien und ältere Menschen waren vor Ort, abr auch immer wieder Gruppen von jungen Leuten.

Von einer "Generation Facebook" wie im Vorfeld verlautbart, war allerdings wenig zu sehen, eher machten die meisten Leute den Eindruck von ganz normalen Durchschnittsbürgern, vielleicht mehr Studierte als bei anderen Demonstrationen in Ungarn in letzter Zeit. Nichts deutete darauf, dass die Masse "vom politischen Gegner aufgehetzt" war, so wie sie Ministerpräsident Orbán am Montag in der Bild-Zeitung diskreditierte. Im Gegenteil, es ging auffallend ruhig und besonnen zu. Parteipolitik hatte man sich strikt verbeten.

„Früher war das politische Interesse der Jugend größer“ denken einige, einer der Anwesenden vermutet, dass es dieser aufgrund einer anderen Erfahrungswelt als der ihrer Eltern und Großeltern am Bewusstsein dafür mangelt, was eine Bedrohung der Demokratie tatsächlich bedeuten kann. So muss wohl die ältere Generation vorerst die junge Demokratie schützen. Es kommt die Frage auf, wo die mittlerweile 71.316 Mitglieder des ungarischen Facebookprofils „Eine Million Menschen für die ungarische Pressefreiheit“ geblieben sind. So bekam auch der Rapper, welcher nach der Eröffnung des Bühnenprogramms eine musikalische Einlage zum Besten gab, nur bedingte Resonanz.

Danach wurde das Programm innerhalb von einer halben Stunde abgewickelt, begleitet von für eine Demonstration nur durchschnittlichem Applaus und vereinzelten Bestätigungsrufen. Es wurde die zuvor auf der offiziellen Homepage zur Demo www.iprotest.hu veröffentlichte Resolution verlesen, in welcher der ungarischen Regierung Machtmissbrauch und die Untergrabung der Demokratie vorgeworfen und an die Europäische Union appelliert wird, sich aktiv für die Gewährleistung der demokratischen Grundrechte in allen Mitgliedsstaaten einzusetzen. Als diese schließlich in Anlehnung an Luthers Thesen symbolisch an der Rückwand der Bühne angeschlagen wurde, stieg die Stimmung im Publikum noch einmal, obwohl auch dann nicht mal eine Trillerpfeife zu hören war.

Es wirkte ein bisschen so, als bestand die Demonstration vorwiegend aus neugierigen Bürgern und weniger aus aktiven Demonstranten. Die jungen Menschen und Nichtregierungsorganisationen, welche in der Regel den dynamischen Kern einer Demonstration ausmachen, hielten sich am Rand, manche von ihnen schienen nur zufällig vorbeigekommen zu sein. Greenpeace hielt ein Banner in der Zuschauerperipherie empor, in dem auf den Zusammenhang zwischen Umwelt und Pressefreiheit hingewiesen wurde. Vielleicht war Freitagabend schlichtweg eine ungünstige Terminwahl, aber im Vergleich zur ausländischen Medienresonanz auf die politischen Entwicklungen in Ungarn entsprach die zahlenmäßige und emotionale Beteiligung nicht dem, was man in Anbetracht des Gewichts der Thematik erwartet hätte. Zwischenzeitlich erinnerte das Ganze eher an eine Art Pflichtprogramm, die Menschen standen vor der Bühne aufgereiht, hörten sich das Gesagte an und applaudierten ordnungsgemäß.

Die Budapester Polizei war offensichtlich darauf vorbereitet, dass die Veranstaltung kleiner als die auf Facebook angekündigten „fast Hunderttausend Besucher“ werden wird, so hielt sich ihre Präsenz stark zurück und sie umringten das Gelände in vereinzelten Dreiergrüppchen. Nach dem Ende des Bühnenprogramms schien dann auch alles Wichtige gesagt und die Anwesenden entfernten sich durch die Alkotmány utca langsam vom Parlament. Der leidenschaftlichste Ausspruch des Abends war wahrscheinlich die Plakataufschrift „Our democracy is too young to die“. So gehen durchaus Ängste durch die Bevölkerung. „In einem halben Jahr wurden die demokratischen Errungenschaften unseres Landes wieder zunichte gemacht“, meint ein älterer Herr.

Die Problematik, auch des mangelnden Einflusses solcher Veranstaltungen, vermuten die Meisten in der politischen Teilung des Landes. Viele beobachten die Maßnahmen der Orbán-Regierung mit Angst und Skepsis, doch gleichsam gibt es auch die Anhänger der Fidesz-Regierung, welche Einschränkungen ihrer persönlichen Grundrechte für vermeintliche Aussichten auf eine bessere finanzielle Situation in Kauf nehmen. „Ungarns politische Kultur ist in einem sehr schlechtem Zustand“, meint ein aus Ungarn stammender Kölner. Es fehlt an konstruktiven Debatten, statt politischen Gegnern gibt es politische Feinde im Land und die Rolle der Opposition ist viel zu schwach. Die Sozialisten haben verspielt und die grüne LMP ist zu klein, als dass sie ernst genommen wird. Und in Anbetracht nach wie vor kritikloser Orbán-Befürworter fehlt der Adressat der Gegenbewegung, welche durch die Weiten des Internets zwar international gehört wird, sich jedoch hoffentlich nicht bloß online abspielt.

Luisa Stock

THEMENSEITE MEDIENGESETZ

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