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(c) Pester Lloyd / 21 - 2012     POLITIK 22.05.2012

 

Gesetzeskosmetik

Änderungen an Ungarns Mediengesetz bringen nicht mehr Unabhängigkeit

Das ungarische Parlament hat am vergangenen Freitag einige Änderungen beim Mediengesetz beschlossen. Diese waren notwendig geworden, nachdem das Verfassungsgericht das Gesetz im Dezember in mehreren Punkten für verfassungswidrig erklärt hatte. Die jetzigen Anpassungen sind jedoch nicht darauf ausgelegt, in Zukunft eine unabhängige und freie Medienlandschaft zu fördern, sie dienen nur der Ruhigstellung der Judikative.

Die umfassenden Neuerungen im Mediengesetz, das die Fidesz-Regierung 2010 beschlossen hatte, sorgten schon damals für Kritik von Seiten der Opposition oder auch der EU. (Überblick hier). Reagiert hat die Orbán-Regierung jedoch erst, nachdem auch das ungarische Verfassungsgericht Ende 2011 seinen Unmut in Form eines deutlichen Urteils äußerte. In ihrem Urteilsspruch bemängelten die Richter vor allem die Art und Weise der Lizenzvergabe, sowie teils schwammige Formulierungen bei möglichen inhaltlichen Vorgaben und dem Informantenschutz. Diese Punkte seien mit der aktuellen Verfassung nicht vereinbar

Mediengesetz als Teil der Verfassung

Von Seiten der Regierung konnte man die Vorwürfe relativ gelassen sehen, trat schließlich zum Jahreswechsel die neue Verfassung in Kraft, die auch die geänderten Medienparagraphen enthält und das Mediengesetz als "Kardinalsgesetz" zum Teil selbiger machte. Durch eine weitere Gesetzesänderung, die eine teilweise Neubesetzung des Verfassungsgerichts zur Folge hatte, muss in naher Zukunft wohl auch wenig Kritik befürchtet werden.

Schönheitskorrekturen

Die jetzigen Änderungen beschränken sich auf kleinere Schönheitskorrekturen, denn die Hauptkritikpunkte am Mediengesetz und den Protagonisten im Medienrat sind weder beanstandet worden, noch lassen sie sich durch die neue Verfassung beanstanden. Einige NGO´s und Betroffene aus den öffentlich-rechtlichen Medienhäusern arbeiten zwar dennoch daran. Doch was kann eine unabhängige Zeitung tun, deren Anzeigenaufkommen auf wundersame Weise einbricht?

 

Die nun am Gesetz vorgenommenen Änderungen betreffen Verträge für Radiofrequenzen, die vom Medienrat der Nationalen Medien- und Kommunikationsbehörde (NMHH) unterzeichnet werden. Ältere Verträge, die nach den früheren Regelungen beschlossen werden, verlieren zum Jahresende ihre Gültigkeit, womit wieder Raum für eine Neuverteilung geschaffen wird. Außerdem sollen Mandate des Medienrats annulliert werden, sofern das Parlament sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Vorschlag des Ministerpräsidenten durch Wahl bestätigen kann. Die Regierungspartei ist jedoch darauf trainiert, Entscheidungen im Eiltempo durchzusetzen.

Der Medienrat bleibt übermächtig

Wirklich besorgniserregend bleibt die quasi unbegrenzte und unkalkulierbare Macht des Medienrats, durch seine auf neun Jahre festgezurrte und einseitig parteiliche Zusammensetzung. Die Opposition forderte in einem Akt der Hilflosigkeit Ungarns neuen Präsidenten János Áder auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen, um ein Zeichen für die Pressefreiheit zu setzen.

Gerade am
Beispiel Klubrádió sah man in der Vorwoche die unheilvolle Verquickung von Exekutive und Legislative im heutigen Ungarn. Als Gerichte Entscheidungen des Medienrates wegen Norm- und Formverstößen aufhoben, mauerte der Medienrat solange, bis die Regierungspartei kurzerhand die zum unangenehmen Urteil führenden Gesetze änderte. Die nun genehmen Regelungen werden rückwirkend angewendet. Hier müsste nun wieder das Verfassungsgericht einschreiten aufgrund eklatanter Brüche juristischer Grundsätze, doch die Zeit läuft für die Regierung.

Der Hauptteil des Mediengesetztes wird jedoch schon gar nicht mehr in Frage gestellt. Lediglich periphere Institutionen wie die Venedig-Kommission, ein OECD-Experte und - in Nebensätzen - EU-Parlamentarier versuchen noch darzustellen, wie das neue Gesetz als schleichendes Gift die Medien zersetzt.

Dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten durch ihr träges und einseitiges "Propagramm" immer mehr Hörer und Zuseher verlieren, versucht die Regierung demnächst durch ein paar weitere Übernahmen im Rundfunk- und TV-Bereich zu kompensieren, hinter vorgehaltener Hand spricht man schon von Übernahmeversuchen oder zumindest einem erhöhten Einfluss auf RTL Klub, dessen Lizenzen im Sommer auslaufen. Auch die Mediengruppe, die wesentlich von Ex-Minister und Orbán-Mentor Fellegi aufgebaut worden ist, sichert sich immer mehr Marktanteile, die Geschäftszahlen von Lánchíd Rádió, Hír TV & Co. haben sich in einem stagnierenden Umfeld auffallend verbessert und zeigen, dass gegen politischen Willen kaum ein juristisches Kraut gewachsen ist.

Tim Allgaier / red.

 

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