Ost-West-Drehscheibe
Pester Lloyd Stellenmarkt

Das Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 06 - 2013   NACHRICHTEN 06.02.2013

 

Breitband-Ritter oder Alles nur Zufall

Staatliche Fördergelder an Off-Shore-Firmen und Parteifreunde in Ungarn

Immer wenn von Amtsmissbrauch und Bestechung, Vetternwirtschaft und Parteibuchökonomie der "sozialliberalen Ära" die Rede ist, kommt schnell auch das Wort vom Off-Shore-Ritter auf, jenem vaterlandslosen Gesellen, der keine Hemmungen hat, Gelder aus der gebeutelten Heimat steuerschonend ins sonnige Ausland zu schaffen, während das Volk zu Hause unter dem Steuerjoch ächzt. Offenbar haben die neuen Machthaber vom Fidesz, bisher eher Spezialsten der ländlichen Wertsteigerung, nun auch ihre eigene "Ritterlichkeit" erkannt und handeln entsprechend.

Zur Entwicklung des Projektes 3.1.2.12 der ministeriellen Nationalen Entwicklungsagentur, Thema "Breitband-Internet-Netzwerkausbau", gab es eine Ausschreibung, in deren Folge 12,5 Milliarden Forint, also stattliche 42,5 Mio. EUR an fünf Firmen vergeben worden sind, die alle am gleichen Tag gegründet wurden, an der gleichen Adresse firmieren, gleich viel Stammkapital vorweisen und alle im Besitz von Off-Shore-Unternehmen sind. Natürlich ist es ein ebensolcher Zufall, dass wichtige Akteure aus diesen Firmen bzw. deren Umfeld Fidesz-Leute, Abgeordnete und Magnatenfreunde sind.

Das alles lesen wir in einer Reportage des Kriminalistik-Magazins "Privát Kopó", das uns ganz genau die Eigentumsverhältnisse aus dem Firmenregister kopiert, worin auch der Link nach Zypern belegt ist. Zypern, das ist übrigens jene Insel im Mittelmeer, auf der Orbáns letzter im Amt befindliche Großfeind, sozusagen der Großmeister der Off-Shore-Ritter, der Noch-Zentralbankchef Simor, sagenhafte Reichtümer angehäuft haben soll, was ihn für seinen Posten im Inland natürlich unmöglich machte.

Das Fachmagazin für den Hobby- und Berufskriminologen (siehe screenshot) beschreibt dann sehr genau jede einzelne involvierte Firma mit den Daten vom Firmengericht, zum Beispiel die Micronet Kft: Eigentümer ist die: EQN Zrt, RubiCom Zrt., Firmensitz: 1134 Budapest, Váci út 19., Gründungsdatum: 27.06.2012, Stammkapital: 500.00 Ft. staatliche Zuschüsse (aufgerundet) 996.000.000 Ft.+ 735.000.000 Ft.+ 630.000.000 Ft.+ 980.000.000 Ft+ 933.000.000 Ft. Der Eigner, die EQN Zrt.: 2000 gegründet, Stammkapital: 60 Mio Ft. ist wiederum im Besitz der Ensen Holdings Ltd. mit Sitz auf Zypern. Und so geht das dann Firma für Firma weiter, alle am gleichen Tag gegründet, alle mit dem gleichen Stammkapital, den gleichen Geschäftsführern und dem gleichen Eigentümerhintergrund. Alles läuft auf einige zentrale Personen hinaus, Róbert Bauer, Zoltán Smuk, Miklós Seszták und Sándor Nyúl hinaus.

Nyúl, so schreibt das Magazin weiter, ist Geschäftspartner von Sándor Demján, dem Vorstandschef der TriGránit und spiritus rector der ungarischen Regionaloligarchen mit besten Beziehungen zur Macht und ebenso zu Róbert Bauer und Zoltán Smuk, die alle in dem Firmengeflecht hängen. Zum Aufsichtsrat der Enternet Invest Zrt gehört seit dem Mai 2011 Miklós Seszták, ein Anwalt aus Kisvárad und FIDESZ-Parlamentsabgeordneter. Seszták ist nicht nur Mitglied des Parlamentsausschusses für Wirtschaft & Informatik und Vorsitzender des Unterauschusses  für "Beschaffung und Geschäftsregulierung", sondern auch Mitarbeiter im Unterausschuss für Telekommunikation und Informatik. Wie gesagt, alles nur Zufall.

Gegen eine der o.g. Firmen läuft derzeit ein Verfahren der Nationalen Steuer-und Zollverwaltung (NAV), außerdem hat die Staatsanwaltschaft Bács-Kiskun am 16.Dezember 2011 ins Firmenregister "strafbare Handlungen" seitens der Firma hineinschreiben lassen. Unternehmen, die Steuerschulden oder sonst irgendwelche offenen Rechnungen mit staatlichen Stellen haben und die im Besitz von als "off-shore" Firmen charakterisierten Unternehmen sind, dürfen, laut Gesetz, gar nicht an staatlichen Ausschreibungen oder sonstigen Zuweisungen von Subventionen teilnehmen. Diese durften, sicher auch alles nur Zufall.

Die ganze Geschichte (ung.)
http://privatkopo.hu/WebArticleShow.aspx?MN=Hirmix&AGM=Joghalo&AN=nfupalyazat&LN=Hu ngarian

Und noch so ein Zufall: Wie das Transparenz-Portal www.atlatszo.hu (die Regierung sollte dringend etwas gegen das vaterlandsfeindliche Internet unternehmen) aufdeckt, ging ein Teil der Ausschreibung von EU-Geldern. der Nationalen Entwicklungsagentur (NFÜ) für den Bereich Tourismus in der Höhe von 16,5 Mrd. HUF (rund 55 Mio. EUR) ebenfalls an einen Fidesz-Abgeordneten, bzw. ein mit ihm verbundenes Unternehmen. Dabei handelt es sich um Zsolt Tiffán, eine weitere an einen Teilhaber der "regierungsnahen" Supermarktkette CBA (Vilmos Lázár) sowie einen Geschäftspartner des dem Fidesz sehr nahe gerückten Regionalmagnaten Simicska.

Die NFÜ wird im kommenden Jahr übrigens aufgelöst. Ihre Agenden landen dann direkt im Vorzimmer Orbáns, bei dessen Adjudanten Lázár. Es wird dann keine Zufälle mehr geben.

Zsofi Schmidt, red.

 

Möchten Sie den Pester Lloyd unterstützen?