(c) Pester Lloyd / 50 - 2011 WIRTSCHAFT 14.12.2011
Gewinner und Verlierer der Chipssteuer in Ungarn
Die Besteuerung "ungesunder Lebensmittel", vulgo
"Chipssteuer" oder auch "Fat tax" in Ungarn, wurde im September eingeführt und zwischenzeitlich nochmals angehoben. Die Regierung meldete gestern
erste Erfolge. "Die Erwartungen wurden weit übertroffen". Was nicht bedeutet, dass der Konsum der ziemlich inkonsequent ausgewählten Produkte
zurückgegangen ist, was erklärktes Ziel war, sondern: die Steuereinnahmen sprudeln. 42.000 Mitarbeitern des Gesundheitswesens beschert das, je nach Gehaltsklasse, bis 16.
Dezember eine Weihnachtsprämie von 21.000 bis 90.000 Forint (70.- bis 290.- EUR), insgesamt werden dafür 3,4 Mrd. Forint ausgegeben (11,2 Mio. EUR). Obwohl zu
bezweifeln ist, ob diese Gabe viele der Ärzte, die ihren baldigen Abgang aus dem System angedroht haben, halten kann. Für die Staatskasse bleiben (per Ende November) noch 2,3
Mrd. Forint hängen. Wie sich das Konsumverhalten bei den zusatzbesteuerten Lebensmitteln verändert hat, teilt die Regierung bisher nicht mit.
Dafür hat die Industrie erste Konsequenzen gezogen. Der traditionsreiche
Schokoladenhersteller Bonbonetti teilt mit, dass er eine Staatsbeihilfe von 150 Mio. Forint zurückgegeben hat und eine geplante Investition von 450 Millionen Forint zum Ausbau
seines Werkes in Nagykanizsa storniert. Das Unternehmen, das übrigens 1868 von einem Magdeburger gegründet wurde, hat ausgerechnet, dass es im nächsten Jahr rund 800 Mio.
Forint (2,63 Mio. EUR) Sondersteuer abführen muss, dabei aber, aufgrund der internationalen Konkurrenzsituation und der einheimischen Einkommenslage, die Preise
nicht entsprechend anheben kann. "Globale Player können eine Weile eine solche Sonderabgabe wegstecken, lokale Erzeuger nicht", meint Bonbonetti, das 2010 mit 700
Mitarbeitern kanpp 40 Mio. EUR Umsatz erwirtschaftete, u.a. auch mit Energydrinks.
Auch die gesundheitlich erzieherische Wirkung der Steuer wird allgemein angezweifelt,
zumal viele Produkte aus patriotischer Rücksichtnahme verschont geblieben sind, abgesehen davon, dass Sanktionen noch kein Volk gesünder gemacht haben.
Zum Thema:
In die Magengrube - Juni 2011
Exemplarisch absurd: die neue "Hamburger-Steuer" in Ungarn http://www.pesterlloyd.net/2011_25/25hamburgersteuer/25hamburgersteuer.html
Änderungen an der "Chipssteuer" in Ungarn geplant - 28.10. http://www.pesterlloyd.net/2011_43/43chipssteuerAenderungen/43chipssteueraenderungen.html
Nestlé Ungarn halbiert Gewinne - 9.12. http://www.pesterlloyd.net/2011_49/49nestle/49nestle.html
IN EIGENER SACHE
Der PESTER LLOYD möchte sich verbessern - Helfen Sie mit?
Liebe Leserinnen und Leser in Nah und Fern, liebe Freunde des Pester Lloyd!
Vor zweieinhalb Jahren haben wir den Pester Lloyd
auf eine Online-Tageszeitung umgestellt. Ein Projekt, das sich erfolgreicher entwickelte, als wir das erwarten konnten. Um auf der Höhe der Zeit zu
bleiben und noch mehr unabhängigen Journalismus aus der Mitte Europas bieten zu können, brauchen wir Ihre Hilfe...
ZUM BEITRAG
|
|
|