THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 15 - 2014   WIRTSCHAFT 10.04.2014

 

Angriff auf unseren "Way of Life"

Angefressen oder angesoffen? Wie Ungarn auf das EU-Verbot der Steuerfreiheit auf selbstgebrannten Alkohol reagiert

"Ungarn hat mit der Verbrauchsteuerbefreiung für Branntwein, der privat und in
kleinen Mengen hergestellt wird, gegen Unionsrecht verstoßen." So lautete am Donnerstag das kornklare Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg. Ungarn muss auch auf Branntwein für den Eigenbedarf aus selbst geliefertem Obst den in der EU vorgesehenen Mindestverbrauchsteuersatz anwenden. Der ungarische Landwirtschaftsminister beschimpft Richter und EU daraufhin derart unflätig, als wolle man ihm selbst den Schnapskonsum verbieten...

Landwirtschaftsminister Fazekas, rechts, 2012 auf der Grünen Woche mit Berlins
regierender Partynudel Wowereit - und natürlich einem Gläschen.

Erläutert hat der EuGh seinen Spruch wie folgt: "Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten, auf Ethylalkohol eine Verbrauchsteuer zu erheben, deren Mindestsatz sich für alkoholische Getränke – außer Wein und Bier – auf 550 Euro pro Hektoliter reinen Alkohols beläuft. Allerdings ist es Ungarn gestattet, auf Alkohol, den Brennereien aus von Obsterzeugern geliefertem Obst herstellen und der für deren Eigenverbrauch bestimmt ist, einen ermäßigten Verbrauchsteuersatz anzuwenden. Der Vorzugssatz der Verbrauchsteuer darf jedoch nicht weniger als 50 % des normalen nationalen Verbrauchsteuersatzes auf Alkohol betragen. Außerdem ist seine Anwendung auf 50 Liter Alkohol pro Jahr und pro Obsterzeugerhaushalt begrenzt." Die gesamte Presseaussendung des EuGh hier.

Ungarn muss auf dieses Urteil nun reagieren, in dem es die entsprechenden Vorgaben erfüllt, andernfalls droht eine empfindliche Geldstrafe. Es ist ein Routineverfahren, eigentlich eine Marginalie, das nichts weiter bezweckt, dass sich auch Ungarn und auch in dieser Frage an Unionsrecht hält, wie möglichst alle Mitglieder. Übrigens bedeutet das Urteil umgelegt auf den maximal möglichen Rabatt 2,25 EUR pro Liter reinen Alkohols bzw. ca. 90 Cent Forint für einen Liter normal starken Pálinka. Die Steuer sollte direkt in den Gesundheitsfonds fließen.

Doch die klaren Hinweise auf EU-Regularien, denen sich Ungarn, das - daran sei an dieser Stelle doch noch mal erinnert, seit 2004 der EU angehört - unterworfen hat sowie die Möglichkeit eines ermäßigten Steuersatzes wurde von Landwirtschaftsminister Fazekas in seiner großbäuerlich, dabei aber doch nicht unproletischen Art ignoriert. Er sieht in dem Urteil "eine empörende Provokation der Richter", die es sich im Verband mit den "Brüsseler Bürokraten" anmaßten, die "ungarische Position zum Pálinka" überhaupt "zu kritiseren". So der Minister auf einer "außerordentlichen" Pressekonferenz.

Er stellte das Urteil im Weiteren so dar, als wolle die EU den Ungarn den Schnaps ganz verbieten und sagte, "unser Pálinka ist ein Hungaricum, ein Schatz", es gibt "hochqualitative Produkte" und die Regierung "werde Wege und Mittel finden", diese "Tradition" diesen "Way of Life" diese "nationale Erfolgsgeschichte" "gegen den Angriff der Bürokraten" zu schützen, die, offenbar mit dem Wahlergebnis unzufrieden, sich "nun an Ungarn rächen wollen.".

Natürlich erwähnte Fazekas für seine Landsleute nicht, dass es genau die Hersteller der "hochqualitativen" Produkte sind, die unter der nicht endenden Flut von Billigfusel aus Opas Destillierschuppen leiden, denn diese werden durchaus besteuert - und das nicht nur mit dem von der EU geforderten Mindestsatz. Auch sonst ist die ungarische Administration nicht gar so zimperlich bei Beschränkungen. Im Sinne der “Volksgesundheit”, des “Jugendschutzes” und im “Kampf gegen Schmuggel und Schwarzmarkt” - und nur in diesem Sinne - überlegt man ernsthaft ein staatliches (lies: fidesz-gemäßes) Verkaufsmonopol für Alkohol (für Tabak gibts das schon) einzuführen und will - ganz aktuell - auch das Mindestalter für den Zigarettenkonsum auf 21 Jahre erhöhen sowie Alkohol nur noch “im privaten Umfeld”, in Restaurants, nicht aber mehr in Bars und Diskotheken erlauben. Aber Papa soll weiter billig saufen können, irgendetwas passt da nicht zusammen...

 

Fazekas drohte heute Brüssel: Man werde sich nun mit Slowenien (in Worten: Slowenien) zusammenschließen, deren rechtliches Umfeld ähnlich wie das ungarische sein soll und die Details sowie Optionen für einen Ausweg prüfen. - Wie viel Pálinka er schon intus hatte, verriet der Minister den dürstenden Journalisten nicht. Wir empfehlen den Richtern in Luxemburg juristische Schritte wegen Missachtung des Gerichtes und Verleumdung einzuleiten, denn als Regierungsvertreter ist Fazekas in dem Verfahren Partei.

Es ist in dieser Woche, nach dem Urteil zum Datenschutzbeauftragten und Kritik am Kirchengesetz (vom EuGfM) bereits das dritte Urteil eines Europäischen Gerichtshhofes gegen Ungarn. Die neue Metro 4 hatte eine Panne, Samsung schloss ein Werk mit 800 Mitarbeitern, der Zoo von Debrecen musste wegen eines an Milzbrand verendeten Löwen gesperrt werden und “Linksextremisten” zerlegen jeden Tag den schönen Bauzaun um das Okkupationsdenkmal. Da kann man schonmal aus der Haut fahren...

Zum "Kulturgut Suff" und dem "Angriff auf unsere Kultur" haben wir hier schon alles gesagt http://www.pesterlloyd.net/html/1407biszumletztentropfen.html , weshalb wir uns an dieser Stelle weiterführender Ausarbeitungen enthalten möchten.

red

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