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(c) Pester Lloyd / 49 - 2012   POLITIK 07.12.2012

 

Allianz der Phantome

Wer unterstützt die Pro-Regierungsbewegung in Ungarn?

Das Transparenz-Portal atlatszo.hu hat einmal mehr diverse Merkwürdigkeiten und Hintergründe aus den Graubereichen der ungarischen Wirtschaft und Politik beleuchtet und einige interessante Entdeckungen gemacht. So war zwar schon bekannt, dass die Pro-Orbán "Friedensmärsche" längst nicht von der universellen Bürgerbewegung getragen werden, wie das behauptet wird. In weiten Teilen ist sie eine Wunsch- bzw. Phantomallianz, was auch Fragen nach der Finanzierung aufwirft.

“Spontane” Ausbrüche der Volksliebe: “Wir lieben Dich, Viktor” auf dem 1. Friedensmarsch.

Die Pro-Orbán "Friedensmärsche", die vor allem als Gegengewicht zu Oppositionsbewegungen ins Rennen geschickt und als Abwehrbollwerk gegen "feindselige, ausländische Angriffe", also EU, Finanzwirtschaft (...) etc. aufgefahren wurden, werden vom "Forum Bürgerallianz", CÖF, organisiert. Auch die jüngste, sehr aggressive Plakatkampagne gegen Ex-Premier Gordon Bajnai, Chef der neuen Oppositionsplattform "Gemeinsam 2014" geht auf deren Rechnung.

Präsident des Vereines ist László Csizmadia, der praktischerweise im Hauptberuf den staatlichen "Nationalen Kooperationsfonds" leitet, ausgerechnet jenes Gremium, das die staatlichen Gelder für Nichtregierungsorganisationen verteilt. Er ist also ein Mann der Regierung, direkt einem Minister unterstellt und mit sehr viel Macht ausgestattet. Die Transparenz-Plattform Atlatszo.hu hatte bereits vorgerechnet, dass in den letzten zwei Jahren vor allem regierungsfreundliche Strukturen von diesen Zuwendungen profitierten, manche wurden überhaupt nur zur Mittelabschöpfung gegründet und kurz nach den Zuteilungen wieder geschlossen oder einfach auf Eis gelegt (ein Trick, den man den Vorgängern abgeschaut hat), während alteingesessene Vereine, z.B. mit einer umfassenden Expertise bei der Not- und Armenhilfe, leer ausgingen oder beschnitten wurden.

Was Atlatszo nun besonders wundert, ist, dass kaum eine der wirklich namhaften, auf der Webseite als "Unterstützer" der laufenden Aktionen angegebenen, Organisationen auf Nachfrage irgendetwas finanziell oder sonst für die "Friedensmärschler" geleistet haben will oder ihre Unterstützung auch nur erklärt hätte. Oft wurde nicht einmal nachgefragt, ob man den Namen der Organisation für diesen Zweck nutzen dürfe. Das gilt u.a. für so namhafte Vereinigungen wie die Evangelische Kirche und die Refomierten Kirchen sowie die Landeseärztekammer.

Auf der Webseite der CÖF tauchen weiterhin etliche Organisationen als Unterstützer und /oder Sponsoren auf, die es gar nicht gibt bzw. die wohlwollend gerade noch als Karteileichen zu betrachten sind. Hier die Liste der unterstützenden Organisationen

Dominiert wird die Unterstützerreihe von Vereinen oder informellen Gruppen, die aus den von Fidesz nach der Wahlniederlage 2002 ins Leben gerufenen "Bürgerkreisen" übrig geblieben sind. Doch auch einige sehr suspekte Gruppen finden sich auf der Liste, wie die nach einem Blut-und-Boden-Schriftsteller benannte Albert-Wass-Gesellschaft, oder die "Trianon-Gesellschaft" www.trianon.hu, die wiederum auf die "Stiftung Ungarischer Lebensraum" verweist und von der Symbolik kaum mehr von Jobbik-Seiten unterscheidbar ist. Mit dabei auch der Vitéz-Ritterorden, http://www.vitezirend.co.hu, eine Miklós Horthy-Huldigungsvereinigung, die stolz darauf verweist "von der Regierung gegründet" worden zu sein. Auch die vatikantreuen "Tempelritter" http://www.templarius.hu/ gehören zur Garde der Regierung sowie eine ganze Reihe von spirituistischen und verschrobenen Sekten und Einzeldarstellern, aber auch die Polizeigewerkschaft RKDSZ (Polizisten ist in Ungarn bei Strafe der Entlassung jedwede politische Tätigkeit untersagt.) Auch eine Bauern-Lobby-Gruppe findet sich auf der Liste, einige Unternehmen und die Karpatenheimat-Nationalgarde, die sich als "unabhängige politische Partei" bezeichnet, sich auf ihrer Webseite aber bewaffnet, mit Uniform und Militärhubschrauber produziert.

Auffallend ist auch eine weder durch Personen noch Veranstaltungen oder gar irgendwelche Informationen auffallende Ungarisch-Österreichisch-Bayerische Gesellschaft, aber auch die - neben regierungsnahen Medien - als einer der Hauptunterstützer der 2012er "Friedensmärsche" verlinkten - "Friends of Hungary", bis dato eine Facebook-Gruppe http://www.facebook.com/we.friendsofhungary mit 1500 Mitgliedern und dem Anspruch von "Öffentlicher Diplomatie für Ungarn". Der Name entspricht genau dem, jener zu gründenden Regierungs-Stiftung in den USA, die vom Amt des ungarischen Ministerpräsidenten mit rund 11 Mio. EUR (!) ausgestattet und von Orbán auch rechtlich geleitet werden wird und die ein sehr fragwürdiges Tätigkeitsprofil aufweist. Mehr dazu hier.

Das legt nicht nur für die Transparenz-Kämpfer den Verdacht nahe, dass die für die Aktionen benötigten Gelder entweder aus dunklen Kanälen oder, gelenkt über die Vereine, aus der Staatskassen kommen müssen, zumal sehr viele der dort verzeichneten Gruppen aus Steuergeldern finanziert sind. Selbst die "freiwillig" gespendeten Beträge bekommen bei der Personalie Csizmadia einen genötigten Beigeschmack, muss doch jede Nicht-Regierungs-Organisation, die einem Spendenwunsch der Friedensmärschler nicht nachkommt, zwangsläufig damit rechnen, das sich Csizmadia bei der nächsten Vergabe daran erinnert und den Geldhahn zudreht.

Ganz aktuell listet die Seite auf, wer von der aktuellen Vergaberunde des Nationalen Kooperationsfonds am meisten profitierte. Nicht so überraschend finden sich auf der Liste verdiente Parteimitglieder mit ihren Organisationen, Ex-Minister, ein Separatistenführer aus Siebenbürgen und der Budapester Oberbürgermeister etc. etc. Alle Namen und Summen:
http://www.atlatszo.hu/2012/12/07/deutsch-tarlos-tokes-es-pozsgay-a-legmenobb-civilek/

Neben Plakatkampagnen, benötigte die Pro-Orbán-Gruppe vor allem für die bisherigen Friedensmärsche ziemliche Summen, dirigierte man doch eine regelrechte Armada von Bussen durchs Land, um genügend begeisterungswillige Orbán-Anhänger in der Hauptstadt zusammenzuführen. Auch ausländische Delegationen (z.B. aus Polen) wurden bei Anreise und Aufenthalt unterstützt. Dabei waren auch Parteistrukturen des Fidesz (Lokalorganisationen), aber, über die Bürgermeisterämter auch öffentliche Einrichtungen samt ihrer Ressourcen eingebunden.

Die "Bürger" schlagen zurück

Die Aufdeckung der Phantomunterstützer wurde auch von dem durch die CÖF angegriffenen Bajnai in einem Video-Podcast aufgegriffen, was eine sehr wütende Reaktion der Friedensmärschler hervorrief. Am heutigen Freitag ist auf der Webseite der CÖF eine "Mitteilung" zu lesen, die natürlich alle Vorwürfe abstreitet und von einer Bewegung mit Hunderttausenden Unterstützern und hunderten Organisationen etc. redet, während die andere Seite nur aus Lügen und Verbrechern besteht, deren "Hasskampagnen mit Millionen aus dem Ausland finanziert" sind. Alles gipfelt in dem Satz: "Die Bajnais müssen zur Rechenschaft gezogen werden!". Eine Wortwahl, die uns sehr an die Artikel des "Stürmers" Zsolt Bayer erinnert, die zweite tragende Säule der Friedensmärsche, Fidesz-Mitgründer, Orbán-Freund und oberster - auch gern antisemtischer - Hassprediger des Landes, übrigens von einer Fidesz-Landesgruppe mit einer Literaturauszeichnung geehrt. So schließen sich die Kreise und mögen jene belehren, die glauben, dies alles sei nur ein Phänomen der Nazis und Orbáns Partei hat mit all dem nichts zu tun.

Wieder eine "teure" Fußballgeschichte

Atlatszo.hu berichtet in weiteren aktuellen Beiträgen auch über Millionenzuwendungen der staatlichen Lotteriegesellschaft, deren Gewinne eigentlich der Staatskasse zufließen sollen, an den Ferencvárosi TC, dessen Präsident der Bundesgeschäftsführer der Regierungspartei Fidesz, Kubatov, ist. Auch die ebenfalls staatliche HungaroControl spendete einen nicht so kleinen Betrag für den Verein. Der Staat kaufte außerdem für umgerechnet fast 18 Mio. EUR eine repräsentative Immobilie zurück, die der Verein zu günstigen Konditionen nutzen kann. Auch ein neues Stadion für ca. 35 Mio. EUR steht für FTC im Raum, ein Klub übrigens, dessen große radikale Anhängerschar mit offenem Rassismus und Antisemitismus auftrtt und zwar Woche für Woche. Die finanziellen Vorgänge erinnern sehr an Orbáns persönlichen "FC Gernegroß" in Felcsút, über den wir hier berichteten. Die Lotteriegesellschaft hatte bereits 2011 fast eine Million Euro an die nationalistisch-separatistische Széklerpartei in Rumänien gespendet, zum Aufbau eines "Medienzentrums". Hier mehr dazu.

 

Auch der massive Missbrauch des staatlichen Filmfonds unter der sozial-liberalen Vorgängerregierung wird von ataltszo.hu aufgeschlüsselt und namentlich benannt oder die eigenartige persönliche und wirtschaftliche Nähe eines Entwicklers von IT für den öffentlichen Dienst zu demjenigen konstatiert, der diese Art Ausschreibungen leitet (ein und dieselbe Persion) oder über die Bemühungen vor Gericht berichtet, staatliche Stellen zum Offenlegen von angefragten Informationen zu bewegen, was ab und an, jedoch längst nicht immer klappt. Das von unabhängigen Journalisten vor 2 Jahren gegründete Portal betreibt neben dem eigentlichen Aufdeckungs-Blog auch ein "Magyar Leaks", bietet über "Kimitud" (Werweißwas) Unterstützung beim Zugang zu Informationen gegenüber Behörden an und baut ein Oligarchopedia auf, in denen die Magnaten des Landes durchleuchtet werden. www.atlatszo.hu

Mehr zu den Hintergründen und Machern der Seite in:
Mehr Durchblick: "Transparenz" nervt die Mächtigen in Ungarn

p.l.

 

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