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(c) Pester Lloyd / 50 - 2012   POLITIK 14.12.2012

 

Budgetäre Sterbehilfe

Ungarn kürzt Gelder für Krebstherapie: Ärzte werden zur "Selektion" gezwungen

Es vergeht kein Tag mehr, an dem es sich die ungarische Regierung nicht mit einer Bevölkerungsgruppe verscherzt. Nun sollen die staatlichen Zuschüsse aus dem Nationalen Gesundheitsfonds an kostenintensive Therapiesegmente, vor allem bei Krebstherapien sinken. Das heißt in der Praxis: Selektion von "lebensunwertem Leben". Ärzte laufen Sturm, das Verfassungsericht ist alarmiert.

Die Sparvorgabe für das Jahr 2013 allein im Bereich der Intensivtherapien gegen Krebs wurde mit 1-2 Mrd. Forint (bis zu 7 Mio. EUR) festgesetzt. Das Nationale Krebsinstitut hat bezüglich dieser Sparvorgabe - in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretär für Gesundheit beim Ministerium für "Humanressourcen" - eine Handlungsanweisung herausgegeben, die Ärzte wörtlich zur “Auswahl” bzw. "Selektion" verpflichtet. So sollen in erster Linie nur noch jene Patienten die vollen Therapiemöglichkeiten staatlich finanziert ausschöpfen dürfen, die eine entsprechende "Heilungsperspektive" haben, reine "lebensverlängernde Medikationen" würden dann zurückgestellt bzw. müssten vom Patienten selbst aufgebracht werden. Was jenen geschieht, die das nicht können wird nicht ausgeführt, liegt aber auf der Hand.

Das Schriftstück versucht verschiedene Abstufungen in der Bewertung vorzuschlagen, dabei werden auch verschiedene Kresbarten unterschiedlich ob ihrer Heilungsperspektive klassifiziert, wozu man statistische Voraussagen heranziehen soll, was wiederum bedeutet, dass Patienten bestimmter Krebserkrankungen (z.B. Darmkrebs) von vornherein aus der höchsten Therapiestufe fallen könnten. Die Ärzte sollen die "Selektion" sogar nach der Dauer des wahrscheinlichen Überlebens vornehmen, wobei ein Jahr als magische Grenze angesetzt wird.

Betroffenenverbände, auch Ärzte zeigten sich entsetzt darüber und verwiesen darauf, dass die statistische Überlebensprognose rein gar nichts über die individuelle Chance eines Patienten aussage. Würde man die Maßgaben so umsetzen, würden auch jene, die überlebt hätten, sterben, was ja im Bereich der statistischen Möglichkeit läge und niemand würde sich dran stören, fragen Experten.

Das Ministerium beeilte sich, klarzustellen, dass "alle notwendigen Behandlungen" weiter gewährleistet werden, es sollte lediglich Doppelmedikation vermieden werden, es sei unnötig "die Körper von kranken Menschen übermäßig mit giftigen Stoffen vollzupumpen", so heißt es in einem Statement, das folgerichtige "...wenn sie sowieso bald sterben." fehlte zwar, dennoch macht in den Medien bereits das Wort von “staatlicher Sterbehilfe” bzw. “budgetärer Euthanasie” die Runde. Der Chefarzt der onkologischen Abteilung des Sz. László Krankenhauses hat bereist seinen Rücktritt angekündigt, sollte die Maßnahme so aufrecht erhalten werden.

 

Auch der Parlamentarische Ombudsmann für Grundrechte, Máté Szabó, kritisiert die Sparmaßnahme scharf. Die Umsetzung sei ein Angriff auf die menschliche Würde und das Recht auf gleiche Behandlung. Insofern verstoße der Vorschlag gegen die Verfassung. Die Regierung solle sich sofort etwas anderes einfallen lassen, im ungarischen Gesundheitswesen gebe es genügend Einsparpotential außerhalb lebenswichtiger Therapien, so Szabó. Geht das Gesetz so durch, stehe er am Tag darauf beim Verfassungsgericht auf der Matte, die das Gesetz sofort kassieren würde.

Szabó wies daraufhin, dass von den Sparmaßnahmen auch andere wichtige Behandlungsfelder betroffen sein werden, wie die in Ungarn besonders häufigen Herz-Kreislauferkrankungen. Die Kosten in diesen Bereichen könnten nur durch eine allgemeine Verbesserung der Lebenssituation der Menschen gesenkt werden, nicht durch Einsparungen bei der Therapie. Denn die Finanzierung des Gesundheitswesens ist eine vornehmliche Aufgabe des Staates, nicht einfach ein Kostenfaktor.

Eine Änderung der Finanzierung für die Insulin-Therapie bei Diabetes ist gerade beim Verfassungsgericht anhängig.

red.

 

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