THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 42 - 2013   GESELLSCHAFT   14.10.2013

 

Lebenslang im “Integrationscontainer”

Oberste Richter in Ungarn beugen sich UN-Druck zu Dauerhaft von Flüchtlingen

Die Kurie, der ungarische Ersatz für einen Obersten Gerichtshof, hat sich zur Kritik der Vereinten Nationen geäußert, die eine in Ungarn gängige Praxis rügten, wonach auf illegalem Wege eingewanderte Menschen, also vornehmlich Flüchtlinge, dauerhaft und ohne ordentliches Gerichtsurteil, von den Grenzbehörden eingesperrt werden. Nach 120 Tagen soll nun Schluss damit sein, in der Hoffnung, das “Problem” zieht weiter nach Westen...

“Integrationshaus” mit Stacheldraht und Eisenmauer. Ein Flüchtlingslager in Ungarn, hier Debrecen.
Dort “leben” - oft jahrelang - auch Kinder. Das Tor wurde für die Journalisten geöffnet.

Die Flüchtlingslager werden so zu Gefängnissen im rechtsfreien Raum umfunktioniert, Flüchtlinge, die sich keiner Straftat schuldig machten, pauschal kriminalisiert, zudem werden dort auch Kinder zusammen mit Erwachsenen "gehalten", ohne adäquate juristische oder humanitäre Betreuung. Die Zustände sorgten schon mehrfach dafür, dass deutsche und andere ausländische Gerichte die Rückabschiebung von weitergereisten Asylbewerbern nach Ungarn verweigerten, weil Ungarn, nach "Dublin II", nicht mehr als "sicheres Drittland" eingestuft wurde. Allerdings ergingen diese Urteile erst nach massiven Protesten darüber, dass Deutschland Asylfälle leichtfertig nach Ungarn abwälzt, wissend um die dortigen Zustände.

Die Kurie kommt bei ihrem Statement, das kein rechtlich bindendes Urteil, sondern eine Art Meinung bzw. Arbeitsvorschlag für die zukünftige Rechtspraxis darstellt, zu dem Schluss, dass die UN in sofern Recht hat, dass der bisher geübte Automatismus, bei dem Richter alle 60 Tage automatisch eine weitere "Verwahrung" anordneten, meist mit der Begründung "Fluchtgefahr", nicht aufrecht zu erhalten sei. Führt dieser doch zu einem langwierigen und theoretisch unbegrenzten Freiheitsentzug auch solcher Personen, die keinerlei strafbare Handlung begangen haben, nur weil ihr Herkunftsland, die Kurie spricht "vor allem die arabische Welt" an, eine Rücknahme über eine Abschiebung verweigert.

Die Empfehlungen der UN und die Einschätzung der Kurie sollten daher nun in "den höchsten juristischen Kreisen" besprochen werden, lies: das Justizministerium solle dafür sorgen, dass der angemahnte rechtsstaatliche Grundsatz: "keine Strafe ohne Verurteilung" auch auf Flüchtlinge angewendet wird. Der Vorschlag lautet nun dahingehend, dass Flüchtlinge, die keine Aussicht auf Asyl haben, bei denen aber eine Abschiebung ins Herkunftsland trotz des behördlichen Versuchs nicht möglich wird, nach spätestens 120 Tagen auf freien Fuß zu setzen. Warum niemand in Ungarn bisher darauf gekommen ist, dass die bisherige Praxis gegen fundamentale Rechte verstößt und erst die höchste Völkerversammlung das Land blamieren musste, bis sich etwas bewegt?

Es dürfte allen klar sein, dass auch diese Regelung die eigentlichen Probleme nicht lösen wird, Ungarn aber darauf hoffen kann, dass die "Freigesetzten" in der großen Mehrzahl weiter gen Westen ziehen werden, auf dass sich die dortigen Behörden um deren Schicksal kümmern müssen. Zu den menschenunwürdigen Zuständen in den Flüchtlingsgefängnissen selbst, die auch Teil der UN-Einschätzung waren, äußerte sich die Kurie nicht, denn das ist kein juristisches "Problem". Die UN sollte hier den Druck nochmals erhöhen, der offenbar etwas bewirken kann, denn die EU ist ja beim Thema Flüchtlinge ein Totalausfall und lieber mit der Aufrüstung der Festung als mit der Rettung von Leben oder der Verbesserung der Lebensumstände befasst.

Zum Thema:

Deutschland untersagt Rückabschiebung nach Ungarn, aus humanitären Gründen
http://www.pesterlloyd.net/html/1337verbotabschiebungde.html

Straftat Asyl: Ungarn behandelt Flüchtlinge wie gemeine Verbrecher
http://www.pesterlloyd.net/html/1219unhcrungarn.html

Zwischenlager Ungarn: Weggesperrt - Über die Situation von Asylbewerbern in und aus Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/2012_07/07asylpolitik/07asylpolitik.html

Asylanträge in Ungarn gestiegen, 3% bekommen "Schutz"
http://www.pesterlloyd.net/html/1319asyl2013q1.html

Weitere UN-Interventionen gegen die ungarische Politik:

UN kritisiert Obdachlosengesetze in Ungarn
UNO kritisiert Ungarn wegen Wahlverbot für Behinderte 2010
UN-Organisation kritisiert neues Arbeitsrecht in Ungarn
UN schickt Rassismus-Beobachter nach Ungarn
UNO interessiert sich für das Mediengesetz in Ungarn

red.

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