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(c) Pester Lloyd / 42 - 2013   POLITIK   16.10.2013

 

Aufstand im Asylantenknast

Weggesperrt und angepöbelt: 60 Flüchtlinge traten in Ungarn in den Hungerstreik

Bereits seit einer Woche protestieren fünf im Asylantengefängnis von Békéscsaba inhaftierte Flüchtlinge aus Mali durch einen Hungerstreik gegen die Dauerhauft und katastrophale Bedingungen im Lager, heute schlossen sich weitere 55 Asylsuchende an.
Gerade erst hatte das Oberste Gericht auf UN-Kritik reagiert, die eine Behandlung von Flüchtlingen wie Verbecher als menschenrechtswidrig brandmarkten. Bei den Behörden scheint das nicht angekommen, der Direktor führt sich auf, als gehöre ihm das Leben der hilfesuchenden Menschen.

Die “Staatliche Einwanderungsunterbringung” in Békéscsaba,
hier anlässlich einer früheren Konfrontation

"Wir sind Flüchtlinge, keine Verbrecher", so fassen die 60 Protestierer ihre Aktion im Asylantenheim von Békéscsaba zusammen und verlangen ihre Freiheitsrechte und bessere Lebensbedingungen in der Verwahranstalt, das meldet die NGO Migráns Szolidaritás Csoport und fordert ihrerseits, dass sowohl die Einwanderungsbehörde als auch die Polizei, die das Lager betreibt, den Protest ernst nehmen, denn die Verantwortlichen wollen mit den Hungerstreikenden am liebsten kurzen Protest machen und die Probleme unter den Teppich kehren:

Am 12. Oktober verbrachte die Anstaltsleitung die fünf Malis in den Sanitätstrakt, woraufhin der Direktor die Delinquenten visitierte und ihnen ausrichtete, dass "diese Methode des Protestes ihnen nichts Gutes bringen" wird. Er "versprach", so übermitteln die Asylsuchenden, dass, wenn sie ihren Protest abbrechen, er sich dafür einsetzen könnte, dass ihre Asylverfahren "beschleunigt bearbeiter" würden. Danach wies er das Personal an, den Hungerstreikenden Essen vor die Nase zu platzieren, der Anstaltsarzt nahm Bluttests.

Seit dem 14. Oktober haben sich mindestens 50, womöglich sogar 60 weitere Lagerinsassen verschiedenster Nationen dem Protest angeschlossen, mittlerweile kann man also schon von einer umfassenden Revolte sprechen. Der Direktor ließ die Flüchtlinge daraufhin antreten und hielt ihnen einen langen Vortrag über ihre angeblichen Rechte und Pflichten. Dabei führte er aus, dass "der Protest gegen ihre Unterbringung eine Schande für Sie selbst und für Ungarn" ist und sich für Hilfesuchende schlicht nicht gebühre.

Neben dem grundsätzlichen "Missverständniss", Flüchtlinge wie gemeine und verurteilte Verbrecher zu behandeln, dem jetzt - nach massivem UN-Druck - ein juristischer Riegel vorgeschoben werden soll (hier mehr Aktuelles dazu, darin auch weiterführende Links), beklagen die Eingesperrten auch schlechtes und unpassendes Essen, das zum Teil offen gegen Ernährungsgewohnheiten und religiöse Traditionen verstößt, noch schlimmer seien aber "psychologische Untersuchungen" mit entsprechender Zwangsmedikation für "Querulanten", schmutzige Toiletten, fehlende Beschäftigung und Bewegungsmöglichkeiten sowie mangelhafte Schulangebote für Kinder.

 

Im Sommer entschied ein deutsches Gericht, dass Ungarn im Sinne von "Dublin II" nicht mehr als "sicheres Drittland" gelten könne, eine Rückabschiebung dorthin wurde daher aus "humanitären Gründen" untersagt. Und Békéscsaba, genauso wie das Lager in Debrecen, fallen längst nicht zum ersten Mal besonders negativ auf. Migráns Szolidaritás verweist darauf, dass es sogar in Ungarn Beispiele von viel offeneren und konfliktärmeren Unterbringungen gibt, die man ausbauen könne.

Die Lage in Békéscsaba bleibt unübersichtlich und die NGO macht sich nach der Schließung der Krankenstation für Kontakte zur Außenwelt Sorgen, "was mit diesen Menschen dort nun geschieht". So bleibt den Unterstützern derzeit nur der Rechtsweg, mit dem man wenigstens Anwälte und unabhängige Mediziner in das Lager bekommen will und wiederum die Anrufung internationaler Stellen. Die UN solle sich nun konkret um das Schicksal der Hungerstreikenden von Békéscsaba kümmern, da man zu den heimischen Institutionen kein Vertrauen haben könne. Einen entsprechenden Aufruf habe man an den UNHCR sowie den für Ungarn zuständigen Sonderberichterstatter für Menschenrechte übermittelt, mit Bitte um "schnellstmögliche Antwort."

red. / al.

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