(c) Pester Lloyd / 51 - 2011
POLITIK 20.12.2011
Orbán: Devisenreserven statt IWF-Kredit für Ungarn
Sollte die ungarische Regierung "wegen der Einwände Brüssels" kein neuerliches
Kreditabkommen mit dem IWF hinbekommen, werde man notfalls die Devisenreserven der Nationalbank zur Erreichung der Haushaltsziele einsetzen. Diese Aussage von Premier
Orbán wird von "regierungsnahen Kreisen" aus einer geschlossenen Fraktionskrisensitzung der Regierungspartei Fidesz am Montag kolportiert.
Orbán soll demnach weiter darauf bestehen, die Flat tax in der Verfassung zu verankern,
obwohl EU-Kommissionspräsident Barroso, der in der Vergangnheit sehr milde mit dem Regime in Budapest umgegangen war, Orbán ausdrücklich um einen Verzicht dieser Verankerung gebeten hatte.
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Die Flat tax
von 16% auf alle Einkommen, die von der Budapester Regierung fälschlicherweise als
"proportionale Besteuerung" bezeichnet wird, ist Teil des "Paketes zur finanzellen Stabilität", das als
"Kardinalsgesetz" in der Verfassung verankert ist, d.h. der Steuersatz kann auch in Zukunft nur mit
2/3-Mehrheit geändert werden. Sie ist Teil einer konsequenten Umverteilungspolitik zugunsten der
Besserverdienenden, einer imaginären Mittelklasse als zukünftigem Rückgrat der Fidesz-Herrschaft, eine Klientelpolitik, die eindeutig und in barer Münze ausrechenbar auf Kosten der unteren
Einkommensschichten geht. Zudem hat sie bisher schon Steuermindereinnahmen von rund 500 Mrd.
Forint bewirkt, die durch andere "unorthodoxe Maßnahmen" kompensiert werden müssen. Kritikern gilt
sie als eine der größten Fehlentscheidung dieser Regierung, zumal die bevorzugte Zielgruppe ihre horrenden Mehreinnahmen (die Schere zwischen unteren und oberen Gehaltsgruppen ging binnen
Jahresfrist um 37% weiter auseinander), weder investiert noch konsumiert, sondern lediglich beiseite schafft.
Barroso bat Orbán in einem zweiseitigen, persönlich gehaltenen Brief inständig: "Lass uns
zusammenarbeiten, um die Gesetze kompatibel mit den Regeln der EU zu machen." Er machte klar, dass weder das erstegenannte, noch das Nationalbankgesetz (das eine
Fusion mit der Finanzaufsicht und die Entmachtung des Gouverneurs vorsieht) mit EU-Recht vereinbar seien. Außerdem zeigte er sich enttäuscht, dass Ungarn vor der
Anrufung des IWF nicht mit der EU darüber gesprochen habe.
Orbán soll sich auf der Fraktionssitzung sehr kämpferisch gegeben haben und bereits davon ausgehen, dass die
Gespräche mit dem IWF scheitern werden. Er habe keine Probleme damit, die rund 35 Mrd. EUR der Zentralbank zur "Sicherung der Liquidität Ungarns" einzusetzen. Im übrigen
sei “sein” Land nicht Italien, er nicht Berlusconi, er habe eine 2/3-Mehrheit hinter sich und keine Absicht zurückzutreten, soll er denjenigen ausgerichtet haben, die ihn an seine
Ankündigung erinnerten: "Wenn der IWF zurückkommt, werde ich gehen." Orbán zur vorzeitigen Abreise der IWF-Delegation: "Wir sollten zu Ende bringen, was wir angefangen
haben."
Zum Thema:
Pest gegen Cholera
Ungarn und der IWF spielen griechische Tragödie
red.
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