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(c) Pester Lloyd / 38 - 2013   POLITIK 17.09.2013

 

Nationale Drückerkolonne

Unterschriften sammeln im Akkord:  Regierungspartei bezahlte "Aktivisten"

Voller Stolz resümierte die Fidesz-Fraktion dieser Tage, dass man angeblich 2,2 Millionen zustimmende Unterschriften für die Senkung der Wohnnebenkosten von den Bürgern erhalten habe. Möglich wurde das durch eine umfangreiche Tür-zu-Tür Aktion von vornehmlich jungen "Fidesz-Aktivisten". Wie jetzt herauskam, war deren Motivation jedoch eher pekunär statt patriotisch.

Ob im orangfarbenen Kampfanzug...

Dem Wochenmagazn HVG liegen Tonbandaufnahmen vor, dass Unterschriftensammler mit 100 Forint (rund 33 Cent) pro gültiger Signatur entlohnt worden sind, Fidesz-Funktionäre wurden zudem zur Koordinierung der Gruppen eingesetzt und ebenfalls dafür bezahlt. Die "beeindruckende Aktion von vielen Freiwilligen" mutiert im Nachklang also zu einem Großeinsatz von Drückerkolonnen.

Der HVG-Mitschnitt lässt einen jungen Mann hören, der sich ausrechnet, dass er pro Tag bis zu 8000, in der Woche rund 30.000 Forint (100 EUR) auf diese Weise leicht verdienen könne, womit er nach einem Monat Klinkenputzen mehr als einen ungarischen Mindestlohn - steuerfrei - abkassiert, denn für die steuerliche Meldung sei "jeder selbst verantwortlich". Aufmerksam auf den außerordentlichen Enthusiasmus einiger Gymnasiasten wurden deren Eltern. "Unser Junge war wochenlang jeden Tag verschwunden, selbst an Sonn- und Feiertagen bekamen wir ihn nicht zu Gesicht." Ja, die Eltern hatten sich schon Sorgen gemacht, dass er vom "rechten Pfad" abwiche, - immerhin hierin konnte Fidesz die Eltern schnell beruhigen.

Mit Fahrzeug wie Trüffeldealer aus dem Périgord im klassischen Stasilook

Nun fragt sich die Öffentlichkeit natürlich, aus welchem Topf die Regierungspartei diese Aktion bezahlt hat, aus Parteigeldern, Spenden oder gar Steuermitteln? Aus gar keinem, so die Antwort der Fidesz-Zentrale, die zunächst alles leugnete, anhand der Beweise dann aber meinte, das wären lokale Einzelfälle, wo vielleicht einmal ein Bezirks-Funktionär einen Aktivisten, der sich besonders verdient gemacht hat, ausgezeichnet habe. Die Opposition solle also gefälligst nicht übertreiben oder irgendwelche Tatsachen verdrehen.

Die Opposition findet es indes bemerkenswert, dass man für den "Kampf gegen Multis" nun schon Minderjährige rekrutiere und als bezahlte Söldner in die Fidesz-Politkriege schicke. Die Sache passe zur
Kubatov-Gesinnungsliste (der Fidesz-Generalsekretär ließ 2010 in Pécs durch Hausbesuche ein flächendenckende Liste mit der politischen Gesinnung von Bürgern erstellen, gesetzlich verboten), aber auch zu der unsäglichen, steuerfinanzierten "Nationalen Konsultation", bei der Hunderttausende Briefe mit Pseudobefragungen zu längst beschlossenen Sachverhalten übersandt wurden, wobei sich herausstellte, dass die Barcodes auf den Umschlägen eine individuelle Zuordnung der "anonymisierten" Antworten möglich machten.

oder wie hier in Form einer “Straßensperre”.
Den Unterschriftensammlern des Fidesz entkam in den vergagenen Monaten niemand...

Man solle sich nun die Rechnungslegung der Partei genau ansehen, immerhin geht es hier um Gelder zwischen 200 Mio. und 1 Milliarde Forint (30 Mio. EUR) von denen man schon wissen sollte, wo sie herkommen, fordert ein MSZP-Funktionär.

 

HVG hat noch ein bisschen weiter gebohrt und herausgefunden, dass die Fidesz-Parteizentrale, die für diese Aktion extra ein Gesetz ändern ließ, um auch wirklich legal an jede Haustür treten zu können, Mindestvorgaben pro Wahlkreis gemacht hat, damit sich die örtlichen Funktionäre auch bewegen. Angeblich sollen die fünf Entlassungen, die Orbán auf der Fraktionsklausur in Visegrád vornehmen ließ, auch mit der Nichterfüllung dieser Quote zusammenhängen. Da es um keine gesetzlich reglementierte Unterschriftensammlung, sondern eine informelle Propagandaktion ging, kann und darf natürlich niemand die Gültigkeit der Signaturen überprüfen, was zu einigen kreativen Geschreibseln geführt haben soll. Sich als interessierte Bürger ausgebende Journalisten berichteten davon, dass Aktivisten sie ermutigten, "ruhig auch mit einem anderen Namen" zu unterschreiben.

red.

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