THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 17 - 2014   BOULEVARD 22.04.2014

 

Ein Colosseum für den Imperator

Monument des "neuen" Ungarn: Orbán feiert sich und sein neues Fußballstadion

Am Ostermontag wurde in Orbáns Heimatort Felcsút das neue Fußballstadion, die Pancho Arena, mit einem pompösen Festakt und einem "internationalen Turnier" eröffnet. Das offiziell rund 13 Mio. EUR teure Projekt, das überwiegend aus einer eigens dafür eingeführten Sondersteuer für "beliebte Mannschaftssportarten" finanziert wurde, ist nun die Hauptattraktion in Orbáns privatem pannonischen Disneyland, Monument der Postdemokratie.

Ein Stadion - ein Statement.

Mehr zum Stadienbau-Boom und zum FC Gernegroß in Felcsút

Eigentümer und Betreiber des Stadions mit 3.800 Plätzen (bei 1.700 Einwohnern) ist die Puskás Ferenc Fußballakademie, Gründer: Viktor Orbán, dessen Landhaus nur wenige Meter neben dem Stadion gelegen ist. Präsident der Stiftung ist Lörincz Mészáros, Bürgermeister von Felcsút, langjähriger Freund der Familie Orbán und Inhaber eines Firmengeflechts, das - zusammen mit der Közgép-Gruppe des Fidesz-Oligarchen Lajos Simicska - einer der Hauptausführenden des Baus war.

Festreden, Rasenchoreographien, Militärblaskapelle, Lasershow, Feuerwerk, Internationales Turnier, Buffets, Danksagungen, Hymne: der Ostermontag in Felcsút...

Der Entwurf stammt vom 2011 verstorbenen Stararchitekten Imre Markovecz, Pate der sog. "organischen Architektur", einer Richtung, die in Ungarn eher eine pseudo-folkloristische "pannonische" Richtung nahm und als Großungarn-Baustil oder Fidesz-Gotik mehr ein Statement, denn ein Baustil wurde.

Die U17 von Real Madrid (Ex-Club von Legende Puskás) lässt sich von Orbán als Sieger des ersten internationalen Turniers im neuen Stadion feiern. Wer weiß, wie in Spanien Stadien finanziert werden, wundert sich nicht, dass die iberischen Freunde kaum Berührungsängste mit ihren ungarischen Freunden haben...

Bei der Eröffnungsfeier war neben einer Menge Fidesz-Prominenz (gerne auch mit eigenen Stadionprojekten befasst) auch der wegen Betrugs (Doktorarbeit abgeschrieben) zum Rücktritt genötigte Ex-Präsident Schmitt als Festredner engagiert. Wirtschaftsgrößen wie der OTP-Chef und Lebensmitteloligarch Csányi, der auch Präsident des nationalen Fußballverbandes ist sowie der von Kroatien mit internationalem Haftbefehl gesuchte MOL-Chef Hernádi waren ebenso auf der VIP-Tribüne zu sehen, wie der deutsche Rekordnationalspieler und kurzzeitige ungarische Nationaltrainer Lothar Matthäus, der - nur der Turul weiß, warum - direkt neben Orbán Platz nahm.

Dem Regierungschef einen blasen...

Das Stadion hat seinen Namen "Pancho Arena" dem Spitznamen der Fußballlegende Ferenc Puskás während dessen Zeit bei Real Madrid zu verdanken. Eine Real-U17-Jugendmannschaft aus der spanischen Hauptstadt trat, neben einer Fußballschule aus Australien, einem Team aus Griechenland (Panthinaikos Athen), von Dynamo Zagreb sowie heimischer Mannschaften am Ostermontag auch zum Eröffnungsturnier, dem Suzuki Cup an, ein Offizieller des spanischen Fußballverbandes war ebenfalls unter den Festrednern. Ansonsten betreibt die Puskás-Akademie mit dem FC Felcsút (offiziell Puskás Akademie) praktisch die Zweit- und Jungendmannschaft des FC Videoton Székesfehérvár und liegt derzeit auf Platz 12 der obersten Liga (von 16).

Das neue Stadion in “Fidesz-Gothik”

Mészárós, die Orbáns sowie weitere "befreundete" Familien wurden in und um Felcsút in den vergangenen Jahren zu den größten Landpächtern über den "Nationalen Bodenfonds", auf Kosten alteingesessener Bauern und Landwirtschaftsbetriebe, die keine Chance auf Pachtverlängerung unter dem "neuen System" hatten. Zum Besitz der "Freundesgruppe" gehören u.a. auch ein früherer Adelssitz (Eigentümer ist Orbáns Vater), der zum Gästehaus ausgebaut wird, mehrere Wohn- und Hotelanlagen, eine historische Schmalspurbahn sowie ein Sportflugfeld, das kürzlich eine Lizenz für den Ausbau zum internationalen Flughafen erhielt. Während Bürgermeister, Statthalter und Multi-Unternehmer Mészáros es binnen vier Jahren vom Dorfaugust zu einem der 100 reichsten Ungarn schaffte, erscheint Orbáns amtliche Vermögensoffenlegung noch immer wie die eines mittleren Beamten.

“Strategische Partner” und Brüder im Geiste: MOL-Chef Hernádi und OTP-Boss Csányi mit Orbán auf der edel gepolsterten VIP-Tribüne... - Bild unten: Lothar Matthäus als Promi-Deko in Orbáns First-Class-Tribünen-Sitzen...

Der politischen Opposition und vielen gemeinen Bürgern gilt das Projekt des Stadions sowie das Gebahren der "Familie" in und um Felcsút insgesamt als neuer Höhepunkt der Verhöhnung des Volkes, als Sinnbild für die Verkommenheit der politischen Klasse in Ungarn. Wie die Wahlen jedoch gezeigt haben, bleibt sie - wie auch alle anderen, weit teureren Raubzüge (Genosschaftsbanken, Rentenkasse, EU-Milliarden, Tabakhandel, Landnahme etc.), gigantomanen Prestigeprojekte (Museumsviertel, AKW-Ausbau) oder auch die politischen Statements (Verfassung, Geschichtsrevisionismus) - ohne durchschlagende Wirkung auf das Wahlergebnis für die Regierungspartei, die ihre 2/3-Mehrheit, trotz eines Stimmenverlustes von über 600.000 Stimmen behaupten konnte, was - wie ausführlich erörtert - nicht nur Folge des umgestellten Wahlsystems ist. - So gesehen, ist das Felcsúter Pancho Stadion ein Monument des "neuen Ungarns", einer Postdemokratie zwischen Retronationalismus und Ständestaat.

Ein des Betruges überführter Ex-Präsident (und immernoch NOK-Mitglied) als Festredner... Pál Schmitt.

Am Montag haben einige Aktivisten einer linken (ausgerechnet der DK von Ex-Premier Gyurcsány nahestehenden) Jugendgruppe vor dem Stadion protestiert, bis sie von Sicherheitskräften und später der Polizei abgedrängt und wegen Landfriedensbruch angezeigt wurden. Doch nicht nur vorgeschickte Demonstranten, sondern die meisten Oppositionspolitiker stehen fassungslos vor dem Vorgang, dass sich die Regierungseliten angesichts von 3 Mio. Ungarn an oder unter der Armutsgrenze die Taschen mit Steuergeldern füllen und derart ungeniert prestigereichen Hobbys fröhnen.

Hier der Landsitz der Orbáns in Felcsút, das Stadion praktisch im Vorgarten.

Die Foren unabhängiger Medienportale sind voll mit Parallelen von Nordkorea, über Ceaucescus Größenwahn bis hin zum römischen Imperium oder dem rücksichtslosen Darstellungsdrang ägyptischer Pharaonen, eine Parallele, die vor allem auf die in diesem Jahr geplanten bis zu 300.000 kommunal beschäftigten Billigstlöhner, sozusagen Leibeigene des Staates, immerhin rund 8% der gesamten werktätigen Bevölkerung, eine gewisse Berechtigung hat. Anders die Orbánschen Fanlegionen. Wenn sie nicht gerade den Regierungssprech nachplappern, gönnt man dem Idol das Erschaffene. Er, der unermüdlich für die Freiheit des Volkes im Kampf gegen die halbe Welt im Einsatz ist, hat es für viele schlicht verdient...

 

Wie absurd die Regierungskommunikation versucht, den ganzen Pomp und die Umstände als Normalität erscheinen zu lassen, zeigen u.a. Äußerungen wie "ein Beispiel gelungener ländlicher Entwicklung" und "Wertschöpfung" oder dem "nationalen Prestige" und dem "sozialen Mehrwert", der aus dem Fußball zu ziehen sei, wie es auch in den Festreden hieß. Höhepunkt war hier jedoch das Statement des Pressesprechers Orbáns, Bertalan Havasi, gegenüber der amtlichen Nachrichtenagentur MTI aus der Vorwoche. Journalisten hätten die Initialen PMO (lies: Prime Minister Orbán) an einer der VIP-Logen des neuen Stadions "missinterpretiert". Der Premier hat und wird keine VIP-Logen in Stadien mieten oder besitzen, so dessen Sprecher. Im Falle des Pancho-Stadions habe lediglich der Gründer der Betreiberstiftung eine VIP-Loge angemietet, - "der eben auch der Premier Ungarns ist..."

2. Ausbauphase? Fundstück aus dem Internet.

ms.

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