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(c) Pester Lloyd / 15 - 2013   WIRTSCHAFT 10.04.2013

 

Verblümte Rente

Rentenbeiträge: Regierung von Ungarn muss bald die Hosen runter lassen

In dieser Woche hat die Regierungsmehrheit ein Gesetz beschlossen, mit dem jeden Versicherten ein persönliches Rentenkonto zugewiesen wird. Auf diesem werden seine durch Beitragszahlungen erworbenen Ansprüche vermerkt, allerdings erst jene, die ab Januar diesen Jahres entstanden sind. Das soll, so die Erklärung seitens der Fidesz-Fraktion, zu mehr Transparenz und Gerechtigkeit führen und in der Folge das umlageorientierte Rentensystem allmählich zu einem individuellen "Ansparsystem" verändern, "das Rentensystem auf neue Füße" gestellt werden.

Bei der Einführung dieser individuellen Rentenkonten gibt es aber ein Problem: dort sollen auch die aus der vormals obligatorischen privaten Rentenversicherung erworbenen Ansprüche verbucht werden. Die Beiträge dazu, 10,6 Mrd. EUR, immerhin rund 10% der Jahreswirtschaftsleistung, hatte die Regierung per Gesetz im März 2011 ins Zentralbudget transferiert, weil, so die offizielle Begründung, die Renten der Menschen nicht durch Zocker am internationalen Finanzmarkt riskiert werden dürften. Wer nicht wollte, verlor seinen staatlichen Rentenanspruch. Dazu: Rentner am Staatstropf - Ungarn droht seinen Bürgern mit dem Entzug des Rentenanspruchs. - Die Überschüsse aus den zwangsweise aufgelösten Fonds wurden den Beitragszahlern überwiesen, allerdings nicht selten mit überdimensionierten Abschlägen gegenüber den ursprünglichen Gewinnaufstellungen. Siehe dazu: Rettung oder Diebstahl? Ungarischer Regierungschef feiert: "Die Renten sind gerettet!"

Orbán hat bei seinen Bürgern ungefragt einen "Rettungskredit" aufgenommen

Der wirkliche Grund für die "Verstaatlichung" war indes die Beschaffung von dringend benötigtem Baren für die Haushaltskasse, nachdem man den IWF gerade aus dem Land komplimentiert hatte, die Steuergeschenke für Besserverdiener (Flat tax) die Einnahmen verringerte und auch das Wachstum nicht so wie erhofft, ansprang. Folgerichtig benutzte man dann auch bereits mehr als die Hälfte dieser Summe für das Stopfen von Budgetlöchern und die Bezahlung von Staatsschulden, fast 1 Mrd. EUR ging auch einfach als Reibungsverlust bei der Auflösung der Anlagen den Bach hinunter. Hier mehr dazu:
Schlachtverluste: Milliardenverlust und Zweckentfremdung bei privaten Rentenbeiträgen in Ungarn Der Rest des Geldes wanderte in den zentralen staatlichen Rentenfonds. Ohne den warmen Regen der Beiträge hätte Ungarn 2011 ein Defizit von 6,3% des BIP vozuweisen gehabt, so wies man - bis heute ohne rot zu werden - einen Überschuss von 4% aus, den Brüssel den Budapester Rechenkünstlern allerdings nicht abnimmt.

Hier die Fidesz-Garantie zur Sicherung des Rentenwertes unter der Fideszregierung.
Aus dem Wahljahr 2010 und zum ausschneiden... Orbán, Matolcsy und Co. unterzeichneten noch vor laufenden Kameras eine eidesstattliche Erklärung dazu.

"Irgendwann später im Jahr..."

Schreibt man nun den Bürgern ihre Ansprüche wieder (und in voller Höhe!) gut, wie das per eidesstattlicher Erklärung von Orbán und den damals Verantwortlichen versprochen bzw. verblümt wurde (Die Rente ist sicher...), käme dies einem Offenbarungseid gleich, denn, wie oben beschrieben, sind die Hälfte der Gelder ausgegeben. Fraktionschef Rogán bremste denn auch kleinlaut und sagte am Rande der Verkündung der "epochalen" Rentenreform, dass "die Gutschriften "irgendwann später im Jahr" stattfinden sollen. Bis dahin hat man also noch Zeit, ein Konstrukt oder eine glaubwürdige Ausrede zu finden, wo denn nun die Beiträge der Bürger abgeblieben sind bzw. wie man gedenkt, die erworbenen Ansprüche abzudecken, wenn dann das Rentenalter erreicht wird.

Das propagandistische Vorbild: Norbert “Die Rente ist sicher” Blüm

Die Regierung hat, ganz entgegen dem posaunierten Transparenzgelübde, ihr eigenes "Umlagesystem" erfunden, in dem man die Sozialabgaben (Renten-, Kranken-, Arbeitslosenversicherung, Ausbildungsabgabe) heute zunächst zentral in einen Topf wirft, um sie dann auf Gesundheitsfonds, Rentenfonds usw. aufzuteilen. Daraus ergeben sich natürlich Möglichkeiten "bedarfsorientierter" Verschiebungen, natürlich auf Kosten jeweils eines anderen Versicherungsträgers, von der Gewährleistungspflicht erworbener Ansprüche als kaufmännischem wie sittlichem Modell braucht man gar nicht erst reden.

Wenn man sich nicht doch durchringt, den Menschen klarzumachen, dass die Hälfte ihrer Ansprüche aus der privaten Säule der Rentenversicherung "erloschen" sind, was politisch wohl kaum denkbar ist, wird die Staatskasse in einigen Jahren zu einem wilden Verschiebebahnhof werden, um die absehbaren Löcher des Rentenfonds zu stopfen. Vielleicht ist das dann aber gar nicht mehr das Problem einer Fidesz-Regierung und die Wut der Menschen arbeitet sich an einer anderen Partei ab. Auch das kann ein Kalkül sein, es gibt hierzulande nichts zu Absurdes mehr.

Der "Umbau" des Rentensystems basierte auf frommen Wünschen

Vom Plan A hinsichtlich des "Beitragstransfers", manche nennen sie Enteignung, das Verfassungsgericht mochte sich damals nicht eindeutig äußern, musste man sich ohnehin verabschieden, denn eigentlich rechneten die Rentenstrategen so: in dem man mit den Geldern die Staatsschulden reduzierte, spart sich der Staat Zinszahlungen. Diese freiwerdenden Mittel, zusammen mit Einsparungen beim Arbeitslosengeld durch Sozialabbau, der Abschaffung der Frührenten und natürlich die zusätzlichen Steuereinnahmen durch das "gerechte und proportionale" Steuersystem sowie das sagenhafte Wirtschaftswachstum, mit dem Ungarn noch in diesem Jahr "ganz Europa überraschen wird", sollten genügen, um mittelfristig diesen "Kredit" bei den Beitragszahlern wieder zurückzuzahlen.

Matolcsy zieht plündernd und fluchend durch die Institutionen

 

Doch da die Ökonomie und der Forint die einzigen Wesen in Ungarn sind, die sich nicht dem Willen Orbáns beugten, blieb auch das nur eine fromme Wunschrechnung, wie fast alle Projektionen und Planungen der "Wirtschaftsstrategen" rund um Orbán, vor allem des damaligen Nationalwirtschaftsministers Matolcsy, der, nachdem er also die Renten geplündert, den Forint in den Suizid geplaudert, die Wirtschaft in den Tiefschlaf gebracht und die Armen erniedrigt hat (von 47.000 Forint im Monat kann man heute in Ungarn ganz gut leben...), sich nun als Gouverneur der Zentralbank daran machen darf das letzte Sparschwein des Landes, die Devisenreserven, zu schlachten und die Gelddruckmaschine anzuwerfen. Dazu: Kick-Start oder Amoklauf? Geteiltes Echo auf "kreative Finanzmarktinstrumente" in Ungarn Sind diese Gelder auch verbraucht - und das werden sie irgendwann sein - blieben eigentlich nur noch die Sparguthaben, die dann vielleicht in Volks- oder Kriegsanleihen umgetauscht werden könnten im Kampf gegen IWF, EU, Ostküste etc...

Die oppositionelle MSZP mutmaßt schon einmal, dass die am Montag verabschiedete Gesetzesvorlage "den Leuten die individuellen Pensionsansprüche eher zusammenstreicht, denn schafft". Denn, was ausgegeben wurde, kann man kaum gut schreiben, so ein MSZP-Abgeordneter. Das Gesetz sei nur eine Finte, um sich der Schulden an den Beitragszahlern ein für alle mal zu entledigen. Es war diese MSZP, die übrigens dafür den Weg frei machte, dass Beitragszahlungen in dieser aberwitizgen Höhe dem Staat entzogen und privaten Fondsverwaltern, Banken überlassen wurden. An dem Gebahren dieser "Gewinnmaximierer" arbeiten sich Gerichte noch heute ab. Und mit Defziten von 6%+ hatten die "Sozialisten" auch kein Problem.

cs.sz.

 

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