THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

(c) Pester Lloyd / 05 - 2014   WIRTSCHAFT 31.01.2014

 

Selbsterfüllende Prophezeiung

Absturz des Forint: Regierung macht auf cool und überhört Schmerzensschreie der Forex-Schuldner

Der Forint näherte sich am Freitagvormittag bereits der 312er Marke zum Euro und markiert ein Mehrjahreshoch nach dem nächsten. Der Auslöser für diesen erneuten
(
längst nicht den ersten) erdrutschartigen Absturz des Forint lag vor allem in der massiven Zinsanhebung der türkischen Zentralbank zur Währungsstützung, die Ursachen dafür liegen aber tiefer und sind hausgemacht. Doch die MNB winkt ab: bis 330 ist alles kein Problem.

12.48 Uhr: 1 EUR = 313,833 HUF
12.30 Uhr: 1 EUR = 312,555 HUF
11.35 Uhr: 1 EUR = 311,799 HUF
Entwicklung des EUR/HUF-Kurses seit Jahresanfang 2014

Denn durch die massiven Leitzinssenkungen der ungarischen Nationalbank, MNB, von 7% im August 2012 auf zuletzt 2,85%, angeblich zur Wachstumsbelebung und Kreditverbilligung (hier mehr dazu), stand der Forint ohnehin schon länger auf der Verkaufsliste der Devisenhändler, zumal die ungarische Regierung wenig vertrauenswürdige Signale hinsichtlich attraktiver Entwicklungen in der nahen bis mittleren Zukunft ausgab. Ungarn ist weder eingroßer Markt, noch gibt es hier irgendeine Dynamik zu schützen, auf Gnade der Währungsspekulanten sollte Budapest also lieber nicht hoffen.

Der Kursruckler verdeutlicht dafür umso mehr, auf welch sandigem Boden die Regierung ihre Prognosen und ihr Budget aufbaut, aber gleichzeitig so tut, als seien die Fundamente magyarischen Wirtschaftens uenrschütterlich und unabhängig aller sonstigen Entwicklungen dieser Welt.

> Die Folgen des Währungsverfalls sind jedes Mal konkret und spürbar: entweder die Staatsschulden steigen deutlich, weil sie zum größeren Teil auf Fremdwährung lauten oder die Devisenreseven von Regierung und MNB schmelzen, was wiederum dem Forint zusetzt.

> Die
Zins- und Tilgungsrate der Hunderttausenden in Fremdwährungskrediten (hauptsächlich CHF) überschuldeten Bürgern steigen weiter spürbar, damit sinken die Konsumausgaben, mit Auswirkungen wiederum auf Arbeitsplätze und Investitionen, die sich - wie auch Energieimporte - ohnehin durch den schwachen Forint schon deutlich verteuern. Hier entstehen gleich mehrere unangenehme Teufelskreise, vor allem in einem Land, das kaum ein soziales Netz und so gar keine materiellen Spielräume hat.

> Die oft gerühmten positiven Effekte auf die Exportwirtschaft kann man - zumindest im großen Maßstab - vernachlässigen, weil die ganz großen Player ohnehin längst in Euro bilanzieren und auch wissen, warum. Dass ein paar kleinere Hersteller von ländlichen Agrargütern einen besseren Schnitt machen als sonst, wiegt die gesamtgesellschaftlichen Verwerfungen nicht auf.

> An Auslandsreisen brauchen immer weniger Ungarn zu denken, für Ausländer wiederum verbilligt sich der Städtetrip nach Budapest etwas.

Wie sehr Regierungschef Orbán, ein weltweit anerkannter Experte für die Währungsprobleme von Schwellenländern, das Schicksal seiner verschuldeten Bürger bewegt, belegte er am Freitagmorgen einmal mehr. In seiner periodischen Radioansage "180 Minuten" erkärte er lediglich, dass die Regierung sich "nicht zu ändernden Forint-Kursen" äußern sollte.

 

Seine - total unabhängige - Nationalbank ließ über Vizegouverneur Gerhardt ausrichten, dass man vor 325 zum Euro gar nicht intervernieren werde und eine "Toleranz" bis zur 330er Marke habe, bis man den Leitzins eventuell überdenkt. "Jede Reaktion wäre zum jetzigen Zeitpunkt falsch". Das mag stimmen, man hätte aber früher anders handeln können und müssen. Dieser fesch klingende Spruch eines abgebrühten Forex-Hasen hätte dann Sinn und Wirkung, wenn er auf verlässliche Handlungen von Regierung und Kollegen hoffen könnte und wirklich ein Plan vorhanden wäre.

Doch nicht einmal auf die Fundamentaldaten ist hierzulande mehr Verlass, jede Zahl aus dem Statistischen Zentralamt ist heute - wenn noch nicht verfälscht - so doch politisiert. Nur mit manipulierten Statistiken wie unter Kádár kann der Premier von über 100.000 Arbeitsplätzen mehr als im Vorjahr jubeln. Die Argumente für Leitzins und Währungspolitik unterliegen dem gleichen “Zweck”.

Die Nennung konkreter Hausnummern, hier Kursziele seitens der Währungshüter ist zudem ungewöhnlich und mehr als ungeschickt, geben sie ja den spekulierenden Händlern geradezu eine Handlungsempfehlung, bis wohin man reizen kann, mit welchen Folgen zu rechnen ist. Es ist nicht das erste Mal, dass der Forint Opfer der selbsterfüllenden Prophezeiung aus den Mündern der Budapester Experten wurde. Zahlen müssen dieses Hobby immer die einfachen Bürger, ob Schuldner oder "nur" Steuerzahler.

red.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.