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(c) Pester Lloyd / 05 - 2012      KULTUR 02.02.2012

 

Filmkunst und Feigenblatt

Der Berlinale-Beitrag aus Ungarn wurde in Budapest präsentiert

Am Mittwoch wurde der neue Film von Bence Fliegauf „Csak a szél“ („Just the Wind“) präsentiert, der es in den Wettbewerb der Berlinale 2012 geschafft hat. Der Film thematisiert die Mordserie an ungarischen Roma in den Jahren 2008/2009 und seine Präsentation und Förderung war der ungarischen Regierung ein wichtiges Anliegen. Ob aus innerer Überzeugung, Selbstdarstellung, gar als Feigenblatt, das sollten zwei Interviews zeigen, die wir im Anschluss mit zwei Regierungsvertretern führten.

Der Film „Csak a szél“ („Just the Wind“) thematisiert die 2008 und 2009 stattgefunden Romamorde in Ungarn. Gezeigt wird ein Tag im Leben einer vierköpfigen Romafamilie, welche auf einem abgelegenem Hof in Ungarn lebt. Die Handlung ist fiktiv, der Film wurde im ungarischen Alföld (Tiefebene) gedreht, dabei setzte Fliegauf, wie schon in seinen vorherigen Filmen, vor allem auf Amateurschauspieler. Eine ausführliche Inhaltsangabe, Darsteller, Produktion im Katalog der Berlinale.

Aufgrund der strengen Regelungen des Berliner Festivals durfte nur ein zweiminütiger Ausschnitt des Dramas gezeigt werden, das am 16. Februar während eines Gala Screenings im Berliner Palast seine Weltpremiere feiern wird. Die Rollen der Produzenten und Gäste der internationalen Pressekonferenz waren klar verteilt. Erstere sollten sich freuen, über die Förderung und die Nominierung, beides taten sie zurecht.

Der 1974 geborene Bence Fliegauf gilt, zunächst Autodidakt, als einer der führenden Figuren der neuen Generation ungarischer Filmemacher. Bereits mit seinem Spielfilmdebüt „Rengeteg“ (2003), für welchen er sogleich mit dem Wolfgang-Staude-Preis des Jungen Forums der Berlinale ausgezeichnet wurde, erregte er internationale Aufmerksamkeit, weitere preisgekrönte Filme („Dealer“ (2004), „Milky Way“ (2007), „Womb“ (2010) u.v.a.) folgten. Mit der Nominierung von „Csak a szél“ ist Fliegauf am vorläufigen Höhepunkt seiner internationalen Anerkennung angelangt. Im Laufe der letzten zehn Jahre schafften es lediglich drei ungarischen Filme in den Wettbewerb des Berliner Filmfestivals, so steht Fliegauf nun z.B. mit Béla Tarr in einer Reihe, der mit seinem Film „Das Turiner Pferd“ letztes Jahr den Silbernen Bären gewann. (in dessen Folge es zum Skandal kam)

Neben dem Jubel über die Berlinale-Teilnahme, die den rote Faden der Präsentation darstellte, wurden einige Details bekannt gegeben. So sollte die Produktion bereits 2010 starten, musste aber wegen des Förderstopps in Ungarn und der Implementierung eines "neuen Systems" warten. Die Produktionskosten des Filmes beliefen sich auf ca. 150 Millionen Forint (ca. 515.000 €). Insgesamt 65-70 Millionen Forint (ca. 230.000 €) kamen aus ungarischen Förderquellen (u.a. ungarische Staatslotterie, Ungarische Elektrofirmen, Atomkraftwerk Paks, u.a.), 5 Mio. Forint kamen vom Büro Balogh, den Rest habe man mit Hilfe von deutschen und französischen Partnern und der europäischen Filmförderung auftreiben können.

Die Regierung hatte eigens zwei Vertreter entsandt, Staatssekretär Zoltán Balogh, zuständig für soziale Integration, sprich: Romafragen. Er wollte zeigen, wie engagiert sich die Regierung um die Roma kümmert, der andere, Andrew G. Vajna, Regierungsbeauftragter für das "neue System" der Filmförderung, bemühte sich um einen professionellen Eindruck des Fördersystems. Beides hinterfragten wir in Kurzinterviews im Anschluss, die wohl nicht ganz so verliefen wie sich das die PR-Strategen aus dem Ministerium für öffentliche Verwaltung und Justiz - denn die organisierten die Schau - vorgestellt hatten. Der Lack war schneller ab, als gedacht.

 

Staatssekretär Balogh befragten wir im Anschluss an die Präsentation zur Diskrepanz von Kulturförderung mit prestigeträchtiger Außenwirkung, der "nationalen Romastrategie" auf dem Papier und der Wirklichkeit in ungarischen Dörfern. Während er vollen Einblick in die Problemlage und Empathie für die Sache bewies, verrennt er sich bei der Umsetzung in kaum auflösbare Widersprüche, leugnet Fakten und verteidigt am Ende, was nicht zu verteidigen ist. ZUM INTERVIEW

 

Filme mit “Mehrwert”

Im Gespräch mit Andrew G. Vajna

Mit Andrew Vajna, bekannt als Produzent u.a. von „Terminator“, „Stirb Langsam“ und anderen Filmen, versuchten wir im Anschluss an die Fliegauf-Präsentation eine Vertiefung der Frage, wie objektiv, wie unparteiisch staatliche Filmförderung sein kann. Vajna, der von seinem Freund Orbán per Dekret zum Regierungsbeauftragten für die Neugestaltung der staatlichen Filmförderung ernannt wurde, machte uns in lockerem Hollywood-Ton klar, dass er keine wirklichen Antworten zu geben bereit war. Ob dass "neue System" Selbstzensur Tür und Tor öffnet, wie Filmemacher fürchten, weil der Film in Ungarn einen amtlichen Zweck erfüllen soll, kann man vermuten, die Zeit wird es zeigen.

Pester Lloyd: Herr Vajna, wie schätzen sie den neuen Fliegauf-Film "Just the wind" ein?

Andrew G. Vajna: Es nicht meine Aufgabe, dass zu bewerten, ich habe den Film auch noch nicht gesehen, nur Ausschnitte. In erster Linie freuen wir uns einfach sehr darüber, dass er für die Berlinale nominiert wurde, in Berlin werden wir ihn uns dann anschauen.

Die "Message" muss stimmen in Zukunft, haben sie mal gesagt.

Die Thematisierung sozialer Probleme ist in Ländern wie Ungarn eine wichtige Angelegenheit, aber uns ist auch wichtig, dass die Filme nicht nur kritisieren, sondern das da noch ein bisschen Mehrwert sein sollte.

Und das wird dann die Filmbehörde entscheiden in Zukunft?

Natürlich, auf Basis der Drehbücher.

Was genau hat es mit dem "final cut" auf sich?

Da geht es um die Endfassung. Das kommt aber nur zur Anwendung, wenn ein Film mit über 50%-iger Unterstützung von staatlichen Geldern finanziert wird, dann treten wir ein, wie ein Koproduzent, also nicht nur als Unterstützer, sondern als Koproduzent, um den Film realisieren zu können. Dann gibt es diesen "final cut".

Bei unter 50%-iger Unterstützung gibt es also keinen "final cut". Machen Sie dann auch Vorschläge, dies und jenes zu ändern....?

Nein, das Drehbuch ist die Basis, wenn das Drehbuch gut ist, dann ist es egal, ob die "Message" jetzt regimekritisch oder regimefreundlich ist, das ist egal, es gibt hier Meinungsfreiheit! Wir reden nicht hinein, was die Filmleute sagen oder machen wollen. Wir bewerten nur, ob es ein professionelles Drehbuch ist, aus welchem man ein professionellen Film machen kann.

Die Message muss also stimmen und es muss professionell sein. Und das bewertet dann Ihre staatliche Behörde. - Inwiefern hat sich ihre Aufgabe verändert, sie waren lange in Hollywood, nun sind sie Regierungsbeauftragter in Ungarn...

Also Film ist Film!

Aber sind Hollywoodfilme nicht sehr anders, als der Durchschnitt der ungarischen Filme?

Dann kennen Sie meine Filme nicht, die ich gemacht habe, es sind viele Hollywoodfilme dabei, die große Blockbuster waren (Terminator, Stirb langsam, etc. Anm. d. Red.), aber auch viele Filme wie "Angel Heart", "Jacob´s Ladder", "Music Box" (Goldener Bär 1990), "Nixon" usw... also eine ziemlich bunte und breite Palette...

Soll das “neue System” in Ungarn jetzt marktgerechtere Filme produzieren?

V: Mein Glaube ist, dass der Autorenfilm, wenn man ihn einem Publikum öffnen kann, genauso erfolgreich sein kann, wie jeder andere Film. Also das Ziel ist es diese beiden Extreme ein bisschen näher aneinander zu bringen.

Sie haben gesagt, dass 2012 die Förderung für die versprochenen 10 Filme pro Jahr klappen könnte, wird daraus wirklich etwas?

V: Also drei sind schon sicher, und wahrscheinlich kommen noch 3,4,5 dazu dieses Jahr.

Text und Interview: Christian-Zsolt Varga

 

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