(c) Pester Lloyd / 18 - 2011
POLITIK 06.05.2011
Lehrer bereiten Streiks vor
Gerüchte über Schließung von Hochschulen in Ungarn
Die ungarischen Lehrer bereiten sich jetzt konkret auf Streiks vor. Fünf ihrer Gewerkschaften formten ein Streikkomitee, um den Druck auf die Regierung zu
erhöhen. Sie wollen Mitreden bei einer Bildungsreform und sie wollen mehr Geld. Die “indirekte” Schließung von Hochschulen scheint ausgemachte Sache.
Dabei geht es auch um die angekündigte Erhöhung der Arbeitszeit für Lehrer um bis zu 30% bei gleichem
Lohn, vor allem aber um eine Mitsprache von Lehrern bei der angekündigten Umgestaltung der Bildungspolitik. Der Chef der Lehrergewerkschaft PDSZ, Lászlo Mendrey, wünscht ausdrücklich ein
Verhandlungsergebnis mit der Regierung, warnt aber davor, so tiefgreifende Veränderungen ohne eine Mitwirkung der wichtigsten Träger des Bildungssystems durchzuziehen.
Sparpläne machen auch weiteren Bereichen des öffentlichen Dienstes zu schaffen
Das neue Ideal einer “Universität”? An der Széchenyi-Uni in Györ überwiegen technische Berufe, der
Großinvestor Audi braucht schließlich Nachwuchs und betreibt und finanziert sogar einen eigenen Campus. Universelle Bildung, wie sie einmal gedacht war, scheint nicht mehr zeitgemäß...
Nach ungefähren, aber immer noch diskutierten Plänen der Bildungsstaatssekretärin Rózsa
Hofmann, soll das Bildungswesen effizienter, praxisnäher und für den Staat günstiger werden. Dabei stand gerüchteweise auch die Schließung von 13 der landesweit 29 Hochschulen bzw.
Universitäten im Raum, was die KDNP-Politikern (ein christlich-fundamentalistisches Anhängsel des Fidesz) halbherzig dementierte. Sie sagte auf
entsprechende Pressemeldungen "niemand hat die Absicht Universitäten zu schließen", ergänzte aber, dass ja "eine Fusion" nicht automatisch die Schließung einer Einrichtung
zur Folge haben müsste, außerdem hätten jene Einrichtungen, die zukünftig ohne Staatsgelder auskommen müssten "immer noch die Möglichkeit als Privatinstitut
weiterzubestehen." Damit dürfte deutlich sein, dass einige Institutionen auf der Abschussliste stehen.
Während eine Reorganisation des Bildungssystems von allen Experten angeraten wird,
fürchten viele, dass die Regierungspartei in ihrer Verachtung der Geisteswelt die Gunst der Stunde nutzen wird, um die politische Zentralisierung und ihre ideologische
Kaderpolitik umzusetzen, so wie das bereits in vielen anderen Bereichen belegbar ist. Gegen die ersten Pläne von Hofmann gab sogar seltene Kritik aus den Reihen des Fidesz,
wo Politiker die Kompetenz der Staatssekretärin indirekt in Zweifel zogen.
Die Gewerkschaften merken zudem an, dass der Sparkurs der Regierung sowie die schlechte
Finanzsituation der Kommunen dazu führt, dass immer mehr Schulen geschlossen oder in zweifelhafte Trägerschaften, vornehmlich der Kirchen gegeben werden. Damit einher
geht ein Exodus der Lehrer, der vor allem die besten betrifft, die sich in die Privatwirtschaft absetzen und so für immer für das System verloren gehen. Das
Streikkomitee hat in einem Brief an Premier Orbán dazu aufgefordert einen Regierungsbeauftragten zu benennen, der zu Verhandlungen ermächtigt wird. Termin: Dienstag.
red
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