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(c) Pester Lloyd / 25 - 2012     BALKAN 18.06.2012

 

Endlose Fluchten

Alte Vertreibungsopfer und neue Flüchtlinge auf dem Balkan

Noch längst sind die Wunden durch Vertreibungen und Fluchten im Zuge der Balkankriege nicht geheilt. Doch der Balkan hat auch eine außerordentliche Auswanderungswelle eigener Bürger Richtung EU sowie Einwanderungswellen aus verschiedenen Krisengebieten zu schultern und muss sich vermehrt mit organisiertem Menschenschmuggel auseinandersetzen. Die Lösung der Probleme kann aber nicht bei der Exekutive liegen.

Der Balkan war und ist schon immer eine Durchgangstation für Ost-West sowie Nord-Süd-Bewegungen gewesen. Heute wollen manche zurück nach Hause, da sie in den Kriegen der Neunziger Jahre vertrieben wurden, können es aber nicht, andere wollen von zu Hause weg, um Arbeit zu suchen oder Asyl zu beantragen, und schaffen das auch. Die Situation der Vertriebenen hat nun der Sonderbeauftragte für den Kosovo angeprangert. Gegen die Migranten werden Maßnahmen nun die Grenzkontrollen wieder verschärft. Beide Felder könnten durch einen EU-Beitritt der Länder des Westbalkans besser angegangen werden.

17 Jahre nach Kriegsende noch Abertausende Heimatlose

Als Folge der bewaffneten Konflikte in den 1990er Jahren wurden über drei Millionen Menschen innerhalb und außerhalb der Grenzen von Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro und Serbien vertrieben. Valentin Inzko der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina und EU-Sonderbeauftragte für Bosnien sagte am Montag in der Europaakademie in Banja Luka, das es „eine Schande sei, dass 17 Jahre nach Kriegsende immer noch so viele Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten.“ Er fügte hinzu, dass es „mehr als Unterkünfte bräuchte zur Re-Integration.“

„Die bosnischen Behörden sollten ihre Anstrengungen in dieser Hinsicht verdoppeln, meinte er weiter. „Das Recht auf Rückkehr ist gesetzlich verankert in Bosnien und Herzegowina, dennoch sind hunderttausend bosnische Bürger noch vertrieben und Tausende leben in Camps", betonte er. „Das ist inakzeptabel und sollte nach mehr als 17 Jahren, nachdem das Friedensabkommen von Dayton unterzeichnet wurde, längst behoben worden sein ", ergänzte Inzko. Laut UNHCR gibt es immer noch Zehntausende Flüchtlinge in Bosnien – und ebenso viele in den anderen Staaten des Westbalkans, die auch ähnliche Probleme haben.

EU und UN versuchen die offiziellen Lager graduell zu schließen und neuen menschenwürdigen Wohnraum zu schaffen, aber die Tatsache bleibt bestehen, dass es in Bosnien, Serbien, Montenegro usw. noch hunderttausende Menschen gibt, die in permanenten Provisorien leben und wahrscheinlich niemals nach Hause kommen werden. Im April hatte es eine Geberkonferenz in Sarajevo gegeben bei der 300 Mio. EUR für Wohnungen von Vertriebenen bereitgestellt wurde.
 
Dabei ging es selbstverständlich nur um Vertriebene der Bürgerkriege, die den Westbalkan in Folge der Auflösung Jugoslawiens zerrütteten, nicht jedoch um Vertriebene aus anderen Regionen der Welt, die den Westbalkan als Transitroute zu nutzen, um in die EU zu gelangen bzw. Bewohner des Westbalkans, die in Europa Arbeit suchen.

Flüchtlingsströme während und nach den Balkankriegen.

Zahl der Illegalen steigt - Problem unlösbar?

Am vergangenen Dienstag wurde der 9. Workshop über illegale Einwanderung des europäischen Netzwerks der nationalen Präventionsmechanismen unter Schirmherrschaft des Europarats in Belgrad eröffnet. An dem Workshop nehmen auch Beschäftigte der europäischen Grenzagentur Frontex teil. Letzten Freitag haben außerdem die Staaten, die am Schengen-Grenzregime teilnehmen, entschieden übergangsweise für sechs Monate erneut Grenzkontrollen einzuführen, um die Zahl der illegal einreisenden Flüchtlinge und Migranten, zu reduzieren. Zu den Maßnahmen gehören verschärfte Passkontrollen an den EU-Außengrenzen sowie unter Umständen auch die erneute Visa-Pflicht. Laut der EU-Kommission kamen beispielsweise 14.000 Migranten im letzten Jahr über Serbien in die EU.
 
Der Chef der serbischen Grenzpolizei, Nenad Banovic, sieht die Lage jedoch entspannter. „14.000 mögen es gewesen sein, aber damit ist die Zahl deutlich niedriger als 2010, als es 17.700 gab. Daher besteht kein Grund zur Sorge. Es ist jedoch logisch, dass jetzt kurz vor den Sommerferien Maßnahmen getroffen wurden, da viele Serben versuchen illegal in Spanien oder Griechenland, wo die Arbeitslosigkeit sowieso bereits hoch ist, Beschäftigung zu finden. Interessanterweise berichtet Österreich von keinem signifkanten Anstieg der dort alltagsrassisitisch als “Ostbandenkriminalität” bezeichnten Phänomene.
 
Visafreiheit als Risiko und Chance für Europa

Die EU hatte im Dezember 2009 die Visa-Erfordernisse für Bürger Serbiens, Mazedoniens und Montenegros beendet, ein Jahr später auch für Bosnier. Seitdem gab es Beschwerden aufgrund der gestiegenen Zahl an Asylsuchenden aus dem bzw. über den Balkan. Für Migranten aus Nicht-EU-Ländern bzw. deren Nachbarn ist der Asylanten-Status oftmals die einzige Möglichkeit legal in die EU zu gelangen. Noch viel dramatischer ist die Lage vieler Afghaner, Iraker, aber zunehmend auch Lybier und Syrer und Menschen aus anderen Kriegsregionen, die oft nur mit der Hilfe von professionellen und offenbar bestens vernetzten Schmugglern über die Grenzen auf den Balkan und von dort weiter Richtung EU kommen. Sie stehen sozusagen auf der untersten Stufe der Flüchtlingshirarchie, wie ihre Behandlung u.a. in Griechenland, Serbien,
aber auch ganz aktuell in Ungarn zeigt.

Flüchtlinge aus Afghanistan in einem provisorischen Lager im serbischen Subotica.

Der Westbalkan ist somit die Region Europas, die am meisten mit Binnenmigration auf der einen und gleichzeitig illegaler Arbeitsmigration sowie Flüchtlingen auf der anderen Seite zu kämpfen hat. Beides sind Gründe, weswegen die Länder der Region ihr Heil in der EU suchen sollten. Die Binnenmigration würde dann vereinfacht werden und die EU-Außengrenzen hätten sich verkleinert. Illegale Migration wird man sowieso niemals verhindern können, abgesehen davon, dass sie höchst notwendig ist. In der Wissenschaft ist dieses Paradox der offiziellen Hysterie gegenüber illegaler Migration bei gleichzeitigem Bedarf nach Arbeitskräften gut untersucht – meist wird es mit impliziter Duldung, rechtlichen Grauzonen und Legalisierungen „gelöst“.

Das Problem der Vertriebenen ist ebenso komplex, Reise- und Niederlassungsfreiheit, verbunden mit Quotierungen wo nötig, würden aber zumindest neue Optionen für Vertriebene jenseits der Illegalität eröffnen. Der brüchige status quo in den ehedem kriegführenden Ländern selbst, mühsam durch die internationale Gemeinschaft aufrecht erhalten, verhindert eine allumfassende Lösung für alte wie neue Vertriebene und Flüchtlinge. Die Lösung kann letztlich nur in der Niederlassungsfreiheit á la EU liegen, wenn dazu die staatlichen Voraussetzungen geschaffen, also der Schutz der Bürger garantiert wird.

Die Verstärkung von law-and-order allein, wird dem Problem ohnehin nicht Herr werden, zumal die Visafreiheit für die junge Generation der Länder Ex-Jugoslawiens die erstmalige Möglichkeit schafft, mit den EU-Ländern in Kontakt zu kommen und sich so selbst zu europäiisieren. Ein derart wichtiges Thema allein den Exekutivkräften und populistischen Parteien zu überlassen, wäre so kontraproduktiv wie menschenfeindlich, würden die Problem doch nur unter einem polizeilichen Deckel gehalten, unter dem der soziale Druck wieder ansteigen müsste.

Philipp Karl

 

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