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(c) Pester Lloyd / 19 - 2013   POLITIK 09.05.2013

 

Richtung Aritkel 7

EU-Parlament legte Bericht über Lage der Grundrechte in Ungarn vor

Am Dienstag legte der Innenausschuss des Europäischen Parlamentes einen Berichtsentwurf über die Lage der Grundrechte in Ungarn vor. Der Berichterstatter Rui Tavares (Grüne) aus Portugal und sein Team listen auf 31 Seiten akribisch Beanstandungen zum Rechtsstaats- und Demokratieabbau auf und stellen sie mit den Bekenntnissen der EU zu Grundwerten gegenüber. Die Regierung legt gekaufte Gutachten dagegen und diffamiert die Prüfer.

 Der Tavares-Bericht hier in englischer Sprache (pdf)
 
Der Tavares-Bericht in deutscher Sprache (pdf)

Der Bericht schließt mit der Empfehlung, dass nur eine Rücknahme der wesentlichen Punkte der 4. Verfassungsänderungen in Ungarn, ein Verfahren auf Grundlage von Artikel 7 vermeiden könnte. Tavares formuliert, dass in Ungarn "ein ernsthaftes Risiko des Bruchs von Grundrechten nach Aritkel 2 (Lissabon-Verträge)" besteht und belegt das vor allem mit den Auswirkungen der gemachten Gesetze auf die Gewaltenteilung, die demokratischen checks-and-balances und rechtsstaatliche Prinzipien. Sollte die ungarische Antwort nicht mit den gemachten Empfehlungen übereinstimmen, bliebe nur die Verfahrenseröffnung. Zunächst muss der Bericht noch durch das zuständige EP-Komitee und sodann vom Parlament selbst bestätigt werden, um überhaupt eine Grundlage für ein solches Verfahren darstellen zu können.

Europas Hammer: Über den Ablauf und die Risiken eines Artikel-7-Verfahrens
http://www.pesterlloyd.net/html/1311europashammer.html

Auch Tavares (Foto) fordert, wie zuvor schon der deutsche Außenminister Westerwelle im Namen von vier EU-Regierungen, ein dauerhaftes Monitoring-System für Grundwerte durch die EU-Kommission. Bis dahin will der Europarat Ungarn auf den Schirm nehmen, dessen Venedig-Kommission gerade einen eigenen Bericht erstellt. Der Tavares-Bericht ist bisher das gründlichste Dokument der EU hinsichtlich des Umbruchs in der Verfassungsordnung Ungarns, auch, da die EU-Kommission nur auf Verstöße nationaler Gesetze mit konkreten EU-Regularien, nicht aber auf Grundrechtsverstöße prüfen darf, ergaben sich bisher meist nur technische, formale Friktionen und kleinere rechtliche Auseinandersetzungen, jedoch keine grundsätzliche Infragestellung der demokratisch politischen Umbauarbeiten in Ungarn.

Lex hungarica: neuer EU-Schutzmechanismus für Grundwerte?
http://www.pesterlloyd.net/html/1317lexhungarica.html

Auf der ungarischen Regierungsseite sind die angekündigten und von der Regierung finanzierten Gefälligkeitsgutachten der "drei internationalen Verfassungsexperten" sowie des deutschen Staatsrechtlers Rupert Scholz mittlerweile publiziert worden. Während Erstere sich noch mit dem Schein einer abwägenden Facheinschätzung umgaben, auch wenn sie die nur geben können, in dem sie nur formal dem Text der Verfassung folgen, nicht aber die Komplexheit ihrer Auswirkungen beleuchten und somit Antworten auf die wichtigsten Fragen auslassen, jubilierte Scholz im ungarischen Staatsfernsehen nur so von der äußeren und inneren Schönheit der ungarischen Verfassung und verdammte die "unbegründeten Anschuldigungen". Er empfahl der Regierung in einem vollkommen unreflektierten Statement, eine bessere PR-Arbeit, die Verfassung aber sei total demokratisch und europäisch und vorbildhaft.

 

Einige Fidesz-Politiker, darunter auch EU-Abgeordnete, wehrten die im Tavares-Bericht gemachten Vorhaltungen mit den Worten ab, die EU versuche hier über das europäische Parlament und den Europarat die nationale Souvernität Ungarns einzuschränken, man werde sich aber nicht kolonialisieren lassen. Der Regierungssprecher nannte den Tavares-Bericht "voll von faktischen Fehlern", man werde ihn "genau studieren", um die "vielen Beispiele von Doppelstandards" darin bloßzustellen. Der Bericht sei rein "politisch motiviert" was ja schon daran zu erkennen sei, dass ihn nur "Sozialisten, Liberale, Grüne und Linke" befürworten, während die EVP-Fraktion ihn ablehnt, so der Regierungssprecher. Offenbar wollten die Rapporteure "Ungarn in die Zeit vor 2010 zurücksenden" und damit den "Willen der ungarischen Wähler übergehen." Fidesz-Fraktionschef Rogán meinte, dass auch dieser Bericht Teil des "Rachefeldzuges der internationalen Konzerne gegen die Energiepreissenkungen in Ungarn" sei.

Mehr zu den Verfassungsänderungen:
Die Systemfrage: Warum die Verfassungsänderungen in Ungarn ein echtes Problem darstellen
(darin weiterführende Links zur Thematik)
http://www.pesterlloyd.net/html/1315diesystemfrage.html

red.

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