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(c) Pester Lloyd / 30 - 2013   WIRTSCHAFT 24.07.2013

 

Entzug der Geschäftsgrundlage

Regierung von Ungarn bringt Spargenossenschaften unter ihre Kontrolle

Die Regierungspartei hat durch ein in aller Stille vorbereitetes Gesetz zur "Transfomierung genossenschaftlicher Finanzgesellschaften in ein neues System" praktisch die Verstaatlichung der Spargenossenschaften betrieben und ihnen damit ihren Sinn genommen. Der Schritt verärgert auch Verbündete und Fidesz-Kreise, die hofften, mit den Genossenschaften an lokalem Einfluss zu gewinnen und Marktanteile der Banken zu erobern.

Durch die Verschmelzung mit der weitgehend unter Staatskontrolle befindlichen Takarékbank übernimmt diese faktisch alle Aktiva der Spargenossenschaften und stößt sich damit gesund, denn im Gegenteil zu den Genossenschaften, ist die Takarékbank - so wie praktisch alle Geschäftsbanken - stark mit faulen Fremdwährungskrediten belastet. Während bei Ersteren ein Einlage-Kreditverhältnis von rund 2:1 besteht, liegt es bei den Banken meist bei 1:1+. Die Banken machten im Schnitt im Vorjahr 8% Minus, die Genossenschaften 8% Plus, gemessen an den Gesamteinlagen.

Nun ist das Geld der 1,1 Millionen Genossenschafts-Sparer durch die Übernahme seitens Takrékbank nicht automatisch weg, doch teilen sie sich durch die neue Struktur mit der Bank jetzt das Risiko von Ausfällen und Abschreibungen, etwas, was man eben genau durch die Genossenschaften umgehen wollte. Statt der lokalen Spezifik, die diese Art von Genossenschaften ausmachte, wird nun eine "ganz normale" Bank daraus, freilich die mit dem größten Filialnetzwerk, fast die Hälfte aller Bankniederlassungen gehören den Genossenschaften.

Schon Wochen vor der Übernahme kreirte die Bank mit dem TakarékPont eine neue CI, wohlwissend, dass man bald ein viel größeres Netzwerk bedienen wird als bisher. Was aber die Sparer am meisten wurmen wird, ist der Zugriff des Staates, der als Hauptaktionär der Takarékbank fungiert. Wenn es einen Konsens in der ungarischen Gesellschaft gibt, dann besteht der im Misstrauen gegenüber staatlichem Einfluss, ja dieses Misstrauen war praktisch die Geschäftsgrundlage für die Genossenschaften. Diese ist nun entfallen, es nähme kaum Wunder, wenn die Sparer ihr Geld abziehen und sich vertrauensvollere Anlageformen wählen.

Zunächst sah die "unkonventionelle" Politik der Fidesz-Regierung etwas ganz anderes vor, die Spargenossenschaften sollten gestärkt werden, um sie - auch gestützt durch protektionistische Gesetze - als lokale Konkurrenz zu den (oft westlichen) Banken ins Rennen zu schicken. Doch der Drang zur Zentralisierung und der Sanierungsbedarf überwogen letztlich und führten zu dem Kurswechsel, der nicht wenige der Genossenschaftsvorstände, wiewohl oft Fidesz-nah, in Rage versetzt.

Orbáns mehrfach verkündeter Plan ist, mindestens 50% des Bankenmarktes unter ungarische, lies "Staatskontrolle" also seine Kontrolle zu bekommen, derzeit sind es ca. 25%. Dafür hat man eine Kriegskasse von rund 400 Mio. EUR gebildet, neben der Takarékbank erwarb man bereits Anteile an der Széchenyi und der Gránit Bank (Demjén) sowie der DZ Bank. Auch die MKB, ungarischer Klotz am Bein der BayernLB steht auf der Wunschliste.

Die Vereinigung der Spargenossenschaften will das Vorgehen der Regierung denn auch nicht einfach hinnehmen und plant den Gang vor das Verfassungsgericht, da man in dem vorliegenden Eingriff in Eigentumsrechte einen Angriff auf individuelle und gesellschaftliche Grundrechte erkennt. Denn es wurden per Gesetz nicht nur die Aufsichtsrechte der Takarékbank (und damit indirekt des Staates) über die Genossenschaften ausgeweitet, sondern auch noch eine Art Zwangsverkauf der Anteile an die Bank verfügt, Werte, die in Summe (also einschl. der Spareinlagen) die Größenordnung der Einverleibung der privaten Rentenbeiträge (ca. 10% des BIP) noch übertreffen,
von denen ein Großteil längst ausgegben wurde. Man hätte seit damals gewarnt sein können, dass die Regierung vor Nichts halt machen würde, aber man hielt lieber an seinem Glauben fest.

Unterstützung bekommt die Genossenschafts-Vereinigung von den Arbeitgebern, deren wichtigste Organisation, die VOSZ, trägt die Klage mit. 105 der 124 ungarischen Spargenossenschaften sind Mitglied in dem Dachverband, der Einverleibung in die Takarékbank entging nur eine einzige, zufällig jene, die den Bau des
"State-of-the-art"-Stadions mit 3.500 Plätzen in Orbáns Heimatort Felcsút mitfinanziert. Die Genossenschaften glauben, vor dem VfG eine gute Chance haben. "Verlieren wir, ziehen wir vor ein EU-Gericht". Lässt man die Praxis des Staates, das Eigentum eines Jeden per Verfügung zu konfiszieren, jetzt geschehen, kann das immer wieder passieren, ob es sich um eine Versicherung, eine Zeitung oder sonst ein Unternehmen handelt, so der VOSZ-Vorsitzende.

 

Präsidiumsmitglied des VOSZ ist auch ein gewisser Sándor Demján, der - laut Presse-Ranking - reichste Ungar und das Faktotum der heimischen Oligarchenszene. Er legte sich mit Premier Orbán, mit dem er sonst eigentlich gut konnte, offen an, die beiden tauschten giftige, offene Briefe aus. Demján ist indes nicht der einzige "Magnat", der auf Orbán nicht mehr so gut zu sprechen ist, wie die ersten Jahre seiner Amtszeit. Auch OTP-Chef Csányi soll sich mit Orbán wegen dessen nicht enden wollender, unorthodoxer Schritte überworfen haben und verkaufte einen Großteil seiner Aktien an Ungarn größter Bank, als Warnzeichen für Investoren und Sparer, wie man munkelt.

Orbán könnte sich mittelfristig verschätzen. Verärgert er nämlich die Großindustriellen und die kleinen, lokalen Platzhirsche gleichzeitig, verdirbt er es sich mit einem wichtigen Teil seiner Basis. Gehen die Erträge der 1,1 Mio. Genossenschaftler wegen unvermeidlicher staatlicher Misswirtschaft zurück, wird als nächstes keine Bank, sondern eine Regierung liqudiert.

red.

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