THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 07 - 2014   BOULEVARD 15.02.2014

 

Bis zum letzten Tropfen

"Angriff auf unsere Kultur": EU will steuerfreien Pálinka in Ungarn verbieten - Ein Plädoyer für den steuerfreien Grundrausch

Unser Zentralorgan, die "Magyar Nemzet", warnt vor einer grauenhaften Nachricht, die  - einmal mehr - aus dem Dunstkreis des "neuen Moskau", also der EU, auf Ungarn zurollt: In Kürze wird der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über eine Klage der EU-Kommission entscheiden, worin es um die 2010 - als eine der ersten Maßnahmen der Fidesz-Regierung -durchgesetzte Steuerbefreiung für selbstgebrannten Pálinka geht. Es sieht nicht gut aus...

Wie die Zeitung von nicht näher benannten "EU-Quellen" wissen will, wird das baldige Urteil "gegen Ungarn" ausfallen, d.h., wir zitieren wörtlich: "das Land wird gezwungen werden, wieder eine Verbrauchssteuer auf jede Menge hausgemachten traditionellen Geistes zu erheben." Steuer auf Geist. Die Nachricht schlägt ein. Erst mussten wir endgültig akzeptieren, dass wir das Label "Tokaj" mit den sogenannten Slowaken teilen müssen - und nun das...

Derzeit sind 50 Liter zu max. 86% Alkohol oder 100 Liter bis zu 43% für "den privaten Bedarf" steuerfrei. Das sind bei zwei Erwachsenen in der Familie pro Kopf und Woche zwei große Pullen harter Stoff! Der Weiterverkauf ist eigentlich verboten, aber unter der Hand Gang und Gäbe. Ja es gibt mittlerweile "Experten", die ganze informelle Handelsketten aufgebaut haben, erkennbar an dem sehr tiefliegenden Kofferraum ihrer Rostlauben. Sogar von regelrechten Exportunternehmen ist bereits die Rede.

Für alles über das freie "Maß" hinaus und für kommerzielle Zwecke sowieso gilt eine Alkoholsteuer von umgerechnet ca. 4 EUR / Liter (ausgenommen die Produktion für medizinische Zwecke). Darin sah die EU-Kommission einen existenzgefährdeten Wettbewerbsnachteil für jene Marktteilnehmer, die von der Erzeugung und vom Verkauf von Obstbränden leben. Vor allem die Anbieter von - höflich formuliert - preisgünstiger Massenware aus ungarischer Produktion wie aus Importen, können mit dem Billigfusel aus den Hobbykellern und -gärten nicht mithalten, zumal im legalen Handel und in der Gastronomie ja auch noch eine 27%ige Mehrwertsteuer zu Buche schlägt, von den ganzen Werbe-, Listungs- und Lieferkosten abgesehen. Aber auch qualitativ hochwertige Manufakturen und große Premiumhersteller, hier sei an erster Stelle Zwack Unicum mit seiner Edeldestille in Kecskemét erwähnt, leiden mittelbar an der Marktübersättigung mit zweifelhaften Destillaten, die die Verirrungen und Verrohung des Geschmacks weiter vorantreiben.

Die EU-Kommission setzte vor
einem Jahr das fällige Vertragsverletzungsverfahren an, nicht weil man was gegen Ungarn hat, sondern weil es die EU-Binnenmarktsregeln nun einmal so vorsehen, - behauptet die EU. Die Regierung wollte und will aber bis zur "letzten Instanz", sozusagen bis zum letzten Schnapstropfen das "ungarische Kulturgut" verteidigen, denn - so teilt man es der Welt mit - der selbstgebrannte Obstler, hier Pálinka, das sei der Stolz des ungarischen Landmannes, ihm wesenseigen. Dieser, wie auch "andere Angriffe auf unsere Lebensweise" werde man "zurückschlagen", der Pálinka aus des Bauern eigener Frucht, das ist eine "jahrhundertealte bäuerliche Tradition der Ungarn", die man sich "von den Bürokraten" in Brüssel "nicht nehmen lassen werde."

Nun: Tierquälerei, Inzest, Judenpogrome oder die Entsorgung von Müll in der Natur haben auch eine gewisse Tradition auf dem Lande, die teilweise noch weiter zurückreichen als der Pálinka, sie sind aber dennoch irgendwann, aus guten Gründen, verboten worden. Warum klammert sich eine Regierung, die sonst nachweislich unter pathologischem Kontrollwahn leidet, so an diese spezielle Freiheit?

Der engagiert geführte Kampf um das "Kulturgut Suff" widerspricht schließlich auch der sonst betonten Fürsorge für die "Volksgesundheit", die bereits als Vehikel für die Einführung einer sehr selektiven
"Chipssteuer" auf "ungesunde Lebensmittel", die sogenannte “Fat tax”, konsequente Rauchverbote im öffentlichen Raum und das Fidesz-Tabakhandelsmonopol (Schutz der Jugend!) diente. Stolz steht ein kürzlich errungener Gesundheitspokal der WHO für den Nichtraucher-Propheten Orbán neben den wenigen Fußballpokalen in der Vitrine in Felcsút.

Obwohl wir bei jedem Glas "Auf die Gesundheit" anstoßen, sterben unsere magyarischen Männer rund 7 Jahre früher als der EU-Schnitt. Das liegt nachweislich nicht daran, dass sie sich für unsere ungarischen Damen zu sehr verausgabt hätten. Die wüssten das sonst. Nein: Herz-Kreislauf ist ab 60 Todesursache Nr. 1, gefolgt von Krebs und Leber. Jeder Menge Leber... Deshalb schafft es der Schnitt auch nur bis 71, statt auf 78 wie der Rest Europas. 40% der Männer sterben vor dem 64. Lebensjahr. Das freut wirklich nur einen: die Rentenkasse. Ist das ein Hinweis? - Selbst die polnischen Männer (!) werden durchschnittlich 1,4 Jahre älter als wir, die Tschechen 3,2 (Bier ist also doch Medizin!), die Slowaken 1,4, nur die Rumänen überleben wir im Schnitt um einen Monat, wobei dort eben auch viele Ungarn leben, mit den Széklern sogar die urigsten überhaupt.

 

Es muss also noch etwas anderes dahinter stecken als nur die "Tradition", die unsere Regierung so kämpfen lässt: Die gegen Ungarn vereinigte europäische Linke "und ihre inländischen Vasallen" behaupten ja, dass dem "Orbán-Regime" an einer gewissen Ruhigstellung der ländlichen Massen, an einem volkseigenen Grundrausch gelegen sein könnte. Alkoholisiert fällt man Entscheidungen langsamer, schläft mehr, hat Probleme bei der Orientierung, dem Erinnerungsvermögen - und der Motorik. Alles Erscheinungen, die der Regierungspartei in die Hände spielen können, erst Recht, wenn es einmal nicht so optimal laufen sollte wie die letzten vier Jahre! Doch selbst den Linken bleibt so die Möglichkeit, ihren Kummer über ihr politisches Versagen rauschvoll und billig zu ertränken, was nach den kommenden Wahlen wieder einmal bitter nötig sein wird.

Nüchtern, das hat unser Vorsitzender Orbán wieder einmal besser verstanden als die "Brüsseler Bürokraten", nüchtern sind wir Ungarn weder zu regieren noch zu ertragen. Dem "Friedensprojekt EU" sollte das durchaus eine Ausnahmegenehmigung wert sein! Egészségedre!

cs.sz. / red.

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