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(c) Pester Lloyd / 05 - 2013   POLITIK 30.01.2013

 

Pakt mit dem “Teufel”

Fremdgesteuert? "US-Berater" sollen Studentenproteste in Ungarn unterstützen

Die Studentenproteste in Ungarn waren von US-amerikanischen "Spezialisten" gesteuert, meldet eine Regierungszeitung, die Studentenvereinigung HaHa gibt zu, sich beim zivilen Widerstand beraten lassen zu haben. "Fremdgesteuert und -finanziert" zu sein, ist in Ungarn das politische Totschlagargument schlechthin und, zumal, wenn noch "Juden" im Spiel sind, sehr wirksam. Die MSZP macht es der Regierung dabei besonders leicht. Doch auch die protestierenden Schüler und Studenten sahen sich regierungsseitiger Diffamierung und Manipulation ausgesetzt, wie dokumentiert ist.

HaHa-Aktivisten und Studenten protestieren in Budapest. Dezember 2012.

Themenseite zur Hochschul- und Schulreform und zu den Protesten

Die Vereinigung der Hochschulstudenten HaHa, die bei den Studentenprotesten maßgeblich war, aber von der Regierung - im Unterschied zur Studentenkonferenz HÖOK - nicht als Verhandlungspartner anerkannt wird, hat am Montag in einer Sendung im Klubrádió eingeräumt, ausländische, konkret US-amerikanische Hilfe für die Proteste gegen die Hochschulreform angenommen zu haben. Die Aktivistin Andrea Kóbor bestätigte damit zumindest teilweise einen Bericht der regierungsnahen Zeitung "Magyar Nemzet", die aus "internen Schreiben" zitierte und von acht "Instruktoren für den politischen Kampf" sprach, die den Studenten aus den USA zu Hilfe gekommen seien.

Die Organisationen, die sich involviert hätten, reichten von "linksradikalen Gruppen" bis hin zum Umfeld des (ungarisch-stämmigen, jüdischen) US-Milliardärs und Stifters George Soros (der auch scho Solidarnosc und andere Oppositionsgruppen in Osteuropa uterstützte, Anm.), so die Zeitung. Die Haha erklärt, dass man Beratung in Anspruch genommen hätte, die aber nichts mit politischer Abhängigkeit gegenüber Parteien oder "sonstigen Kräften" zu tun hätte. Dazu stünde auch nichts in den ominösen "internen Schreiben". Ziele und Mittel hätte man immer selbst definiert. Man habe sich lediglich über Praktiken des zivilen Widerstandes ausgetauscht. Die "Magyar Nemzet" will weiterhin wissen, dass die Berater mit den Studenten für den Februar weitere Demonstrationen und Besetzungen von Regierungsstellen ausgearbeitet haben.

Nach einem Beitrag des rechten TV Senders HírTV, würden “die ausländischen Fachleute” die  Studenten darin beraten, wie sie am effektivsten Druck auf die ungarische Regierung ausüben können und sich als Gemeinschaft erfolgreich organisieren. Außerdem sollen, wie Magyar Nemzet berichtet, die Studenten an Wochenenden an geschlossenen Trainingseinheiten teilgenommen haben.

Der Vorwurf aus dem Ausland "fremdgesteuert" und finanziert (vorzugsweise von der "Ostküste", lies Juden oder sonstigen Lobbyisten) zu sein, ist das Totschlagargument der nationalen Rechten gegenüber der linken Opposition und ist aufgrund des allgemein verbreiteten Opfermythos vom stets fremdbeherrschten Ungarn besonders wirksam. Auch die Studenten wurden von der Regierung von Anfang an mit dem Vorwurf der Vereinnahmung konfrontiert. So wird z.B. auch der Umstand, dass sich die MSZP einen US/israelischen Wahlkampfberater (Ron Werber) angeheuert hat, von Fidesz genüsslich ausgeschlachtet und verfehlt seine Wirkung in der Öffentlichkeit nicht.

 

Die andere Frage ist, ob, bei dem Wissen um diese Konstellationen, die Inanspruchnahme solcher Beratungsleistungen sowohl bei der MSZP als auch bei der Haha besonders schlau sind, immerhin gibt es auch andere Möglichkeiten, sich Wissen und Fertigkeiten über effektive politische Kampftechniken anzueignen. Im Falle der MSZP ist schon heute ersichtlich, dass sie den von ihr bereits früher betriebenen, von Fidesz mittlerweile perfektionierten Weg der Negativkampagne im Wahlkampf 2014 einschlagen wird, was auf einen weiteren Tiefpunkt der politischen Kultur in Ungarn in den kommenden Monaten hindeutet. Beide Seiten werfen sich vor, nur noch Hasskampagnen zu betreiben. Beide Seiten haben recht. Hinsichtlich subversiver und konspirativer Propagandamethoden hat Fidesz heute in Ungarn jedoch einen deutlichen Vorsprung herausgearbeitet, wie dieser Beitrag über die “Allianz der Phantome” verdeutlicht.

Hinsichtlich der Studentenproteste sollte sich die Regierung ohnehin mit Vorwürfen unlauterer Mittel tunlichst zurückhalten, denn die Berichte über Versuche offizieller Stellen, von Schulleitern, über Regierungsbüros bis hin zu Rathäusern und sogar Medien, Proteste an Schulen zu unterdrücken, Aktivisten zu diffamieren oder Schüler durch "Befragungen" und "Handlungsanweisungen" einschl. der Ankündigung entspr. "Konsequenzen" einzuschüchtern, sind mittlerweile Legion. Fein säuberlich aufgelistet vom Transparenz-Portal atlatszo.hu Die Details finden Sie hier in einem englischsprachigen Beitrag, sie belegen, dass man es im Regierungsapparat mit den bürgerlichen Grundrechten nicht wirklich so hat, was eine Unterstützung von Soros, der sich um die Demokratie in Osteuropa verdient gemacht hat, nicht zwnagsläufig zu einem Pakt mit dem Teufel macht, wie es von der Regierungsseite nun impliziert und ausgeschlachtet wird...

red.

 

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