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(c) Pester Lloyd / 46 - 2013   POLITIK   13.11.2013

 

Dienstanweisung: Jubel

Ungarische Handelskette CBA verdonnerte Mitarbeiter zum "Friedensmarsch"

Wieder einmal fühlt man sich in Orbáns Ungarn in Zeiten des Poststalinismus zurückversetzt. Wie aus einem Schreiben der Firmenleitung von CBA, nach Tesco der größten Lebensmittelhandelskette des Landes, hervorgeht, wurden die Mitarbeiter für den Nationalfeiertag des 23. Oktobers aufgefordert, am "Friedensmarsch" der Pro-Regierungs-Bewegung teilzunehmen, um ein Zeichen gegen die "liberalen Bastarde" zu setzen und dem "größten Politiker" zuzujubeln.

Dies sei nicht nur eine Möglichkeit den Opfern von 1956 zu gedenken, sondern auch "eine gute Gelegenheit unserer nationalen Regierung unsere Unterstützung zu demonstrieren", heißt es in dem Schreiben an die "große Familie", das von zwei Vorständen, gleichzeitig die größten CBA-Anteilseigner, unterzeichnet wurde. Es sei wichtig, den "nationalen Zusammenhalt zu stärken", denn nur die "vereinten Kräfte des Volkes" seien in der Lage, die Ambitionen der "postkommunistischen, liberalen Bastarde", die nur den Interessen "ausländischer Multis" dienen "zurückzuschlagen" und den "Wohlstand und die Entwicklung Ungarns" zu sichern. "Bitte schließt Euch uns beim Friedensmarsch an und hört die Feierrede von Premier Orbán... (...) Es ist sehr wichtig für alle von uns, dass wahre Patrioten den größten nationalen Politiker Ungarns unterstützen."

Die Absender bezeichneten den Brief als eine "private Einladung", nach Aussagen von Mitarbeitern gingen jedoch Vorgesetzte in den Läden mit Listen herum, auf denen - aus "organisatorischen Gründen" - eingetragen wurde, wer am Marsch in Budapest teilnehmen will - und wer nicht. Das Unternehmen stellte auch den Bustransfer und sogar eine Kinderbetreuung zur Verfügung. Auf dem Schreiben wurden die Geschäftsmanager dezidiert zur Verbreitung aufgefordert, eine Umflaufmappe war abzuzeichnen, um Vollzug zu melden.

Es ist davon auszugehen, dass - um nicht negativ aufzufallen - mehrere tausende, wenn nicht zehntausende Teilnehmer am 23. Oktober auf dem Heldenplatz CBA-Mitarbeiter waren. Unsere Reporter vor Ort machten zudem auch Schüler ausfindig, die angaben, dass sie vom Lehrer "Extrapunkte" im Unterricht bekommen, wenn sie mit nach Budapest fahren. Bei früheren Friedensmärschen wurden auch von örtlichen Bürgermeisterämtern organisierte Fahrdienste für ältere Dorfbewohner, bezahlte Studenten sowie durch Fidesz-Romafunktionäre organisierte Reisen dokumentiert.

Das Vorgehen und der Duktus des aktuellen CBA-Briefes sind eine weitere schauerliche Erinnerung an die Zeiten des Kádár-Regimes - und davor - als die Indoktrinationen der staatstragenden Partei bis in die Betriebe und das Privatleben der Menschen hineinreichte, die man regelmäßig zu "Winkelementen" degradierte. Für Verweigerer der "Einladung" dürfte die Karriere bei der Firma zumindest nicht einfacher werden.

 

Die Handelskette ist im überwiegenden Besitz von großen Playern auf dem ungarischen Lebensmittel- und Agrarmarkt, die in persönlichen Nahverhältnissen zu den einflussreichsten Politikern des Fidesz gelten. Der kleinere Teil des zweitumsatzstärksten Handelsunternehmens des Landes gehört den Pächtern der in einem Franchise-System vergebenen Geschäfte (rund ein Drittel aller Läden). CBA-Vorstände finanzierten regelmäßig den Wahlkampf des Fidesz und wurden von der Regierung dafür direkt belohnt: bei der Sondersteuer für Handelsunternehmen, die nach Umsatzgröße gestaffelt ist, werden die CBA-Geschäfte einzeln, nicht als Firmengruppe berechnet, womit viele unter den Freibetrag fallen, während z.B. Tesco oder Lidls Umsätze zusammengefasst werden, was einen deutlich höheren Steuersatz zur Folge hat. Auch bei den Landverpachtungen über den nationalen Bodenfonds werden CBA-"Barone" regelmäßig großzügig bedacht.

CBA ist neben den an Parteifreunde vegebenen Lizenzen für die Tabakläden, den übernommenen Spargenossenschaften sowie den "Regierungsbüros" eine der wesentlichen "informellen" Machtsäulen des Fidesz, vor allem im ländlichen Raum.

Hier mehr zur “Allianz der Phantome” hinter der “Friedensmarsch-Bewegung”
http://www.pesterlloyd.net/html/1249phantomallianz.html

 

red.

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