THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 04 - 2014 WIRTSCHAFT 23.01.2014

 

Patriotenklausel

Verschobene Ausschreibungen im Straßenbau: EU verlangt halbe Milliarde Euro von Ungarn zurück

Die EU hat wieder einmal Unregelmäßigkeiten bei mit EU-Geldern finanzierten öffentlichen Ausschreibungem entdeckt und fordert nun von Ungarn rund 170 Milliarden Forint, also ca. 560 Mio. EUR zurück. Dabei geht es um einen Auftrag für den Straßenbau, finanziert aus dem EU-Infrastrukturfonds. Ausländische Bewerber wurden von der Vergabe praktisch ausgeschlossen, ...

...wenn sie nicht wenigstens einen ungarischen Partner ins Boot holten. Erreicht wurde das in dem konkret beanstandeten Fall dadurch, dass der Bewerber zwingend eine eigene Asphalt- bzw. Zementfabrik in Ungarn nachweisen musste. - Das zuständige Ministerum weist den EU-Vorwurf des Verstoßes gegen Wettbewerbsregeln zurück und verweist auf einen Fall aus 2007, bei dem in der Ausschreibung u.a. die Mitgliedschaft des leitenden Ingenieurs des Bewerbers in der ungarischen Berufskammer verlangt wurde. Damals sei man auch "mit einer kleinen Korrektur" durchgekommen. Laut der regierungsnahen Zeitung "Magyar Nemzet" handelt es sich bei der von Brüssel verlangten Buße (im Regierungschinesisch als "Anpassung" bezeichnet) um ein Viertel der Auftragshöhe von 675 Mrd. Forint (2,2 Mrd. EUR).

Wir machen die Heimat platt. Straßenbau muss patriotisch sein...

Die "Patriotenklausel" in Ausschreibungsunterlagen ist ein in Ungarn seit Jahren gängiges Verfahren, dient aber nicht in erster Linie dazu, den Auftrag und damit den Gewinn daraus in Ungarn zu halten, sondern "befreundete" Unternehmer oder solche (auch ausländische) Unternehmen in Stellung zu bringen, die so tief in Ungarn vernetzt sind, dass die "Richtigen" beim Auftrag mitschneiden können.

Das Entwicklungsministerium verhandelt nun mit Brüssel darüber, ob die Rückzahlungssumme dem ungarischen EU-Budget ganz entzogen werden soll oder möglicherweise für andere Aufträge "umgeleitet" werden könnte, was Beobachter mit Verweis auf das Ende der Budgetperiode jedoch für unwahrscheinlich halten.

 

Sollte die Regierung gezwungen sein, den Betrag in Gänze zurückzuüberweisen, könne das nur aus der Budgetreserve geschehen, die damit vollständig aufgebraucht würde. Das beauftragte Unternehmen könnte für die Sache jedenfalls nicht haftbar gemacht werden. Jede weitere Verwerfung, ein Hochwasser, ein "strategisch notwendiger" Kauf o.ä. und die in der EU zulässige Defizitgrenze wäre nicht mehr zu halten. EU-Millionen-Beauftragter Lázár will in der kommenden Woche den EU-Regionenkommissar Hahn (ÖVP, AT) treffen, um zumindest eine Reduzierung der Strafhöhe auszuhandeln.

Gleiches gelang kürzlich, als Brüssel zeitweise fast alle EU-Fördertöpfe wegen "unvollständiger und nicht nachvollziehbar Abrechnungen"
für Ungarn verschloss. Über 2 Milliarden Euro, allein für 2013 standen auf dem Spiel. Die EVP-Parteifreunde in Brüssel und Budapest einigten sich am Ende auf eine vergleichsweise harmlose "Strafe": 250 Mio. EUR mussten in andere Projekte umgebucht werden, womit dem formalen Bedürfnis der EU-Administration Genüge getan ward, ohne etwas an den Zuständen ändern zu müssen...

Welche Dimensionen die Hinterziehung von EU-Fördermitteln in Ungarn mittlerweile erreicht hat, wird in diesem Beitrag belegt: Schattenreich der Kleptokraten: Legalisierung des Illegalen: geschäftsmäßige, amtliche Plünderung von Fördergeldern

red.

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