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(c) Pester Lloyd / 34 - 2011  POLITIK 25.08.2011

 

POLITIK & GESELLSCHAFT

Nachrichten aus Ungarn

Oberster ungarischer Richter gegen Rechtebeschneidung bei Verdächtigen

Der Präsident des Obersten Gerichtshofes, András Baka (Foto), hat beim Verfassungsgericht die Anullierung einiger Gesetzesänderungen der Orbán-Regierung beantragt. Er beruft sich dabei auf Feststellungen aus seinem Hause, die "nicht verfassungsmäßige" Regelungen erkennen. (Hier mehr zu dem Statement der Obersten Richter) Konkret geht es darum, dass zukünftig der Generalstatsanwalt das Recht bekommen soll, zu entscheiden, welches Gericht für welchen Fall zuständig ist. Auch die Ausweitung der Dauer einer vorläufigen Festnahme von 72 auf 120 Stunden, wobei in den ersten 48 Stunden sogar ein Anwalt verweigert werden kann, wird vom Obersten Gericht als nicht rechtsstaatlich angefochten. Zudem könnte die Regelung gegen internationale Verträge verstoßen, denen Ungarn verpflichtet ist. Hier mehr zu diesem Thema.

Sogar Arbeitgeber fordern Regierung zum Dialog mit Arbeitnehmern auf

Gewerkschaften, grün-liberale und sozialistische Oppostion sind sich einig in ihrer Ablehnung des neuen Arbeitsrechtes. Die von der Orbán-Regierung eingebrachten Vorschläge würde eine neue Klasse von "Leibeigenen" und "ernsthafte soziale Spannungen" schaffen. Arbeitgeber bekämen einen Freifahrtsschein dafür, ihre Angestellten nach gut Dünken zu behandeln. Die Oppositionsparteien unterstützen den ersten großen Protest von vier der sechs Gewerkschaftskonföderationen am 12. September in Budapest vor dem Parlament. Einen ausführlichen Beitrag zum Thema neues Arbeitsrecht, Streikrecht, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und den Befindlichkeiten der Gewerkschaften finden Sie hier. Darin ist auch eine Liste der wichtigsten Änderungen im Arbeitsrecht einsehbar. Orbáns Sprecher kommentierte die Klage der Opposition mit den Worten "Wer nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit eines neuen Arbeitsrechts zu verstehen, ist offensichtlich für die Arbeitslosigkeit." Er machte das derzeitige gültige Arbeitsrecht dafür verantwortlich, dass "die Zahl der Arbeitenden Jahr für Jahr gesunken ist". Besonders erfreut zeigten sich indes die Vertreter der Arbeitgeber, die meinten, man werde so bedeutend wettbewerbsfähiger sein, da man sich nun schnell an wecheselnde Marktbedingungen anpassen könnte. Doch selbst die Vertreter der Bosse mahnten die Regierung, dass man auch die Arbeitnehmer in Gespräche über den besten Weg einbinden sollte.

LMP will Geheimniskrämerei der Regierung in punkto China gerichtlich unterbinden

Die oppositionelle Parlamentspartei LMP wird den Gerichtsweg beschreiten, um an sechs unter Verschluss gehaltene Regierungsvereinbarungen zwischen Ungarn und China zu kommen. Die LMP kann sich die Geheimniskrämerei der Regierung nicht erklären und verlangt, dass die Abkommen, unterzeichnet anlässlich des Besuchs des chinesischen Premiers am 25. Juni, öffentlich gemacht wird, da es auch im öffentlichen Interesse sein müsste. Das Amt des Ministerpräsidenten verweigert beharrlich dessen Herausgabe, Minister Fellegi gewährte bisher lediglich zu einigen Abkommen Einblick. Er sprach davon, dass man die "langfristigen Interessen der Nationalökonomie" im Auge haben müsse. Es ist zu vermuten, dass in den Abkommen Nothilfen bei der Schuldenfinanzierung sowie der mögliche Ankauf von Staatsanleihen durch die Chinesen im Tausch für lukrative Invesitionesbedingungen verhandelt ist. Mutmaßlich können solche Absprachen natürlich gegen EU-Recht verstoßen, weshalb eine Geheimhaltung dann tatsächlich im "Interesse der Nation" ist. Ganz zufällig ging vor wenigen Tagen der Zuschlag für 74% am Airport Debrecen an ein chinesisches Unternehmen, Xanga. Für einen Spottpreis erhielt man die Betriebsgenehmigung für zunächst 75 (!) Jahre.

Ungarn buhlt weiter um Sitz im UN-Sicherheitsrat

Das ungarische Außenministerium ist weiter auf Stimmenfang um einen nichtständigen Platz im UN-Sicherheitsrat für die Saison 2012/13. Dazu reisen Diplomaten derzeit im Inselhopping über den Pazifik, um diplomatische Beziehungen mit "möglichst allen UN-Mitgliedern" aufzunehmen. Denn in der UN-Generalsversammlung zählt die Stimme von Nauru genauso viel wie die der USA. Demnächst weden "diplomatische Verbindungen" mit Nauru, Samoa, Kiribati, Palau, Vanuatu, Tuvalu, Tonga, Mikronesien, Papua Neu Guinea, den Salomon Inseln und den Marschall-Inseln aufgenommen, ist aus dem Amtsblatt zu erfahren gewesen. Allerdings können sich nun nicht Dutzende Fidesz-Getreue Hoffnungen auf einen Botschafterposten in der Südsee machen, denn die Vertretung der Kleinstaaten übernimmt die ungarische Botschaft in Australien mit. Je nach Notwendigkeit, spendiert die ungarische Regierung den Inselstaaten auch noch Wasserentsalzungsanlagen, Stipendien und sonstige Annehmlichkeiten, um sich die Stimmen zu sichern.

Ungarn hat 1500 mehr Häftlinge als vor einem Jahr

Die Zahl der Gefängnisinsassen in Ungarn stieg binnen eines Jahres um 9% an. Das teilte das Innenministerium der offiziösen Nachrichtenagentur MTI mit. Derzeit sitzen 17.300 Menschen in ungarischen Knästen, 5.000 befinden sich derzeit in U-Haft. Die Quote liegt damit bei 138 Gefangenen pro 100.000 Einwohner (USA: 750, Österreich: 105, Rumänien: 164, Türkei: 91, Deutschland: 91). Lediglich 6% der Insassen sind Frauen. Womit der Anstieg zu erklären ist, teilte das Innenministerium nicht mit, eine frühere Statistik weist auf einen Anstieg von Eigentumsdelikten hin, vor allem Raub und Seriendiebstahl habe zugenommen.

Ex-Minister mit Traktor verunglückt

Der ehemalige Minister der Antall-Regierung, Jenő Gerbovits, starb am Mittwoch bei einem Unfall mit seinem Traktor auf seinem Landgut im Komitat Somogy. Gerbovits war 1990/91 als Vertreter der Kleinlandwirte Minister in der Wenderegierung von József Antall und für Entschädigungen für vom Staat an ihrem Eigentum durch Zwangsenteignungen und Beschlagnahme geschädigte Bürger zuständig. Der 87jährige stürzte mit seinem Traktor über eine Furche und starb noch an der Unfallstelle.

red.

 

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