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(c) Pester Lloyd / 20 - 2012     POLITIK 16.05.2012

 

Schuld sind immer die Anderen

Parlamentsbericht macht Medien und Bürgerrechtler für rassistische Eskalation in Ungarn verantwortlich

Am Montag veröffentlichte das ungarische Parlament einen Bericht, der die Hintergründe der rassistisch motivierten Vorkommnisse in Gyöngyöspata vergangenes Jahr beurteilen sollte. Schuld an der Eskalation sind sind danach vor allem Bürgerrechtsgruppen und (ausländische) Medien, ein bisschen auch die Neofaschisten, keinesfalls aber die Regierung. Der Rassismus in Gyöngyöspata lebt heute unter einem Jobbik-Bürgermeister weiter, nun sogar mit amtlicher Unterstützung.

Als “Bürgerwehren” verkleiderte Neonazis riegeln Wohnhäuser der Roma in Gyöngyöspata ab, die Polizei schaut von weitem zu. Schuld sind Liberale und Medien...

Rechtsextreme paramilitärische Gruppen, unterstützt von und vernetzt mit der Parlamentspartei Jobbik, hatten ab März 2011 in dem kleinen Ort Gyöngyöspata über Wochen die Polizeihoheit an sich gerissen, Patrouillen in der Stadt abgehalten und die einheimische Roma-Bevölkerung durch Absperrungen, Personenkontrollen, Drohungen und sonstige nötigende Aktivitäten terrorisiert. Gyönyöspata wurde von Jobbik zum Aufmarschgebiet, zum Exempel und zur Bühne für ihren "Kampf gegen die Zigeunerkriminalität".

Die Verantwortlichen bei Regierung und Polizei hingegen unternahmen lange Zeit nichts, um den Konflikt zu entschärfen und spielten damit genau der Argumentation der Neonazis in die Hände, dass der Staat nicht in der Lage sei, "die Ungarn" vor "den Zigeunern" zu beschützen, man daher flächendeckend die Dinge selbst in die Hand nehmen sollte, am besten durch Schaffung einer ländlichen Miliz wie damals unter Horthy.

Vor einer zu befürchtenden Eskalation durch ein Wehrsportlager wurden Hunderte Romafrauen und Kinder durch eine Privatinitiative evakuiert, die Regierung sprach sodann von einem "organisierten Osterausflug". Erst nach Wochen stellte die Polizei die staatliche Ordnung wieder her, später nahm sich der Führer der "Bürgerwehr" das Leben, ein Anlassgesetz sollte für die Zukunft solche Aktionen verhindern, was aber nicht einmal im Ansatz gelingt, wie u.a. die Veranstaltung am letzten Samstag in Budapest zeigte, ebenso wie zuvor etliche andere in der Provinz.

Mehr zu den Vorkommnissen und ihrer Aufarbeitung:
Machtergreifung: Neonazis übernehmen Polizeigewalt in ungarischem Ort
Die Unbelehrbaren: Gyöngyöspata und die "Zigeunerfrage" in Ungarn
Anlassgesetz: Ungenehmigte "Bürgerwehr" wird in Ungarn strafbar

Anstatt das späte und inskonsequente Eingreifen des Staates einzugestehen, schiebt der jetzige Bericht der natürlich Fidesz-dominierten Parlamentskommission die Schuld an der Eskalation sowohl auf die rechtsextreme Jobbik als auch auf Hilfsorganisationen und "liberale Kräfte, die durch einseitige Informationen an die Medien" zu den ethnischen Spannungen beigetragen hätten. Weiter weist die Regierung jede eigene Verantwortung mit dem lapidaren Hinweis von sich, dass es vor Beginn der Patrouillen keinerlei Spannungen zwischen Roma und Nicht-Roma gegeben hätte.

Auch der grün-liberalen Partei LMP, die durch Unterstützung unabhängiger Organisationen zur Entspannung beitragen wollte, wird in dem Untersuchungsbericht politischer Aktionismus unterstellt. Richard Field von der American House Foundation, der die Rettungsaktion der bedrohten Romafamilien organisierte, wird vorgeworfen, durch seine Unterstützung für die LMP die ungarische Regierung zu diskreditieren und so den Ruf ganz Ungarns zu beschädigen. Field, der große Immobilienprojekte in der Region entwickelt, hat Ungarn mittlerweile verlassen. An ausgefallenen Schuldzuweisungen mangelt es dem Bericht also keinesfalls, nur was die Regierung selbst hätte besser machen können, beantwortet das Papier nicht. Unmittelbar nach den Ereignissen hatte die Regierung sogar angekündigt, die Geheimdienste zu aktivieren, "um diejenigen ausfindig zu machen, die Ungarns Ruf schädigen wollen."

 

Jobbik jedenfalls hat ihr Ziel erreicht, maximale Aufmerksamkeit und Gyöngyöspata wird heute von einem der ihren regiert, die Zustände und Lebenssituation der Roma bleibt katastrophal, doch die "nationale Romastrategie" weiß nun einen Ausweg. Beaufsichtigung und Zwangsarbeit unte rder Aufsicht von Rassisten. Diese aktuellen Zustände haben wir in diesem Beitrag dokumentiert: "Das Musterdorf - Ungarn und die „Lösung des Zigeunerproblems“ - Ortstermin in Gyöngyöspata". Der ehemalige Ombudsmann für Menschenrechte trug noch mehr Details zusammen, die von der Regierung schlicht als nicht existent geleugnet werden: Dokument der Schande: Der Kallai-Bericht belegt amtlichen Rassismus in Ungarn am Beispiel von Gyöngyöspata.

red. / PK

 

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